EU-Mexiko-Abkommen: Weiterer Schritt in Richtung eines intransparenten und undemokratischen Handels

Die EU-Kommission wird vorschlagen, das ohnehin problematische Handelsabkommen zwischen der EU und Mexiko aufzuteilen. Darauf machen mehrere Organisationen in einer gemeinsamen Mitteilung aufgrund einer ihnen zugespielten Information aufmerksam. Das zeige einmal mehr, wie undemokratisch die EU-Handelspolitik sein kann. Der Information zufolge wird das Abkommen zwischen der EU und Mexiko in drei Teile aufgeteilt: ein Teil zu politischer Zusammenarbeit, ein Investitionsabkommen und ein Handelsabkommen. Die Aufteilung des Abkommens wird eine schnellere Ratifizierung durch weniger demokratische Teilhabe ermöglichen: Zur Ratifizierung des Handelsabkommens ist die Zustimmung der Parlamente der Mitgliedsstaaten dann nicht mehr notwendig. Während das Handelsabkommen ausschließlich durch den EU-Rat und das Europäische Parlament ratifiziert werden würde (EU-only), würden die Parlamente der Mitgliedsstaaten nur noch gefragt, wenn es um die Ratifizierung der anderen beiden Teile geht. Vor allem der Handelsteil wurde wegen seiner negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen und der negativen wirtschaftlichen Folgen kritisiert, etwa steigender Ungleichheit. Durch die Umgehung der Parlamente der Mitgliedstaaten geht die EU nach Ansicht der Organisationen einen weiteren Schritt in Richtung intransparenter, undemokratischer Entscheidungsfindung in einem höchst umstrittenen Politikfeld. Interne Quellen sagen, dass dies der Kommission zufolge ein Ergebnis der formal juristischen Prüfung des Abkommens sei. Das Abkommen, das seit 2000 in Kraft ist, hat seit 2016 eine Phase der Nachverhandlung durchlaufen, welche im April 2020 inmitten der Pandemie abgeschlossen wurde. Auch deutete die Kommission an, dass dieser Vorschlag im Einklang mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Singapur-Abkommen aus dem Jahr 2017 steht. Die mexikanische Regierung steht der Idee, das Abkommen aufzuspalten, bisher kritisch gegenüber. Vermutlich befürchtet sie, dass sich die anderen beiden Teile verzögern könnten, insbesondere der Teil zur politischen Zusammenarbeit. Dieses neue Manöver der Kommission zeigt unabhängig davon eine zunehmende Tendenz der EU, die Parlamente der Mitgliedsstaaten an der Mitsprache zur Handelspolitik zu hindern. Wahrscheinlicher wird damit auch, dass etwa mit dem EU-Mercosur-Abkommen, das sich derzeit in der formaljuristischen Prüfung befindet, auf ähnliche Art und Weise verfahren wird. Jeremy Oestreich, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift, sagte dazu: „Immer mehr Menschen sehen heute die negativen Folgen von ungebremster Handelsliberalisierung. Geplante Handelsabkommen zwischen der EU und Mexiko oder dem Mercosur-Raum werden gerade deshalb kritisiert, weil sie unseren Klimazielen sowie vielen anderen Nachhaltigkeitszielen völlig zuwiderlaufen. Trotz dieser zunehmenden Kritik schließt die EU demokratische Institutionen vom Entscheidungsfindungsprozess aus, um weiter auf ihre alte Agenda setzen zu können.” Mónica Vargas, Researcher und Global Campaigner beim Transnational Institute, ergänzt: „Die Auswirkungen von Freihandels- und Investitionsschutzabkommen haben in Mexiko bereits zu verheerenden Folgen geführt, wie das “Internationale Forschungsprojekt zu den sozialen und ökologischen Auswirkungen von transnationalen Konzernen und Freihandel” im Jahr 2019 festgestellt hat. Das modernisierte EU-Mexiko-Abkommen ist auch deshalb besorgniserregend, weil es das erste zwischen der EU und einem lateinamerikanischen Land unterzeichnete Abkommen wäre, das ein Kapitel zum Investitionsschutz enthält. Dies bedeutet, dass transnationalen Konzernen das exklusive Recht eingeräumt wird, die demokratischen Entscheidungen von Staaten anzufechten, zum Beispiel durch die Anfechtung von Gesetzen von öffentlichem Interesse”. Berit Thomsen, Referentin für Agrarhandel der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, kritisierte: „Diese Freihandelsabkommen verhindern Klimaschutz, Menschenrechte, faire Preise für Bäuerinnen und Bauern und Tierwohl. Es ist ein gänzlich falsches Zeichen, den Handelsteil des Abkommens zwischen der EU und Mexiko abzuspalten und dadurch die Zustimmung der Mitgliedstaaten zu umgehen. Wir fordern von der Regierung und vor allem auch von der künftigen Bundesregierung, solchen undemokratischen Verfahren im EU-Rat nicht zuzustimmen, diesen Freihandelsabkommen eine Absage zu erteilen und den Weg frei zu machen, für eine Handelspolitik, die verbindliche ökologische und soziale Kriterien festschreibt.“ Zu weiteren Hintergründen erklärt das Bündnis:
Vor 27 Jahren unterzeichnete Mexiko das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) — das aggressivste Handelsabkommen der Welt — mit Kanada und den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2000, unterzeichnete es ein ganz ähnliches Abkommen mit der Europäischen Union (EU), das zwischen 2016 und 2020 noch einmal „modernisiert” wurde. Seit Jahren prangern mexikanische und internationale soziale Bewegungen die Auswirkungen der Handelsliberalisierung an, insbesondere die dramatischen Folgen für Menschenrechte und Umwelt. Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des Handelsabkommens zwischen der EU und Mexiko sind für Mexiko eher zu vernachlässigen. Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit zwischen 2000 und 2018 von 2,8 Prozent auf 3,6 Prozent gestiegen und der Lebensstandard hat sich nicht verbessert. Auch die Nachhaltigkeitsbewertung der EU aus dem Jahr 2019 rechnet für das modernisierte Abkommen bis 2028 im besten Szenario nur mit 90.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen für Mexiko (0,16 Prozent), während Arbeitsplätze, die verloren gehen könnten, nicht einmal berücksichtigt werden. Die Modernisierung des Abkommens sieht eine Öffnung der mexikanischen Agrarmärkte für europäische Produkte wie Fleisch, Milch und Zucker vor. Die Zuckerexporte aus der EU werden schätzungsweise um 1200 Prozent steigen, obwohl Mexiko einer der führenden Zuckerproduzenten der Welt ist. Auf der anderen Seite wird Europa seine Märkte für Hähnchen und Geflügel aus Mexiko öffnen. Beide Seiten haben sich zudem darauf geeinigt, Kontrollen zu reduzieren, um den Handel zu erleichtern. Die Modernisierung sieht auch einen erleichterten Rohstoffabbau in Mexiko sowie geringere Beschränkungen für Gas- und Ölimporte in die EU vor. Insgesamt würde das Abkommen wirtschaftliche Aktivitäten profitabler machen, die auf Umweltzerstörung beruhen und eine hohe Klimabelastung mit sich bringen. Während die Macht der Investoren durch den exklusiven Zugang zu einem privaten Rechtssystem (dem Investitionsgerichtssystem — ICS) gestärkt werden soll, würden europäische Investoren auch Zugang zu Aufträgen des öffentlichen Beschaffungswesens von Mexiko bekommen. PowerShift, das Transnational Institute und eine wachsende Zahl von NGOs — sowohl in Europa als auch in Mexiko — lehnen die Ratifizierung des Abkommens deshalb ab.