Europäisch zulassen - national verbieten

Die EU vertritt die Interessen der Gentechnikkonzerne, während der Schutz vor GVO zur Ländersache wird

Die derzeitige Debatte zu nationalen Gentechnik-Anbau-Verboten und zum zukünftigen Zulassungsverfahren ist ein Erfolg der gentechnikkritischen Bewegung. Dennoch, dass ist allen Gentechnikgegnern klar, ist es nur das Verhindern von noch Schlimmerem, denn auch die Konzerne haben im Gerangel um Zulassungs- und Verbotsmodalitäten Erfolge erzielt. Wenn voraussichtlich am 12. Juli über den „griechischen Vorschlag“ über die nationalen Anbauverbote abgestimmt wird, könnte ein inzwischen vier Jahre dauernder Prozess zu Ende gehen. Ein Ziel der gentechnikfreundlichen EU-Kommission ist es, die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten zu beschleunigen. Der Vorschlag Griechenlands, das aktuell die Ratspräsidentschaft innehat, ist offenbar auch auf Druck von England eingebracht worden, das in jüngster Vergangenheit immer wieder einen offeneren Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft forderte. Der Vorschlag in seiner derzeitigen Version sieht vor, dass die Mitgliedstaaten, im Falle einer positiven Bewertung einer zur Zulassung anstehenden Gentechnikpflanze durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), innerhalb von 30 Tagen mitteilen müssen, dass sie den Anbau auf nationaler Ebene verbieten wollen. Die Kommission leitet dies unmittelbar an das beantragende Gentechnikunternehmen weiter, das wiederum innerhalb von 30 Tagen darüber entscheiden kann, ob es dem Wunsch nachkommt. Aussehen könnte eine Zulassung dann wie folgt: „Für den Mais 0815 wird eine Zulassung in der gesamten EU mit Ausnahme der Länder/Gebiete X und Y beantragt.“ Nationale Verbote Besteht das Unternehmen jedoch auf eine europaweite Zulassung, können die Länder unter bestimmten Umständen, auch das regelt der neue Vorschlag, im Nachhinein ein nationales Verbot erlassen. Ganz deutlich wird, dass den Gentechnikkonzernen großer Einfluss eingeräumt wird, auch wenn, anders als in einer ersten Version, die Regierungen der Mitgliedsländer nicht mehr direkt, sondern nur noch mittelbar über die EU-Kommission mit den Unternehmen über Zulassung und Anbauverbot verhandeln. Geteiltes Europa Die Regierungen der gentechnikkritischen Mitgliedsländer könnten zukünftig immer wieder vor die Entscheidung gestellt werden, sich durch eine Zustimmung auf europäischer Ebene ein nationales Verbot bei den Konzernen zu “erkaufen“. Dies stellt nicht nur eine europäische Gemeinschaft in Frage, sondern auch die Ernsthaftigkeit, mit der dem Wunsch der Bevölkerung nach einer Landwirtschaft ohne Gentechnik nachgekommen wird. Es scheint schwer vermittelbar und verzerrt auch die Aussage, dass eine Regierung, obwohl sie gegen Gentechnik im eigenen Land ist, dieser auf europäischer Ebene zustimmt. Auch der wirtschaftliche Vorteil, gentechnikfreie Produkte ohne immensen Trennungsaufwand und –kosten erzeugen zu können, müsste aufgegeben werden – Folgekosten zahlen derzeit die gentechnikfreien Unternehmen. Unsichere Rechtslage Der aktuelle Entwurf sieht die Möglichkeit eines Verbots in den Mitgliedsländern nach Erteilung der europaweiten Zulassung vor, allerdings nur, wenn die Länder dies in der ersten Phase schon versucht haben und auch erst nach Ablauf von zwei Jahren! Um jahrelang andauernde Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden wäre es wichtig, eine möglichst eindeutige und solide Rechtslage zu schaffen. Hier bleibt der Entwurf aber vage. Mögliche Verbotsgründe müssen generell „begründet, verhältnismäßig und nicht diskriminierend“ sein. Der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft kritisiert hieran: „... – diese unbestimmten Rechtsbegriffe bieten viel Interpretationsspielraum.[...]Wie vor diesem Hintergrund die zulässigen Verbotsgründe – Umwelt- und landwirtschaftspolitische Ziele, Stadt- und Landplanung, Landnutzung – inhaltlich gefüllt werden können, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass eine Konzernklage gegen einen Mitgliedstaat zu jahrelanger Rechtsunsicherheit führen würde.“ Auf der Zielgeraden In einem Entschließungsantrag hat der Deutsche Bundestag festgelegt, dass ein nationales Anbauverbot auch ohne die Angabe von neuen, objektiven Gründen jederzeit möglich sein muss. Auch müssen Maßnahmen zum Schutz gegen den GVO-Eintrag in benachbarte Mitgliedsländer möglich sein. Diese Konkretisierungen sind derzeit noch nicht Bestandteil des griechischen Vorschlags. In ersten Gesprächen mit dem Ausschuss der ständigen Vertretung wurden diese vorgebracht. Matthias Miersch, der ganz maßgeblich an der Aufnahme der beiden Punkte mitgewirkt hat, fordert: “Die Bundesregierung ist gehalten, den Entschließungsantrag des Bundestags zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen. Eine Zustimmung ohne die Möglichkeit eines jederzeit möglichen nationalen Verbots, auch ohne die Angabe von neuen objektiven Gründen, ist nicht akzeptabel.”
10.06.2014
Von: Marcus nürnberger, unabhängige Bauernstimme