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Haben die Molkereien den Milchpreis festgemeißelt? + Sie können es nicht lassen – EDEKA fordert Real-Beitrag + Uneinigkeit über Westfleisch- Strategie + Weiter Streit um Schweinepreis

Haben die Molkereien den Milchpreis festgemeißelt?
Die Milchbauern sind stinksauer. Alle Zeichen zeigen für den Milchpreis seit Monaten nach oben. Der Kieler Börsenmilchwert als wichtiger Indikator der Marktentwicklung errechnete für Juni aus dem Fett (Butter) und dem Eiweiß (Milchpulver) einen Preis von 38,7 Cent/kg statt tatsächlich gezahlten 33-34 Cent. Sämtliche Verwertungen von Päckchenbutter bis Käse melden steigende Preise – teilweise plus 20 bis 25% gegenüber Vorjahr. Auch die europäischen Spotmarktpreise und die Weltmilchmärkte ziehen deutlich an. Butter erreicht ein Zweijahreshoch, Käse und Magermilchpulver eine 14- Monatsspitze. Der Index der FAO für reale Milchexportpreise steigt seit einem Jahr ununterbrochen an und ging im Mai mit 28% über Vorjahr durch die Decke. Nur der Milchpreis dümpelt vor sich hin und liegt ungefähr auf dem Niveau von 2020. Die Molkereien stellen sich tot, analysiert „agrarheute“. Selbst einige verbesserte Abschlüsse mit dem Einzelhandel haben kaum etwas bewegt. Zunächst hatten vor allem die Discounter versucht, die sich abzeichnenden Erhöhungen von Mai auf Juli zu verschieben. Auch Marktanalysten wundern sich, wie lange die Molkereien die Preisanpassungen verzögern und sich dem Unmut der Erzeuger aussetzen. Pikanterweise hat gerade die größte Molkerei, die DMK, verlauten lassen, dass das laufende Jahr besser gestartet sei als erwartet. Explodierende Kosten
Die Milchbäuerinnen und Milchbauern verbringen eher sorgenvolle Nächte. Besonders auf die Palme bringt sie, dass gleichzeitig die Kosten explodieren. So müssen die Landwirte deutlich mehr für Kraftfutter bezahlen, ob GVO- freies Soja oder Getreide. Auch die Energiepreise (Diesel, Strom) sowie Maschinen- oder Baupreise steigen drastisch. Die Produktionskosten sind im Frühjahr auf ein Allzeithoch geklettert. „Die Molkereien machen sich auf unsere Kosten die Taschen voll,“ schimpfen zu Recht die Milcherzeuger. „Wenn sich nicht bald was ändert, wird es ein heißer Herbst.“ Sie können es nicht lassen – EDEKA fordert Real-Beitrag
Edeka unternimmt einen neuen Anlauf, um seinen Lieferanten für die Übernahme von 51 Real- Märkten neue Konditionen und Rabatte abzuverlangen. Die Vermarktungspakete tragen die klangvollen Namen Gold, Silber und Bronze, berichtet die Lebensmittelzeitung (LZ). Die Hersteller von Markenartikeln „können“ wählen, was sie zu zahlen bereit sind. Die Bandbreite der einmaligen Konditionen reicht von 0,15% bis 0,3% des bisherigen Umsatzes mit der gesamten Edeka. Im Verhältnis zu früheren Übernahmen ist der größte deutsche Handelskonzern (Umsatz über 60 Mrd. €) aber vorsichtiger geworden. Angesichts der neuen Gesetzgebung zu unfairen Handelsbeziehungen und der Prüfungen des Vorgehens durch das Kartellamt hatte man die Sonderverhandlungen mit den Lieferanten im Frühjahr gestoppt. Schließlich war Edeka bereits 2008 bei der Übernahme des Discounters „Plus“ von Tengelmann in Konflikt mit dem Kartellamt geraten. Damals hatte Edeka von den Herstellern dreist im Nachhinein einen sogenannten Hochzeitsrabatt verlangt, der vom Kartellamt mit einer Strafzahlung wegen Verstoß gegen das Anzapfverbot gerügt wurde. Nach vielen Jahren Auseinandersetzungen sprach sich der Bundesgerichtshof 2018 gegen Edeka aus. Seitdem versucht man im Vorfeld Absprachen mit dem Kartellamt zu treffen. Die Wettbewerbshüter achten aber nur darauf, dass für jede finanzielle Zuwendung der Lieferanten konkrete, warenwirtschaftliche Leistungen angegeben werden und die Vereinbarungen frühzeitig kalkulierbar sind. Über die Rolle von Marktmacht und den Druck des Abnehmers entscheidet die Behörde nicht. Rechtsexperten sprechen deshalb von einem zahnlosen Tiger. Auch bei der Verteilung der ca. 200 Märkte des Großflächenbetreibers Real blieben im Wesentlichen die Großkonzerne unter sich. 92 Märkte bekam Kaufland, 51 gingen an Edeka. Globus erhielt 24 Großflächen, 2 gehen an Kaes in Bayern – das scheint aber eher ein (Alibi-) Entgegenkommen für den Mittelstand zu sein, dass er nicht gänzlich leer ausgeht. Etwa 30 Häuser haben einen Schließungstermin. Im Ergebnis geht die Konzentration des Einzelhandels ungehindert weiter. Übrigens: Kaufland will offenbar anders als Edeka dauerhafte Konditionen fordern. Laut LZ sollen sie bei etwa 1% pro Jahr liegen, wenn alle Märkte bedient werden. „Wir bauen eine neue Kondition mit Kaufland auf,“ fürchtet ein Hersteller. Sie versuchen es immer wieder aufs Neue. Es ist aber auch zu verführerisch, sich Marketingleistungen von Schwächeren in der Kette zahlen zu lassen, meint der Marktbeobachter. Uneinigkeit über Westfleisch- Strategie
Der Zoff in der Geschäftsführung des genossenschaftlichen Fleischkonzerns Westfleisch hat dazu geführt, dass sich das Unternehmen vom Vorstandsmitglied Sönnichsen getrennt hat. In diesen schwierigen Zeiten „ist es unerlässlich, dass sich die Führung unseres Unternehmens darüber einig ist, wie und auf welche Weise wir die Zukunft unserer Genossenschaft gestalten wollen,“ erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Lehmenkühler. Hintergrund, so interpretieren Marktkenner die Entscheidung, seien die zunehmenden Meinungsverschiedenheiten über die Ausrichtung auf die sich wandelnden Märkte. Während Sönnichsen – auch als ehemaliger Chef des auf Export setzenden dänischen Konzerns „Danish Crown“ – wohl die Internationalisierung favorisierte, setzten die mehrheitlichen Genossenschaftsführer eher auf den heimischen und europäischen Markt und auch auf eine Wertschöpfungsstrategie. Dabei ist das letzte Geschäftsjahr durch die guten Chinageschäfte im ersten Halbjahr gerettet worden, so dass Coronakosten und ASP- bedingte Exportausfälle die Bilanz nicht ganz verhageln konnten und ein kleiner Jahresüberschuss von 8 Mio. € bei einem Umsatz von 2,8 Mrd. € übrig blieb (=0,3%). Dennoch sei klar, dass durch die schwierige Exportsituation und die heimischen Ausfälle im fehlenden Gastronomie- und Grillumsatz dieses Jahr noch anspruchsvoller werde als 2020, der Start sei „eher unbefriedigend“ gewesen, so Westfleisch. Sönnichsen war auch in die Kritik geraten, weil er über seinen Bruder als Zwischenhändler in Dubai Geschäfte mit China abgewickelt hatte, die nicht beglichen wurden. Diese 12.000 Tonnen Schweinefleisch beschäftigen auch die Staatsanwaltschaft, die wegen des Anfangsverdachts der Untreue die Firmenzentrale durchsucht hatte. Wegen des Millionenverlustes war die Entlastung Sönnichsens bei der letzten Generalversammlung ausgeklammert worden. Weiter Streit um Schweinepreise
Uneinigkeit herrscht weiterhin in der Schweinebranche über die Beurteilung des aktuellen Marktes. In der derzeitigen Notierungswoche sind die Schweinepreise um ca. 9 Euro und die Ferkelpreise um 8 Euro gefallen. Durch die gestiegenen Kosten für Futtermittel und Energiekosten fehlen den Mästern 20 Euro an jedem Schwein, d.h. sie arbeiten praktisch ohne Einkommen. Noch stärker sind die Ferkelerzeuger unter finanziellem Druck. Deshalb fordert der DBV den Handel auf, „sich vom preisgetriebenen Einkaufsverhalten abzuwenden.“ Ob das den LEH beeindruckt, darf bestritten werden. Auch wenn das inländische Schweineangebot nicht hoch sei und sich manche Absatzmöglichkeiten wieder öffnen würden, so entgegnet die Industrie, sei der Markt schwach und durch den Druck ausländischer Ware zusätzlich in Schwierigkeiten. Und das Grillgeschäft könne man aus den Kühllägern bedienen. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN), die eigentlich immer auf die Vorzüge des Marktes verweisen, wenden sich unter diesen Umständen mal wieder an die Politik, die den Chinaexport öffnen solle und eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung einführen solle. Selbst den neoliberalen Marktgläubigern scheint die Hoffnung auf die Selbstheilungskräfte des Marktes auszugehen.
21.06.2021
Von: hg

Über ein Büro in dem bei seiner Eröffnung 2010 (und noch) höchsten Gebäude der Welt, dem Burj_Khalifa in Dubai, dessen Besuch die Internetseite dubai-info.de mit diesem Foto bewirbt, sollen Westfleisch-Geschäfte mit China abgewickelt worden sein.