Trilog-Verhandlungen in Brüssel vorläufig gescheitert

In Brüssel ist es bei den jüngsten Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission zu keiner Einigung gekommen. Die Verantwortung für das Scheitern wird je nach Interessenlage beim jeweils Anderen gesehen, wobei Kommission und Parlament sich insoweit einig zu sein scheinen, dass der Agrarrat nicht bereit ist, beim Umwelt- und Klimaschutz den Vorschlägen des Parlaments stärker entgegenzukommen. Hier habe sich der Rat von vornherein gesperrt, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins, der mehr Respekt seitens des Rates gegenüber dem Parlament anmahnt. Häusling: Mit Politik von gestern kann man in Zukunft nicht bestehen
Für Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, haben die Mitgliedstaaten mit einer rückwärts gerichteten, aus der Zeit gefallenen und zu keinem Kompromiss fähigen Haltung die Verhandlungen für die GAP-Reform mindestens vorerst scheitern lassen. „Mit der starren Position der Mitgliedsstaaten unter der portugiesischen Ratspräsidentschaft droht nun, dass die Reform der GAP völlig scheitert. So, wie sich der Rat in den nächtlichen Verhandlungen aufführte, kann ich nur den Eindruck gewinnen, dass einige Länder auch nach zweieinhalb Jahren überhaupt keine Einigung wollen. Einige von ihnen scheinen nach der Devise zu verfahren, weiter ihren Landwirten möglichst viel Geld zuschustern zu wollen, ohne dass sie irgendwelche nennenswerten Auflagen zu erfüllen hätten. Anders kann ich die Versuche, den Anteil der Umweltauflagen aus den Eco Schemes von 30 auf 18 Prozent zu drücken und zugleich jede Verquickung mit dem Green Deal abzulehnen, nicht interpretieren. Aus einer solchen Haltung spricht die Erkenntnis, dass viele Mitgliedsstaaten eines überhaupt nicht verstehen: An Auflagen aus Gründen des Klima- und Artenschutzes führt kein Weg mehr vorbei. Im Gegensatz dazu war das Parlament durchaus bereit, Kompromisse etwa bei den Eco Schemes oder Fragen der Flächenstilllegung einzugehen“, so Häusling. Völlig unverständlich ist für ihn die Rolle der deutschen Agrarministerin Julia Klöckner, „die überdies vorzeitig abreiste. Statt in irgendeiner Form vermittelnd einzugreifen, bestärkte sie die portugiesische Ratspräsidentschaft in ihrer rückwärtigen Politik und fiel damit hinter ihre eigenen, in Deutschland vertretenen Positionen zurück.“ Dabei habe Deutschland es eigentlich in der Hand, die Schlüsselrolle bei der Suche nach Kompromissen einzunehmen. Danach siehe es derzeit aber überhaupt nicht aus, womit Klöckner eine gehörige Mitschuld am drohenden endgültigen Scheitern dieser Reform tragen werde. „Ich begrüße, dass die Kommission und das Parlament ihren Grundsätzen aber treu blieben und sich nicht auf die fatalen Ziele des Rates einließen. Es muss klar sein: Agrarpolitik kann nicht mehr länger als reine Einkommenssicherung zu betrachten sein, sondern Maßstab muss die Devise sein, öffentliches Geld für öffentlich gewünschte Leistungen auszugeben. Es ist absehbar, dass die der jetzigen Reform in wenigen Jahren folgende weitere Revision angesichts der sich verschärfenden Umweltprobleme wesentlich drastischer ausfallen wird was Vorgaben bei Klima- und Artenschutz anbelangt. Dann werden auch die Umweltminister mit am Tisch sitzen, was den Druck auf die Landwirtschaft deutlich erhöhen wird, sich an den gesellschaftlichen Zielen zu orientieren. Für mich steht fest: Die Dramatik in Zeiten schwindender Artenvielfalt und steigender Temperaturen kommt beim Rat nicht an“, erklärt der grüne EU-Abgeordnete. Noichl: „Europäisches Parlament zeigt Kraft und Willen für eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik“
Nach Ansicht von Maria Noichl, landwirtschaftspolitische Sprecherin der Europa-SPD und Verhandlungsführerin der S&D-Fraktion für die Agrarreform, hat sich vor den Trilog-Verhandlungen bereits abgezeichnet, „dass das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission in dieser Woche keinen Durchbruch zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik schaffen werden. Bei einer Reihe wichtiger inhaltlicher Punkte liegen die Positionen weiterhin weit voneinander entfernt. Dass die Verhandlungspartner bei einem zentralen Anliegen des Europäischen Parlaments, der sozialen Konditionalität, einen entscheidenden Fortschritt erreicht haben, täuscht nicht darüber hinweg. Denn uns fehlen noch zentrale Elemente um die GAP zukunftstauglich aufzustellen.“ Für die SozialdemokratInnen sei jedoch klar, „dass wir weiter für eine nachhaltigere GAP kämpfen werden, die den Schutz von ArbeitnehmerInnen verbessert, die europäischen Gelder fairer verteilt und zukünftig eng mit den Zielen des Europäischen Green Deals verbunden ist“, unterstreicht die sozialdemokratische Verhandlungsführerin. Noichl ist zuversichtlich, „dass mit gutem Willen auf beiden Seiten noch vor dem Ende der portugiesischen Ratspräsidentschaft ein fairer Kompromiss gefunden werden kann. Dafür müssen wir aber sicherstellen, dass der Rat uns auf Augenhöhe begegnet. Der Vertrag von Lissabon hat das Europäische Parlament zum Mitgesetzgeber werden lassen. Es ist eine Tragik, dass unsere Institution in den Verhandlungen mit dem Rat immer noch nicht ernst genommen wird. DNR: An Blockade der EU-Mitgliedstaaten gescheitert
Der Deutsche Naturschutzring (DNR) macht die „Blockade der EU-Mitgliedstaaten“, repräsentiert durch den Agrarrat, für den ergebnislosen Abbruch verantwortlich. „Trotz aller Vorsätze der portugiesischen Ratspräsidentschaft, die Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission in dieser Woche abzuschließen, sind die Verhandlungen heute früh ein weiteres Mal an der Blockade der EU-Mitgliedstaaten gescheitert. Die mangelnde Bereitschaft seitens der Mitgliedstaaten, auf das EU-Parlament und seine Forderungen nach einer ambitionierteren GAP zuzugehen, bestätigen einmal mehr den geringen Willen für eine überfällige Transformation der EU-Agrarpolitik. Dabei könnte die GAP das zentrale Instrument sein, um die Landwirtschaft in Europa fit für die Herausforderungen im Klimawandel, beim Erhalt der Biodiversität und zum Schutz der natürlichen Ressourcen zu machen. Die Fortsetzung der Verhandlungen im Juni und die bereits laufende nationale Umsetzung der GAP in Deutschland müssen endlich Ergebnisse liefern, mit denen die dringend erforderliche Neuausrichtung der GAP noch Realität werden kann." kommentiert DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. BÖLW: „Nur was gut für Umwelt und Bauern ist, darf Gesetz werden"
Auch etwas Gutes kann der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) dem Scheitern in Brüssel abgewinnen. „Der aktuelle Diskussionsstand enthält noch zahlreiche Schwächen. Daher ist es gut, dass die GAP weiter beraten wird. Denn nur was gut ist für Bauern und Umwelt, darf Gesetz werden. Eine gute GAP muss Bäuerinnen und Bauern, die besonders klima- und umweltfreundlich arbeiten, eine verlässliche Perspektive geben. Dann können die Betriebe dazu beitragen, die Ziele der Farm to fork Strategie zu erreichen. Dabei starke Anreize für Bio zu schaffen, heißt, in ein System zu investieren, das Landwirten eine Perspektive gibt. Öko bedeutet wenig zusätzliche Bürokratie, denn Bio ist einfach zu verwalten, da es sein eigenes staatliches Kontrollsystem mitbringt. Und wissenschaftlich bewiesen ist längst, dass Bio die Umwelt wirksam schont. Wichtig ist, dass in den Beratungen die progressiven Positionen des EU-Parlaments stärkeres Gewicht erhalten. Es geht schließlich um Milliarden Euro Steuergelder, die bestimmen, welche Landwirtschaft sich lohnt", kommentiert BÖLW-Vorstand für Landwirtschaft Dr. Alexander Gerber. Bioland: "Abbruch der Verhandlungen kostet Zeit, die wir eigentlich nicht haben"
Für Bioland-Präsident Jan Plagge ist das vorläufige Scheitern der Gespräche zur GAP-Reform „enttäuschend und kostet Zeit, die wir eigentlich nicht haben.“ Messlatte für die weiteren Trilog-Verhandlungen bleibe der Green Deal mit der Farm-to-Fork-Strategie und den Zielen, bis 2030 den Ökolandbau in den EU-Mitgliedsstaaten auf 25 Prozent auszuweiten, den Pestizid- und Antibiotikaeinsatz zu halbieren, den Düngeeinsatz stark zu reduzieren und die Biodiversität zu steigern. „Statt pauschaler Flächensubventionen muss die künftige GAP Bäuerinnen und Bauern für ihre Leistungen im Umwelt- und Klimaschutz belohnen. Nur so können hohe Umweltfolgekosten einer intensiven Landwirtschaft vermieden werden", so Plagge. Germanwatch: Konsequente Linie des EU-Parlaments ist richtig
Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch hält das Aussetzen der Verhandlungen durch das Europäische Parlament für richtig. „Der Europäische Rat blockiert selbst kleine Fortschritte in Richtung Umwelt- und Klimaschutz in der Agrarpolitik. Es ist richtig, dass das Parlament hier ein Stopp-Zeichen setzt“, sagt Tobias Reichert, Referent für Agrarpolitik bei Germanwatch. „Es ist völlig inakzeptabel, dass der Ministerrat für weitere sieben Jahre eine Agrarpolitik festzurren will, mit der die Landwirtschaft in der EU keinen relevanten Beitrag zu den Klimazielen leisten würde.“ Reichert weiter: "Schon mit dem Kompromissvorschlag des Parlaments hätte die GAP nur einen geringen Beitrag zu den Klimazielen geleistet. Die Position des Rates würde hingegen völligen Stillstand bedeuten. Daher ist es richtig, dass das Parlament nicht einknickt." Nun ist nach Ansicht von Germanwatch neben der portugiesischen Ratspräsidentschaft auch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner gefordert. „In Berlin verspricht Ministerin Klöckner regelmäßig den Systemwechsel in der Agrarpolitik, aber in Brüssel hat sie die harte Haltung des Rates unterstützt, die sieben Jahre Stillstand bedeuten würde“, sagt Reichert. „Sie ist jetzt in der Verantwortung, insbesondere gemeinsam mit Frankreich und Portugal neue Kompromissvorschläge zu entwickeln, die zu den Klima- und Biodiversitätszielen der EU beitragen sowie die weitere Verdrängung kleiner und mittelgroßer landwirtschaftlicher Betriebe stoppen."