Gemeinwohl verschoben

Auch wenn Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Anschluss an die dreitägige Sonder-Agrarministerkonferenz in Berlin nicht zusagen wollte, dass sie die im Konsens beschlossenen Kompromisse der LänderagrarministerInnen zu 100 Prozent umsetze, wären diese gegenüber dem ersten Aufschlag aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium dennoch ein größerer Schritt, wenn auch kein Sprung zu mehr Umweltleistungen. Immerhin 25 Prozent sollen in die Ausgestaltung der Eco-Schemes fließen, bei Klöckner waren es 20. Auch soll ein über die Jahre in drei Schritten steigender Anteil der Mittel, beginnend bei zehn Prozent 2023 bis zu 15 Prozent 2027, in die zweite Säule umgeschichtet werden. Die Länderagrarminister sprachen sich auch für eine gekoppelte Weidetierprämie aus und wollen mehr Geld für die ersten 60 ha zahlen. Ernüchternd ist die Einschätzung von Beteiligten aus dem Umfeld der Konferenz, die feststellen, dass es zum Ende nicht mehr um im Sinne der Landwirtschaft und Umwelt möglichst zukunftsweisende Inhalte ging, sondern stattdessen im Fokus stand, dass die Maßnahmen keinen negativen Einfluss auf die Geldflüsse in die einzelnen Bundesländer haben sollten. Vielleicht auch deshalb sprechen sich die LänderagrarministerInnen anders als das BMEL gegen eine Kappung und Degression aus. Nicht unwahrscheinlich, dass es vor allem die Ostländer gewesen sind, die hier finanzielle Verluste abwehren wollten. Als ärgerlich bezeichnet dies im Nachgang Peter Hauck, Agrarminister in Baden-Württemberg. Er sieht in dieser Entscheidung einen Widerspruch zum breiten gesellschaftlichen Wunsch nach einer stärkeren Unterstützung von kleineren Betrieben. Das Spiel auf Zeit Wenn es nach dem Willen der Bevölkerung hätte gehen sollen, dann allerdings wären sehr wahrscheinlich ganz andere Maßnahmen besprochen worden. Dass in Deutschland ein Modell, das von verschiedenen Institutionen, vom Thünen-Institut bis hin zur EU-Kommission, geprüft und für ausgereift, umsetzbar und vor allem den Anforderungen an eine gesellschaftlich akzeptierte, nachhaltige und produktive Landwirtschaft genügend befunden wurde, keine Erwähnung im Papier der Agrarminister erfährt, ist ernüchternd. Allein die Grünen hatten in einem internen Strategiepapier die Gemeinwohlprämie als ein Alternativmodell für die Förderperiode ab 2027 aufgenommen, das „weiterverfolgt und qualifiziert werden“ solle. Zivilgesellschaft außen vor Inhaltlich unterscheiden sich die Vorschläge der Agrarminister zwar von denen der Bundeslandwirtschaftsministerin, bei ihrem Vorgehen aber greifen sie ebenso wenig wie diese die aktuelle gesellschaftliche Diskussion auf. Landwirte demonstrieren mit ihren Traktoren, fordern Mitsprache, zeigen durch ihre konstruktive Mitarbeit z. B beim Niedersächsischen Weg, dass man die Zukunft nicht über sie hinweg, sondern mit ihnen planen sollte. Nur wenige Tage vor dem Zusammentreffen der Agrarminister stellte die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ihre Zwischenergebnisse vor. Prof. Peter Strohschneider, Vorsitzender der Kommission, verortete die aus vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zusammen gesetzte Runde als eine Adresse des zivilgesellschaftlichen Engagements. Allerdings, so ließ es der maßgeblich vom Bundeslandwirtschaftsministerium gestaltete Zeitplan von Beginn an erahnen, sollte eben diese Zivilgesellschaft bewusst nicht an der Gestaltung der aktuellen GAP beteiligt werden – für Greenpeace einer der wesentlichen Gründe, die weitere Mitarbeit aufzukündigen. Ende der flächenbezogenen Zahlungen Ihre Mitgliedschaft in der ZKL nutzen die Präsidenten der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und des Lebensmittelverbandes Deutschland, Hubertus Paetow, Prof. Kai Niebert und Philipp Hengstenberg, sowie der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundeslandwirtschaftsministerium, Prof. Achim Spiller, und fordern eine Ablösung der flächenbezogenen Direktzahlungen durch eine Förderung der von LandwirtInnen – vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung eingegangenen Verpflichtungen zum Erhalt der Biologischen Vielfalt und des Klimaschutzes – zu erbringenden Umweltleistungen. Explizit fordern die Autoren: „Respektieren Sie die von ihr [ZKL] erreichten sachlichen Konsense auch mit Blick auf die nationale Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik. [...] Sorgen Sie für eine angemessene Mittelausstattung der Agrarumwelt- und Tierschutzprogramme, damit Landwirtinnen und Landwirte für ihre Gemeinwohlleistungen entlohnt werden können. Nutzen Sie die Gelder der heutigen Direktzahlungen für wirksame, attraktive Umweltregelungen.“ Wie gut das den Bundes- und Landesagrarministern bisher gelungen ist, kommentierte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Martin Schulz: „Es wäre notwendig gewesen, ehrlich zu sagen, dass die bisherige Form der Verteilung der Steuergelder keine Zukunft hat. Die AMK hat es trotz erster zaghafter Schritte verpasst, den notwendigen Systemwechsel in eine neue Agrarpolitik einzuleiten. Um die EU-Gelder für die Bäuerinnen und Bauern langfristig zu sichern, wäre eine grundsätzliche Abkehr von der weitestgehend unqualifizierten Flächenzahlung nötig gewesen.“