Großbrand in Schweinezuchtanlage zeigt dringenden Handlungsbedarf

Ein Großbrand hat alle 18 Ställe der Schweinezuchtanlage in Alt Tellin in Mecklenburg-Vorpommern zerstört. Dabei wurden insgesamt fast 60.000 Schweine getötet. In der Anlage wurden knapp 10.000 Muttersauen gehalten sowie bis zu 50.000 Ferkel. Die Anlage gehörte zu den größten Anlagen ihrer Art in Europa. Der Brand zeigt nicht nur nach Ansicht von Tierschützern erneut dringenden Handlungsbedarf – beim Thema Brandschutz, aber auch ganz grundsätzlich. Solche Großanlagen müssten zukünftig vom Gesetzgeber verhindert werden und es sei ein Umdenken in der Politik erforderlich. Im Falle eines Brandes ist die Rettung aller Schweine bei Haltungsanlagen dieser Größenordnung nach Ansicht von Provieh und dem Tierschutzbund nicht mehr möglich. Je größer die Anlage, desto schwieriger ist das Problem des Brandschutzes zu lösen. „In diesem Fall war aufgrund der Fixierung der Muttersauen in Kastenständen und sogenannten ‚Ferkelschutzkörben‘ sowohl eine Rettung als auch eine Flucht der Sauen und Ferkel so gut wie unmöglich. Zudem laufen Schweine in Panik überall hin, nur nicht unbedingt gezielt ins Freie - selbst wenn Türen geöffnet werden und sie nicht fixiert wären”, erklärt Nicole Langebeck, Provieh-Fachreferentin für Schweine. Ein wirksames, auf die Rettung der Tiere ausgerichtetes Brandschutzkonzept sei für Anlagen dieser Größe nicht realistisch umsetzbar. „Bei einer großen Tierzahl, wie sie in den Intensivtieranlagen üblich ist, ist die Rettung aller Tiere quasi unmöglich“, heißt es auch beim Tierschutzbund. Dieser Fall zeigt laut Provieh noch einmal die tiefgreifenden Probleme solcher Tierfabriken, bei denen Umwelt, Gesundheit und Tierwohl der Wirtschaftlichkeit zum Opfer fallen. Anlagen dieser Größenordnung dürften nicht mehr genehmigt werden! Auch für den Tierschutzbund ist „dringend Nachrüstung und ein Umdenken in der Schweinehaltung erforderlich“. Realistische Rettungsmöglichkeiten im Brandfall bestehen seiner Ansicht nach nur bei frühzeitiger Brandfeststellung, kleinen Tierbeständen und einem angepassten Haltungssystem. Voraussetzung für einen hohen Rettungserfolg wäre, dass die Tiere idealerweise in Buchten an Außenwänden gehalten werden. Die Tiere könnten so zum Beispiel durch verschiebbare Türen von außen rausgelassen werden, wenn der Stall nicht mehr betretbar ist. Statt bewegungsarmer Haltungssysteme oder sogar einer Fixierung, etwa von Sauen im Kastenstand, sind Haltungsformen, welche die Fortbewegung fördern, etwa durch Ausläufe, erforderlich. Bei ständig zugänglichen Ausläufen könnten sich die Tiere selbst in den Auslauf retten. Ferner sollten alle baulich-technischen Brandverhütungs- und Brandbekämpfungsmaßnahmen ausgeschöpft werden – zum Beispiel feuerfeste Materialien, Sprinkleranlagen, Brandmauern oder feuerfeste Türen. Nach Ansicht des agrarpolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff, wurde die „Megaanlage offensichtlich völlig verantwortungslos geführt“. Es habe genug Warnungen vor dem Weiterbetrieb der Anlage gegeben. Der Brandschutz von solchen Megaanlagen gehöre jetzt überall auf den Prüfstand gestellt. „Wirtschaftlichkeit kann nicht vor Tierschutz stehen“, erklärt Ostendorff. Mit einem verantwortungsvollen bäuerlichen Betrieb habe diese Anlage nichts zu tun. Zum Hintergrund der Anlage in Alt Tellin
Die Anlage wurde im Jahr 2010 von dem niederländischen Investor Adrijanus Straathof gebaut und in Betrieb genommen. Jedoch bekam Straathof 2016 ein endgültiges Tierhaltungsverbot in Deutschland auferlegt, da er in mehreren seiner Anlagen erheblich und mehrfach gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hatte. Im Nachgang wurden alle Anlagen an die LFD Holding, später an die Terra Grundwerte AG aus der Schweiz verkauft, bei der unklar ist, in wessen Eigentum sich diese befindet. Die Anlage Alt Tellin stand vielfach in der Kritik und hat vielfältige Proteste hervorgerufen, an denen auch Provieh und der Tierschutzbund beteiligt waren. Zudem ist bis heute eine Klage gegen die Betriebsgenehmigung nicht endgültig entschieden, die 2012 vom BUND und der Bürgerinitiative „Rettet das Landleben am Tollensetal“ eingereicht worden war. Die Klage richtet sich sowohl gegen die in Alt Tellin umfangreich im Einsatz befindlichen Kastenstände als auch gegen unzureichende Brandschutzkonzept. „Auch wenn zumindest die Nutzung von Kastenständen in Zukunft durch die geänderten Haltungsvorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung massiv eingeschränkt wird, zeigte sich am aktuellen Fall, dass die Probleme in den Mega-Ställen noch viel größer sind und die massive Kritik mehr als berechtigt ist“, erklärt Provieh.