Turbulenzen am Schweinemarkt gehen in die nächste Runde

Der Schweinemarkt kommt nicht zur Ruhe. Nach monatelangen katastrophalen Erzeugerpreisen stiegen sie nun drastisch an. In den letzten 3 Wochen erhöhte sich der Schweinepreis um 31 ct/kg bzw. 26% auf 1,50 €/kg und der Ferkelpreis wächst um mehr als das Doppelte von 22 € auf 51 €/ 25kg Ferkel in dieser Woche. Damit kommen die Schweinebauern wieder in die Nähe der schwarzen Zahlen, die die Interessengemeinschaft Schweinehalter Norddeutschland (ISN) aktuell bei mindestens 1,60 €/kg bzw. 60 € je Ferkel ansetzt. Diesen steilen Anstieg hatten selbst Marktexperten nicht für möglich gehalten. Welche Gründe können zur Erklärung angeführt werden: 1) Abbau der Bestände
Noch zu Jahresbeginn war der „Schweinestau“ das beherrschende Thema. Nach ISN- Angaben waren etwa 1 Mio. Schweine schlachtreif, konnten aber nicht geschlachtet werden, weil die Schlachtkapazitäten coronabedingt fehlten. Dieser Stau baute sich bis Ende Februar um etwa 700.000 ab, das Schweineangebot liegt weiterhin ca. 10% unter Vorjahr. Die Corona und ASP- Turbulenzen und die unterirdischen Preise haben die Bauern weniger aufstallen lassen. Zudem ist der Ferkelimport aus Dänemark und den Niederlanden zurückgegangen. Damit haben sich Angebot und Nachfrage angenähert. Aber die nächste Zeit wird zeigen, wie viele Schweinehalter nicht nur reduziert haben, sondern komplett ausgestiegen sind. 2) Export nach China boomt – nur nicht aus Deutschland
Nach wie vor ist der Schweinefleischexport nach China das Maß der Dinge – nur eben nicht für die deutschen Exporteure, da hier das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) einen Export ins Reich der Mitte verbietet. Diese Exportanteile haben besonders Spanien, aber auch Dänemark und Niederlande gewonnen und damit den EU- Markt entlastet. Da die chinesische Regierung, aber auch US- Analysten auch für 2021 mit einem hohen Importbedarf Chinas rechnen, wird sich das auch nicht so schnell ändern. Für das nächste Jahr kann sich die Handelslage aber deutlich drehen, da China gewaltige Anstrengungen zur Produktionsausweitung macht – durch hohe Subventionen und einen unglaublich hohen Erzeugerpreis von z.Zt. über 4,50 €/kg, um die Erzeugung anzukurbeln. Ein Nebeneffekt ist eine riesige Nachfrage nach Futtermitteln wie Soja, Mais und Weizen, die einen weltweiten Boom und drastische Weltmarktpreissteigerungen nach sich ziehen – von denen auch unsere Schweinehalter mit Futterkostensteigerungen von ca. 10 €/ Schwein betroffen sind. Es bleibt dabei: China rockt den Weltmarkt, inzwischen nicht nur bei Fleisch, sondern auch bei Getreide und bei Milch. 3) Heimischer Absatz unter Coronaeinfluss
Der Absatz in Deutschland steht unter dem Einfluss der Pandemie. Einzelhandel und Handwerk erzielen stolze Zahlen, die Außer-Haus- Verpflegung leidet unter dem Lockdown. Insgesamt entwickelt sich der heimische wie der EU-Markt zwar verschoben, aber in „normalen“ Größenordnungen. Der Verbrauch geht weiter zurück, aber die Schweinezahlen auch. Teile des Einzelhandels sind auch jetzt wieder die großen Gewinner. Vor allem die Discounter, die Halbjahresverträge abschließen (auf der Basis der Januar- Verhandlungen), können noch monatelang von den niedrigen Einkaufspreisen leben. Aber ehrenhalber muss man auch sagen, dass sie im zweiten Halbjahr 2020 mit den relativ hohen Vor- ASP- Preisen wirtschaften mussten. Vertrag ist Vertrag – wenn ihn nicht der starke Partner öffnet. Die anderen Handelskonzerne wie Edeka, Rewe und Co., die zumeist nur Tages- oder Wochenpreise machen, werden sich in nächster Zeit jeden Cent- Preiserhöhung widersetzen. Der Kampf ist eröffnet. Aber noch ist Corona- Zeit. 4) Industrie vor einem erneut turbulenten Jahr
Die Schlachthöfe sind von den rasanten Aufschlägen besonders betroffen. Es wird schwierig sein, diese höheren Einkaufspreise kurzfristig weiterzugeben. Die Hoffnung auf ein gutes Oster- und Grillgeschäft könnte trügerisch sein, zumal die Läger noch übervoll sind. Aber angesichts der Demonstrationen der Bauern und der öffentlichen Resonanz trauen sich momentan weder Handel noch schon gar nicht die Schlachthöfe, den Preisanstieg aufzuhalten. Keiner will als Bösewicht oder Bauernfeind erscheinen. In den vergangenen Jahren hätte ein Schlachtkonzern und im Schlepptau die anderen Schlachtriesen niedrigere, sogenannte Hauspreise gezahlt und damit den Anstieg gebrochen. Momentan will keiner den „Brutus“ spielen. Nach Informationen von Insidern sollen sogar einzelne Mittelständler die Marktführer aufgefordert haben, mit Hauspreisen wie früher gegenzuhalten, weil die Erzeugerpreise nicht auszugleichen seien. Aber weder Tönnies noch Vion wollen als Buhmänner angeprangert werden. Außerdem gehen sie davon aus, dass Schweine in den nächsten Monaten knapp bleiben und man Kapazitätsauslastung braucht. Und da macht es sich schlecht, wenn man ein schlechtes Image bei den Bauern hat. Außerdem haben Unternehmen der Schlacht- und Fleischindustrie in den letzten Monaten angesichts der niedrigen Einkaufspreise nicht schlecht verdient – das werden die demnächst zu veröffentlichen Bilanzen zeigen. Westfleisch hat schon mal vorgelegt und ein Umsatz- und Gewinnwachstum verkündet – trotz Verlust von Chinaexport und trotz hoher Kosten für Corona- Auflagen. Das gute Chinageschäft im ersten Halbjahr 2020 und die unterirdischen Erzeugerpreise im zweiten Halbjahr hat die Kasse dennoch gefüllt. Jetzt ist die Industrie gefragt, mit ordentlichen Schweinepreisen und schwierigen Absatzbedingungen zurecht zu kommen. Es sieht so aus, als würde der Schweinepreis erst mal weiter steigen. Die ISN- Börse hat auch am Wochenende die Richtung nach oben gewiesen. Für die Bauern endlich mal Entlastung und eine Hoffnung am Ende des Preistunnels. Aber der Preis ist ja nicht die einzige Front. Die Herausforderungen durch die Auflagen des Tierschutzgesetzes (Sauenhaltung, Kupierverzicht) oder der Gülleverordnung bleiben. Aber immerhin könnten die Bauern den Eindruck gewinnen, dass ihre Schlepperaktionen etwas bewirkt haben – und Markt auch beeinflussbar ist.
15.03.2021
Von: hg

Vom Thema "Schweinestau" ist nicht viel übrig geblieben. Foto: Tönnies