Schritt für Schritt

Nie war Landwirtschaft in der gesellschaftlichen Diskussion so präsent wie jetzt, das jedenfalls ist meine Wahrnehmung. Und natürlich werden die Lösungen nicht einfacher, wenn viele, auch zum Teil nur indirekt Beteiligte, ein Thema diskutieren. Eine gute Basis ist, dass sich alle der Bedeutung der Landwirtschaft als Grundlage der Ernährungssicherung bewusst sind. Gleichzeitig schließen immer mehr landwirtschaftliche Betriebe ihre Hoftore zum letzten Mal, werden die ländlichen Räume leerer, die verbleibenden Betriebe größer. Vor diesem Hintergrund wie auch dem der in den vergangenen drei Jahren ganz direkt zu erlebenden Veränderungen infolge des Klimawandels, aber auch angesichts des Verlustes an Biodiversität und der Notwendigkeit von sauberem Wasser ist eine deutliche Kursänderung in der Art, wie wir unsere Böden bewirtschaften und Tiere halten, unausweichlich. Zwei Forderungen stehen hierbei im Raum. Zum einen muss die Entlohnung der Arbeit im Stall und auf dem Acker zukünftig durch faire Preise abgedeckt werden. Zum anderen müssen die Leistungen für das Gemeinwohl, Biodiversität, Wasser-, Boden- und Tierschutz über die Mittel der GAP finanziert werden. Sicherlich kann es hierbei keine absoluten Grenzen geben. Zum Beispiel ist die gemeinsame Marktordnung, deren Ausgestaltung einen großen Einfluss auf Angebot und Nachfrage und damit auf die Preisentwicklung hat, Teil der GAP. Auf der anderen Seite sind Gemeinwohlleistungen wie der Erhalt der Biodiversität, Wasser- und Bodenschutz Kosten, die Teil eines wahren Preises sein müssten. Ganz bewusst hat die Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte dafür gesorgt, dass Bäuerinnen und Bauern in einem auf Effizienz und möglichst hohe Gewinne ausgerichteten System zu Lasten der Umwelt, des Bodens und der Tiere gewirtschaftet haben. Wirtschaften mussten, wenn sie der Beratung, den Marktpartnern und der Politik glaubten, dass sie nur so nicht abgehängt würden – ökonomisch wie auch gesellschaftlich. Nun zeigt sich, dass das in beiden Punkten ein Trugschluss war. Ein Systemwandel ist nötig nicht nur aus den oben beschriebenen ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen und aus Gründen der gesellschaftlichen Akzeptanz. Mit dem Green Deal und der F2F-Strategie hat die EU-Kommission eine klare Perspektive eröffnet. Die Notwendigkeit eines deutlichen Umsteuerns ist zu erkennen und dementsprechende Maßnahmen zu ergreifen, ist das Gebot der Stunde. Auch wenn es das langfristige Ziel sein muss, über wahre, alle Kosten erfassende Preise neben einem auskömmlichen Einkommen der Betriebe auch die Aufwendungen für Umwelt-, Klima- und Tierschutz zu erzielen, so sind Strukturbrüche durch allzu harte und plötzliche Änderungen zu vermeiden. Statt als Politik kläglich zu versuchen, durch ein immer weiter verschärftes Ordnungsrecht die eigenen Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern auszubügeln, müssen Anreizsysteme entstehen, die die Menschen auf den Höfen in ihren unterschiedlichen Geschwindigkeiten mitnehmen. Die jetzt durch Einführung der Eco-Schemes möglichen Veränderungen können zu einem zentralen Baustein auf dem Weg zu einer gesellschaftlich akzeptierten Landwirtschaft werden. Selten war das Interesse der Gesellschaft an der Landwirtschaft so groß wie jetzt. Auch wenn Bäuerinnen und Bauern sich in der Folge mit unzähligen Fragen und Forderungen scheinbar wenig kompetenter Verbraucher konfrontiert sehen, so birgt doch gerade das Interesse an der Situation und den Bedürfnissen der Landwirte auf der einen Seite und an den gesellschaftlichen Vorstellungen auf der anderen Seite eine Möglichkeit der gegenseitigen Wahrnehmung und der Suche nach gemeinsamen Lösungen. Das alles spricht dafür, die Möglichkeiten der GAP umfänglich auszunutzen und über Eco-Schemes in Form des Punktemodells der AbL oder des DVL den Umweltschutz in die Fläche zu bringen, ohne das Einkommen der Betriebe zu reduzieren. Es darf nicht sein, dass rückwärtsgewandte Kräfte der Agrarlobby und im Landwirtschaftsministerium die sich bietenden Möglichkeiten bis zur Unkenntlichkeit verändern, um möglichst niedrigschwellige Flächenprämien zu erhalten. Lasst uns gemeinsam einen Systemwechsel gestalten, der bäuerliche Einkommen sichert, Lebensgrundlagen bewahrt und gesellschaftlich akzeptiert ist!
14.03.2021
Von: Marcus Nürnberger Redakteur der unabhängigen Bauernstimme

Marcus Nürnberger