Fachgespräch im Bundestag - Neue Gentechnik: Nachweisverfahren anwenden, Gentechnikfreiheit sichern!

Auch „neue Gentechnik“ ist Gentechnik, stellte der Europäische Gerichtshof 2018 klar. Um sicherzustellen, dass keine illegalen Gentechnik-Pflanzen in unsere Lebens- und Futtermittel gelangen, braucht es den Einsatz verlässlicher Nachweisverfahren. Vor fast einem halben Jahr hat der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) gemeinsam mit Greenpeace und weiteren Organisationen das erste frei verfügbare Nachweisverfahren für eine „Neue Gentechnik“-Pflanze vorgestellt. Das war am 24.02.2020 Thema eines von den Grünen im Bundestag veranstalteten digitalen Fachgesprächs mit Behördenvertretern und anderen Experten. und einer "bemerkenswerten Einsicht" des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting begrüßt das Fachgespräch und hofft, dass der Austausch den Einsatz des Nachweisverfahrens beflügelt. „Es ist höchste Zeit, dass das neue Nachweisverfahren für Cibus-‚Gene Editing‘-Raps endlich in den routinemäßigen Gentechnik-Kontrollen der Bundesländer eingesetzt wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese illegale Gentechnik-Pflanze nicht in unsere Lebens- und Futtermittel gelangt. Das ist essenziell für Verbraucherinnen und Verbraucher und die ganze Lebensmittelwirtschaft – ganz besonders für den ‚Ohne Gentechnik‘- und Bio-Sektor“, erklärt Histing. Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2018 sei klar, dass auch für ‚neue Gentechnik‘ dieselben Regeln gelten wie für ‚alte Gentechnik‘. Die ließen sich aber nur kontrollieren und durchsetzen, wenn die Produkte auch nachweisbar sind. Weil Behörden es versäumt hatten, hat der VLOG gemeinsam mit mehreren Partnern im September 2020 das erste Open-Source-Nachweisverfahren für die erste marktrelevante ‚Gene Editing‘-Pflanze vorgestellt, eine Rapslinie der US-Firma Cibus. Dieses Nachweisverfahren wurde vom österreichischen Umweltbundesamt validiert und inzwischen vom deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und vom europäischen Netzwerk der Gentechnik-Labore (ENGL) für funktionsfähig befunden. Der Gentechnikrecht-Experte Dr. Georg Buchholz hat laut VLOG klar herausgearbeitet, dass das Verfahren den EU-Anforderungen für Nachweise gentechnisch veränderter Organismen (GVO) genügt. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde habe noch einmal klargestellt, dass Cibus-Raps eindeutig ein GVO ist. Mehrere renommierte Fachlabore in Deutschland und Österreich bieten das Cibus-Nachweisverfahren bereits an. „Der VLOG und die österreichische ARGE Gentechnik-frei setzen es im Rahmen ihrer Qualitätskontrollen schon ein – bisher glücklicherweise ohne Beanstandungen. Es gibt also keinen Grund mehr, den Cibus-Test nicht endlich auch in den regulären Gentechnik-Kontrollen der Behörden anzuwenden! Funktionierende Nachweisverfahren für Produkte der ‚Neue Gentechnik‘-Verfahren sind auch ein gewichtiges Argument für die künftige Regulierung derartiger GVO. Spätestens, wenn die EU-Kommission im April 2021 ihre Studie dazu vorstellt, dürfte die Debatte um die Regulierung ‚neuer Gentechnik‘ erneut aufflammen – und auch in konkrete Gesetzgebung münden“, so Histing. BVL begrüßt Cibus-Test: Es geht um die Mutation, nicht um deren Ursache
„Die Ursache der Punktmutation ist nicht die Frage eines Nachweises“ sagt Dr. Lutz Grohmann aus der Gentechnik-Fachabteilung des BVL beim Online-Fachgespräch der Grünen Bundestagsfraktion am 24.02.2021. Grohmann schloss sich damit ausdrücklich der Einschätzung des Gentechnikrecht-Experten Rechtsanwalt Dr. Georg Buchholz an, der diesen Aspekt bereits im Oktober 2020 im Auftrag des VLOG in einem Brief an die EU-Kommission deutlich gemacht hatte. Das ist laut VLOG eine bemerkenswerte neue Einsicht, denn das BVL und später auch das Europäische Netzwerk der Gentechnik-Labore (ENGL) hatten zunächst bemängelt, dass das neue Nachweisverfahren „nur“ die Veränderung im Erbgut, aber nicht deren Ursache identifizieren könne – und damit nicht „gerichtsfest“ sei. Diese Einschätzung hat sich nach Ansicht des VLOG offenbar geändert. Das BVL stellte auch nicht mehr grundsätzlich in Frage, dass es sich bei den Cibus-Rapslinien, für die der Test entwickelt wurde, um „Gene Editing“-Gentechnik handelt. Die entscheidende und laut BVL schwierige Frage sei die eindeutige Identifikation der Mutation und ihre Abgrenzung zu anderen verwandten Pflanzen mit sehr ähnlicher Mutation. Rechtsanwalt Buchholz vertrat in dem Fachgespräch dagegen die Auffassung, dass auch ein hinreichender Verdacht – durch ein positives Testergebnis – Behörden dazu verpflichte aktiv zu werden. Könne der Verdacht auch vom Hersteller oder Importeur nicht ausgeräumt werden, dürfe man das betroffene Produkt als „nicht ausgeräumten Verdacht nicht in die EU lassen“. Das BVL hat laut VLOG das neue Open-Source-Nachweisverfahren für Cibus-Raps inzwischen gründlich geprüft und kündigte an, im März seine Ergebnisse dazu vorzustellen. Wonach suchen? Referenzmaterial und internationale Register
Unter anderem Dr. Konstantin Rizos vom Testlabor Foodchain ID thematisierte die Schwierigkeit, Referenzmaterial solcher nicht zugelassenen Gentechnik-Pflanzen zu beschaffen. Auch das BVL beklagte die kaum vorhandene Kooperationsbereitschaft der Saatgutfirmen in dieser Frage. Denn eine weitere Herausforderung beim Nachweis nicht zugelassener gentechnisch veränderter Organismen ist, dass man zunächst wissen muss, wonach man sucht – dass die Mutationen also bekannt sein müssen. Dr. Margret Engelhard vom Bundesamt für Naturschutz forderte deshalb die Stärkung und den Ausbau internationaler Register, in denen solche Informationen öffentlich zugänglich hinterlegt werden müssen. Grüne: Verbraucher wollen keine Gentechnik – Nachweisverfahren überfällig
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter hob den Erfolg des „Ohne GenTechnik“-Siegels hervor. Verbraucher lehnten Gentechnik in Lebensmitteln ab, deshalb seien Regulierung und Nachweisverfahren nötig. Sein Kollege Harald Ebner, Gentechnik-Experte der Fraktion, äußerste sein Erstaunen, dass die Nachweis-Forschung offenbar erst ganz am Anfang stehe, obwohl die neuen Gentechnik-Verfahren schon seit einigen Jahren angewendet werden. Fehlende Nachweisverfahren würden das Ende der Risikobewertung und der Möglichkeit zu kennzeichnen bedeuten, so Ebner, und fragte „kapituliert hier der Rechtsstaat?“.