200.000 Teilnehmer:innen bei der Hologramm-Demo für eine Agrarwende im Berliner Regierungsviertel

Anlässlich der Agrarminister:innenkonferenz (AMK) folgten am Vorabend der Konferenz mehr als 200.000 Teilnehmer:innen dem Aufruf von Greenpeace, AbL und Campact und demonstrierten mit Hilfe der Hologramm-Technik vor dem Sitz des Bundestags in Berlin für eine Agrarwende. Die Teilnehmer:innen forderten von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und den Agrarminister:innen der Länder den Systemwechsel in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) voranzutreiben - weg von den Flächenprämien, hin zur gezielten und einkommenswirksamen Honorierung von Bäuer:innen die Klima und Umwelt schützen und ihre Tiere artgerecht halten. Die Minister:innen verhandeln, wie die Fördergelder der GAP in Deutschland künftig verteilt werden. Bisher profitieren besonders industrielle Großbetriebe und Investoren wie die Aldi-Erben von den Subventionen - mit fatalen Folgen für die Einkommen bäuerlicher Familienbetriebe, das Klima, die Artenvielfalt und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Lasse van Aken, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace, erklärt: „Die Hälfte der rund sechs Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen muss gezielt an die Landwirtinnen und Landwirte fließen, die unsere Lebensgrundlagen erhalten. Eine Greenpeace-Studie hat gezeigt, dass dies in Deutschland mit der EU-Agrarreform möglich wäre. Julia Klöckner hingegen will die Mittel für Klima- und Artenschutz zusammenstreichen. Jetzt liegt es an den Bundesländern, Landwirtinnen und Landwirten mit der Agrarwende eine echte Zukunftsperspektive zu eröffnen.“ Für Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), spielen dabei die Eco-Schemes im Rahmen der Geiemnsamen Agrarpolitik (GAP) eine zentrale Rolle. „Der Schutz unserer natürlichen Ressourcen liegt im ureigenen Interesse von uns Bäuerinnen und Bauern. Wir sind vom Klimawandel direkt betroffen. Das neue Instrument der Eco-Schemes in der GAP bietet die Chance, Umwelt- und Tierschutz für Bäuerinnen und Bauern zum einkommenswirksamen Betriebszweig zu machen. Wir fordern die Ministerinnen und Minister auf, diese Chance zu ergreifen und zeigen in unserer Stellungnahme zur GAP, wie dies gelingen kann.“ Und Jutta Sundermann, Agrar-Campaignerin von Campact, ergänzt: „Die Bauernproteste vor den Supermarkt-Zentralen zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Wer gute Lebensmittel produziert, muss auch fair bezahlt werden. Dann können auch Artenvielfalt und Klimaschutz wesentliche Bestandteile der Landwirtschaft sein. Dafür marschieren wir heute virtuell. Morgen nehmen die Ministerinnen und Minister die EU-Milliarden in die Hand, die genau diese zukunftsfähige Landwirtschaft ermöglichen können.” BUND fordert Ende der Gießkannepolitik
"Die Akzeptanz der EU-Agrarpolitik steht und fällt damit, ob die Gelder zukünftig an die Erfüllung gesellschaftlich gewünschter Leistungen gebunden werden", macht der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt im Vorfeld der AMK deutlich. "Anstatt Fördergelder weiter mit der Gießkanne über Äcker und Wiesen zu verteilen, müssen wir jene Bäuerinnen und Bauern unterstützen, die mehr für Klima, Umwelt und Tierwohl tun. Wenn wir als Gesellschaft jetzt nicht handeln, werden Natur, Klima und Betriebe weiteren Schaden nehmen." Nach Ansicht BUND-Vorsitzenden sollte sich die Agrarministerkonferenz „nicht unter Druck setzen lassen und sich voreilig auf Eckpunkte festlegen. Beschlüsse zur nationalen Ausgestaltung der GAP in Deutschland sollten erst nach dem Ende des EU-Trilogs gefasst werden. Außerdem erwarte ich, dass die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft in diese Diskussionen einbezogen werden. Auch die Ziele zum Schutz des Klimas und der Biodiversität, wie in der Farm-to-Fork- und der EU-Biodiversitätsstrategie beschrieben, müssen im nationalen GAP-Strategieplan berücksichtigt werden", so Bandt. Der BUND fordert, dass das neue Förderprogramm für Umwelt und Klima, die Eco-Schemes, mit attraktiven Angeboten an die Landwirtinnen und Landwirte sowie einem ausreichenden Budget ausgestattet werden. "Die Förderperiode 2021 bis 2027 muss den Ausstieg aus den pauschalen Flächenprämien einleiten. In der darauffolgenden Förderperiode sollte es Flächenprämien in der bisherigen Form nicht mehr geben", fordert Bandt. Gleichzeitig erneuert der BUND seine Erwartung, dass der Umbau der Nutztierhaltung, der Ausbau des Ökolandbaus sowie der Stopp des Höfesterbens von den Agrarministerinnen und Agrarministern berücksichtigt werden. DNR: Ergebnis der Trilogverhandlungen abwarten
Auch der Deutsche Naturschutzring (DNR) fordert alässlich der AMK, die finale Entscheidung zur Ausgestaltung der GAP in Deutschland erst nach Ende der Trilogverhandlungen auf EU-Ebene zu treffen. Diese geben die notwendige rechtliche Grundlage, um den nationalen Strategieplan ausgestalten zu können. Auch die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft seien in den Verhandlungen zu berücksichtigen. „Die von Bundesministerin Klöckner geplante Verabschiedung eines unambitionierten Strategieplans im Hauruckverfahren ignoriert den umweltpolitischen Handlungsdruck und verkennt die Rolle der EU-Kommission bei der Genehmigung der Pläne“, so der DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Die kommende Förderperiode wird nach Ansicht des DNR-Geschäftsführers darüber entscheiden, ob wir endlich den überfälligen Schritt hin zu einem Agrarsystem gehen, das sich den Krisen des Klimas und der Artenvielfalt stellt und die Landwirtinnen und Landwirte dabei unterstützt, diese Herausforderungen zu bewältigen. Mit ihren Zielen in der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie hat die EU-Kommission eine klare Richtung aufgezeigt. Die Agrarministerkonferenz muss diese Vorgaben jetzt zur Leitschnur ihrer Verhandlungen machen." Einen höheren Prozentsatz fordert der DNR bei der Umschichtung. „Die bisherigen sechs Prozent Umschichtung reichen nicht aus, um die ländliche Entwicklung und damit die besonders wichtigen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen finanziell adäquat auszustatten. Daher muss dringend die maximale Umschichtung von 15 Prozent beschlossen werden“, sagte Schöne. Dies zeigten nicht zuletzt die laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland etwa zu Natura 2000. Hier besteht laut DNR ein Mittelbedarf von jährlich 1,4 Milliarden Euro, der aktuell nur zu einem Drittel erfüllt wird. Hinzu komme der erhebliche Finanzbedarf für den Ausbau des Ökolandbaus auf mindestens 20 Prozent bis 2030. Tierschutzorganisationen fordern mehr Tierschutz in den Eco-Schemes
Anlässlich der AMK machten die Tierschutzorganisationen Deutscher Tierschutzbund, Provieh und Vier Pfoten deutlich, dass der Tierschutz bei der Erstellung des Nationalen Strategieplans zur GAP eine zentrale und verbindliche Rolle spielen muss. In einem gemeinsamen Schreiben an die Agrarministerinnen und Agrarminister der Länder und des Bundes plädieren die Organisationen dafür, ambitionierte Tierwohlmaßnahmen in den „Eco-Schemes“ festzuschreiben. „Für eine zukunftsfähige, gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft und Tierhaltung in Deutschland brauchen wir in den nationalen Vorgaben zur GAP verpflichtende ambitionierte Tierschutzmaßnahmen in den Eco-Schemes. Auch die Europäische Kommission attestierte Deutschland kürzlich einen erheblichen Handlungsbedarf im Bereich Tierschutz. Damit ist klar, dass die Agrarminister einen ehrgeizigen Plan vorlegen müssen“, so die Verbände. In ihrem gemeinsamen Schreiben heben die Organisationen einzelne Tierschutzmaßnahmen hervor, die von der Europäischen Kommission für „Eco-Schemes“ vorgeschlagen wurden. Diese sollten in den deutschen Strategieplan eingehen, um den Umbau der Tierhaltung wirksam zu fördern. Dazu zählt die Förderung von tierfreundlichen Haltungsbedingungen, wie ein erhöhtes Platzangebot pro Tier, ein verbesserter Bodenbelag, etwa durch Stroheinstreu, oder die Möglichkeit für Sauen, in einer Bucht und ohne Kastenstand frei abzuferkeln. Auch der Zugang zu Weiden und die Verlängerung der Weidezeit zählen zu den möglichen Tierschutzmaßnahmen.
08.02.2021
Von: FebL/PM

Ein Film mit Avataren als virtuelle Vertreter:innen der Demonstrierenden wurde auf eine Netzleinwand vor dem Bundestag geworfen. So bewegten sich die Demonstrierenden, die sich online zur Demonstration angemeldet hatten, wie Hologramme durch den Raum.