BÖLW: Für den Umbau der Tierhaltung müssen alle am selben Strang ziehen

Von „Streit“ und „Krach“ schreibt agrarheute als in einer Arbeitsgruppe des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) unterschiedliche Auffassungen über die Kriterien für die Schweinehaltung in der höchsten Tierwohlstufe 3 auftreten. Den Anlass dazu liefert laut agrarheute eine vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) geäußerte Kritik, wonach das Bundeslandwirtschaftsministerium darauf hinarbeite, die Kriterien für die dritte Haltungsstufe unterhalb der Vorschriften für den Ökolandbau anzusiedeln. Das gelte sowohl für die Schweinemast als auch die Sauenhaltung. In einem Schreiben an Klöckner, das der Redaktion von agrarheute exklusiv vorliege, erkläre der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein demnach, für diesen Fall bleibe seinem Verband „keine Alternative mehr, als aus der Kommission auszuscheiden“. Und am 25. Januar erklärte der BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig in einer öffentlichen Stellungnahme, dass „von Seiten des BMEL gegen die Beschlusslage“ des Kompetenznetzwerkes gearbeitet werde. Die Borchert-Kommission habe unter anderem beschlossen, „dass sich die höchste Stufe der Tierhaltung an den gesetzlichen Bio-Vorgaben orientiert. Das BMEL setzt sich allerdings dafür ein, dass die Standards für die Sauen- und Schweinehaltung deutlich darunterliegen sollen. Damit kündigte Klöckner aber die Pläne der Kommission auf“, so Röhrig. Widrspruch von AbL, BUND und Tierschutzbund
Deutlichen Widerspruch zu der Darstellung des BÖLW äußern daraufhin in einem gemeinsamen Brief, der der agrarheute-Redaktion ebenfalls vorliege, an den Kommissions-Vorsitzenden Jochen Borchert die Vorsitzenden von AbL, BUND und Tierschutzbund, Martin Schulz, Olaf Bandt und Thomas Schröder. Demnach werde im Abschlussbericht der Kommission formuliert, dass sich das Niveau der Stufe 3 „weitgehend an den Haltungskriterien des ökologischen Landbaus orientiert“. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass die „EU-Ökoverordnung“ als 1:1 Umsetzung interpretiert und damit die Stufe „exklusiv“ beansprucht werde, schreiben die drei Verbände. Ihren Ausführungen zufolge würde eine umfängliche Ausrichtung am ökologischen Landbau vor allem die Landwirte ausgrenzen, „die sich im Sinne der Stärkung des Tierschutzes und des Tierwohls bereits seit langem auf den Weg gemacht haben, aber eben keine Anerkennung als ökologischer Landbau haben.“ Für diese Landwirte wäre bei einer Bindung der Stufe 3 an die Kriterien des Ökolandbaus diese Stufe verwehrt „und würde deren mühsam erschlossenen Markt gefährden.“ Die Verbands-Vorsitzenden weisen ferner darauf hin, dass die EU-Ökoverordnung „teilweise extreme Mängel“ aufweise, wenn bei einer Tierwohlkennzeichnung die gesamte Kette des Tieres abgebildet werden soll. Der Kommissionsvorsitzende Jochen Borchert geht, wie er gegenüber Agra Europe äußert, davon aus, „dass man sich verständigen wird“, zumal die Vorstellungen bei den Vertretern der Ökolandwirtschaft keineswegs einheitlich seien. Alles andere als eine Einigung oder gar ein Rückzug des BÖLW wäre für das Gesamtprojekt „nicht hilfreich“. Borchert äußerte sich gegenüber Agrar Europe insgesamt zufrieden mit den Fortschritten in den Arbeitsgruppen. Er geht davon aus, dass die meisten im Februar ihre Arbeit abschließen werden. Die gesamte Tierhaltung auf akzeptables Niveau heben
„Für den Umbau der Tierhaltung müssen alle am selben Strang ziehen“ erklärt am 29. Januar der BÖLW-Vorsitzende, Felix Prinz zu Löwenstein, unter Bezugnahme auf die öffentliche Diskussion.: „Das Konzept der so genannten ‚Borchert Kommission‘ bietet erstmals eine reale Chance, die gesamte Tierhaltung in Deutschland auf ein akzeptables Niveau zu heben. Die Kommission zeigt auch, wie dabei alle Betriebe von konventionell bis Bio mitgenommen werden können. Noch nie gab es für eine solche Initiative eine so breite, über die Interessens-, Umwelt- und Tierschutzverbände sowie Parteien reichende Zustimmung“, so zu Löwenstein. Der BÖLW stimmte nach Ansicht des BÖLW-Vorsitzenden „schon zu Beginn der Kommissionsarbeit dem Kompromiss zu, der eine gemeinsame Haltungsstufe für Bio und eine ambitionierte konventionelle Tierhaltung* vorsieht“, wenn es damit gelingt, mit dem Borchert-Plan die Tierhaltung umzubauen, wobei das Sternchen am Begriff Tierhaltung laut der BÖLW-Mitteilung für „entsprechend der Platzvorgaben gemäß EU-Öko-Verordnung“ steht. „Deshalb ziehen wir auch mit den Tier- und Umweltschutzverbänden an einem Strang“, so zu Löwenstein. Viele tausend Bio-Betriebe in Deutschland halten Tiere und stellen laut BÖLW mit großem Abstand die Mehrheit der Höfe, die heute schon Rinder, Schweine, Hühner, Ziegen und Co. nach dem höchsten gesetzlichen Tierhaltungsstandard halten. Der BÖLW-Vorsitzende weist auf die Chance hin, die viele Bauern mit Bio ergreifen: „Tag für Tag entscheiden sich mehr Bäuerinnen und Bauern für den wichtigen Schritt in Richtung Öko-Tierhaltung zum Wohle der Tiere, der Umwelt und des Klimas. Das ist ein Gewinn für alle, weil diese Betriebe ihre Tiere artgerecht halten und zusätzlich auch für den Schutz von Hase, Libelle und Rebhuhn sorgen, weil das Bio-Futter ohne Kunstdünger, Gentechnik und chemisch-synthetische Pestizide gedeiht.“ Und weil Bio-Bäuerinnen und Bauern flächengebunden wirtschaften, sorge Öko auch für saubere Gewässer. Nicht umsonst nähme sich die EU vor, bis 2030 ein Viertel der Landwirtschaft auf Bio umzustellen. Damit der Umbau der Tierhaltung gelingt, müsse laut BÖLW das Konzept der Borchert-Kommission so austariert werden, dass zwei Ziele erreicht werden:
1. Es muss die weitere Umstellung auf den Ökologischen Landbau ebenso fördern,
2. wie den Umbau der Tierhaltung insgesamt. Dafür gibt es bereits konstruktive Vorschläge aus dem BÖLW als auch vom Vorsitzenden der Kommission, Wolfgang Borchert. Zwei Klarstellungen sollten dafür nach Ansicht des BÖLW hilfreich sein:
- Das Konzept sieht vor, eine Tierwohlabgabe beim Verkauf von Fleisch zu erheben. Daraus sollen den Betrieben die Mehrkosten für eine bessere Tierhaltung erstattet werden. Das muss für Bio-Betriebe gleichermaßen gelten wie für alle anderen. Der Kostenausgleich muss sich deshalb auf die Mehrkosten beziehen, die durch die Haltungsvorgaben des Bio-Rechts verursacht werden.
- Im Borchert-Konzept wird gefordert, Anforderungen an Transport und Schlachtung zu formulieren. Auch sollen die Betriebe von den Schlachtstätten über Befunde informiert werden, die auf haltungsbedingte Schäden hinweisen, damit sie die Ursachen abstellen.
- Das unterstützen wir. Wir fordern, dass diese Anforderungen für alle Betriebe verbindlich gesetzlich festzuschreiben – egal ob Bio oder konventionell. Löwenstein betont: „Es gilt jetzt, die Borchert-Kommission schnell zu einem umsetzbaren Ergebnis zu bringen. Das Erheben der Tierwohlabgabe und die Regelungen der Tierwohlprämie für eine bessere Tierhaltung müssen von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner jetzt gesetzlich umgesetzt werden.“ Ein Zwischenschritt über ein freiwilliges nationales Tierwohl-Label, wie er immer noch politisch diskutiert wird, sei laut Löwenstein dann nicht erforderlich. Auch, weil EU-Mitgliedsstaaten und -Kommission Interesse an einer europäischen, verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung haben.