Umstrittene Bauernmilliarde: Jetzt können Förderanträge gestellt werden

Ab heute, Montagmittag, können bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank Anträge zum Investitionsprogramm Landwirtschaft, auch „Bauernmilliarde“ genannt, gestellt werden. Doch das Programm ist umstritten. Gut gemeint, aber schlecht gemacht, heißt es aus Landwirtschaftskreisen. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat Zweifel an der Sinnhaftigkeit und übt Kritik an der Ausrichtung. Nach der Investition muss damit auch Geld verdient werden können. „Das neue Investitionsprogramm Landwirtschaft ist eines der größten Modernisierungsprogramme für die Landwirtschaft in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt damit gezielt landwirtschaftliche Betriebe, die in moderne Technologie investieren wollen, um mehr Klima-, Natur- und Umweltschutz umzusetzen. Investitionszuschüsse können ab dem 11. Januar 2021 beantragt werden.“ Das teilt das BMEL mit. Mit dem Investitionsprogramm sollen alle Bäuerinnen und Bauern laut BMEL gezielt unterstützt werden, „damit sie noch mehr leisten können für Klima-, Natur- und Umweltschutz“. Hauptziel ist es, „mit einem Technikschub die Leistungen der Landwirtschaft zur Emissionsminderung, zum Erhalt der Artenvielfalt und zur Ressourceneffizienz signifikant zu steigern.“ Dafür stehen laut BMEL in den Jahren 2021 bis 2024 insgesamt 816 Millionen Euro zur Verfügung. Die Antragsstellung nach dem Windhundverfahren und die Förderung erfolgt über die Landwirtschaftliche Rentenbank. Deren Bewilligung ist an ein Darlehen der jeweiligen Hausbank des Antragstellers gekoppelt. Im Grundsatz begrüßt die AbL die Förderung von landwirtschaftlichen Betrieben, die sich in besonderem Maße für die Reinhaltung der Luft und des Wassers sowie für den Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt engagieren. „Das Förderprogramm der sogenannten Bauernmilliarde beschränkt sich aber leider auf rein technische Lösungen, statt auf wissensbasierte Systeme z.B. des Pflanzenbaus. Das Geld fließt dadurch letztlich vor allem den großen Landtechnikunternehmen zu“, erklärt Martin Schulz, AbL-Bundesvorsitzender, der einen konventionellen Betrieb mit Schweinehaltung, einer Biogasanlage und 90ha Acker und Grünland in Niedersachsen bewirtschaftet. Weiterhin fehle in dem Programm eine scharfe Obergrenze für die Förderung. „Dies bedeutet, dass auch Betriebe in wirtschaftlich sehr komfortablen Lagen von der Förderung profitieren können. Und das obwohl die Bauernmilliarde insbesondere auf die Proteste von Bäuerinnen und Bauern zurückgeht, die sich aufgrund des permanenten Kostendrucks in wirtschaftlicher Schieflage befinden. Dies kann letztlich sogar zur Folge haben, dass die Förderung in großen Teilen über die Steuer wieder an den Fiskus zurück fliest. Und: Das BMEL verfährt abermals nach dem Gusto, wer hat dem wir gegeben“, so der AbL-Vorsitzende. Die AbL geht davon aus, „dass das Förderprogramm stark nachgefragt wird. Auch weil der sich verschärfende ordnungsrechtliche Rahmen, z.B. durch die Düngeverordnung, viele Betriebe zu technischen Investitionen zwingt. Zudem werden auch Betriebe, die sowieso investieren wollten, das Geld gerne mitnehmen.“ Die Bauernmilliarde wird nach Ansicht der AbL keinen nennenswerten Beitrag zur Reinhaltung des Wassers leisten, da das Förderprogramm die Wurzeln des Problems unberührt lässt. „Vereinfacht dargestellt: Wir haben an vielen Stellen zu viel Stickstoff im landwirtschaftlichen System. Wenn wir diesen etwas effizienter und präziser ausbringen ist das gut, löst aber das grundsätzliche Problem nicht. Zuviel Stickstoff bleibt zu viel Stickstoff. Substanzielle Lösungen wären z.B. die Förderung einer flächengebundenen Tierhaltung oder einzelbetriebliche ausgeglichene Nährstoffbilanzen“, kritisiert Schulz. Und auch bei der Menge an ausgebrachten Pflanzenschutzmitteln wird nach Einschätzung der AbL durch das Förderprogramm der Bauernmilliarde kein Durchbruch erzielt werden können. Dies könne nur gelingen, indem eine langfristige Reduzierungsstrategie entwickelt wird, die alle Bäuerinnen und Bauern mitnimmt. Die Förderung von rein technischen Lösungen greife zu kurz. Für die AbL sind grundlegende Änderungen erforderlich. „Wir fordern von Ministerin Klöckner die anstehende Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) für einen grundlegenden Systemwechsel zu nutzen, weg von der Förderung des Größenwachstums und der Rationalisierung, hin zu einkommenswirksamen Entlohnung von Gemeinwohlleistungen. Die nationale Ausgestaltung der GAP, das Instrument der sogenannten Eco-Schemes und die anstehende Sonder-Agrarministerkonferenz am 5. Februar bieten hierfür eine große Gelegenheit“, erklärt Martin Schulz. Betriebe, die nachweislich Leistungen zur Reinhaltung der Luft und des Wassers erbringen, die das Klima und die Biodiversität schützen, müssen damit auch Geld verdienen können. „Solange der aktuell herrschende Kosten- und Intensivierungsdruck und das Dogma der agrarpolitischen Exportorientierung auf unseren Betrieben bestehen bleibt, werden Förderprogramme wie die Bauernmilliarde ein Tropfen auf den heißen Stein bleiben. Dies gilt für die wirtschaftliche Lage unserer Betriebe genauso wie für die ökologischen Herausforderungen. Zum Vergleich: Uns Bäuerinnen und Bauern stehen aus den Mitteln der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik jährlich rund 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Bauernmilliarde hat entsprechend schon rein ökonomisch betrachtet eine sehr viel geringere Steuerungswirkung“, so Schulz.