Politik muss Welthandel qualifizieren für faire Erzeugerpreise

Trotz der Bauernproteste hat der deutsche Lebensmitteleinzelhandel (LEH) die Butterpreise nun doch um fast 60 Cent/kg gesenkt. Gleichzeitig hat die internationale Handelsplattform Global Dairy Trade bekannt gegeben, dass die internationalen Butterpreise seit Mitte Dezember 2020 um 7,2 Prozent gestiegen sind. „Es ist ein skandalöses Zeichen des Lebensmitteleinzelhandels, die Butterpreise jetzt sogar noch zu senken. Dabei ist der Weltmarktpreis für Butter angezogen und nicht einmal diese positiven Marktaussichten werden genutzt, um den ErzeugerInnen bessere Preise zu zahlen“, kommentiert AbL-Milchsprecher Ottmar Ilchmann. Dabei zeigten die anhaltenden Bauernproteste, wie verzweifelt die wirtschaftliche Lage auf den Höfen mittlerweile ist. „Aber auch die verarbeitenden Betriebe, sprich die Molkereien, lassen ihre LieferantInnen im Regen stehen, denn sie verkaufen ihre Butter zu diesem desaströsen Preis an den LEH. Die Molkereien geben die Preisabschläge bequem an ihre LieferantInnen weiter. Das zeigt doch einmal mehr, dass dieses System falsch ist und dringend geändert werden muss. Wir fordern von der Bauernschaft, den Molkereien, dem LEH, den VerbraucherInnen und auch der Politik, Verantwortung zu übernehmen“, so Ilchmann. Und Lucia Heigl, Mitglied des AbL-Bundesvorstands, führt weiter aus: „Die Politik hat sich in dieser Auseinandersetzung bisher lediglich als Moderator eingeschaltet. Das ist zu wenig. Die Ausrichtung der Agrar- und Handelspolitik auf Export ist eine wesentliche Ursache für den Preiskampf auf den Bauernhöfen. Aktuell verhandelt die EU u.a. Handelsabkommen mit Neuseeland und Australien, die mehr billige Milchimporte in einem übersättigten EU-Markt bringen sollen. Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, die sich scheinbar an die Seite der protestierenden Bauernschaft stellt, unterstützt diese Handelsagenda. Die AbL fordert, solche Freihandelsabkommen zu stoppen. Jetzt müssen die Weichen neu gestellt werden und der Agrarhandel braucht sozial und ökologisch verbindliche Kriterien.“ Lucia Heigl verweist auf das AbL-Positionspapier „Qualifizierter Marktzugang jetzt!‘. Es sieht vor, dass beim Import von Lebensmitteln Tierwohl-, Klimaschutz- und Biodiversitätskriterien anerkannt werden müssen. „Die Kriterien sind unter Einbindung von ErzeugerInnen und Zivilgesellschaft der Exportländer zu entwickeln. Bei Agrareinfuhren sollten ebenfalls die Kosten für höhere gesellschaftliche Anforderungen anerkannt werden und bei Nichteinhaltung ist die Höhe der Mehrkosten an der Grenze abzuschöpfen. Um Preisdumping auch in Drittländern zu verhindern, muss auch hier eine Abgabe erfolgen, wenn die EU-Agrarausfuhren unter den Produktionskosten erstellt werden. Die EU muss den anderen Ländern beim Agrarhandel dieselben Rechte zugestehen, ihrerseits Kriterien für Agrarimporte aus der EU zu entwickeln. Klöckner kann handeln und die Bäuerinnen und Bauern unterstützen“, erklärt Heigl. Erst kürzlich hat Gerd Müller (CSU), Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in einem Interview mit dem Tagesspiegel geäußert, den Begriff Freihandel ein für alle Mal zu streichen. „Wir brauchen faire Handelsbeziehungen und ein sozial-ökologisches Wachstumsmodell“, so Müller. Seiner Ansicht nach „müssen wir für fairen Handel und faire Lieferketten sorgen, in denen soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards eingehalten werden.“
09.01.2021
Von: FebL/PM

Lucia Heigl und Ottmar Ilchmann. Fotos: Bauernstimme