Gemeinsam sind wir stark!

Wer hätte das gedacht! Nach einem Jahr großer Bauernproteste für und gegen Düngeverordnung, Bauernbashing, Insektenschutz, aber auch Agrarwende oder GAP-Reform sind wir jetzt, Ende 2020, schließlich beim Schlüsselthema für den Fortbestand der bäuerlichen Landwirtschaft und die Existenzsicherung möglichst vieler Betriebe angekommen: Bei den Erzeugerpreisen für Lebensmittel. Es begann Anfang November mit Aktionen frustrierter und wegen erneuter Rabattschlachten erboster Bäuerinnen und Bauern bei einigen Zentrallagern der großen Lebensmittelhändler im Nordwesten. Dann folgten die koordinierten Aktionen der im Milchdialog zusammengeschlossenen Verbände bei Verarbeitern wie Molkereien und Schlachtkonzernen. Schon hier ging die Beteiligung über das sonst übliche Maß teilweise weit hinaus. Unter anderem fuhren bei der Zentrale des Deutschen Milchkontors in Bremen am 19. November über 500 Trecker vor, um die Antwort auf die Forderungen der Dialogpartner abzuholen. Und schließlich wendete sich der Protest wieder gegen die LEH-Zentrallager, diesmal aber mit vielen hundert Teilnehmern, teilweise mit schwerem Gerät und langanhaltenden Blockaden über Tage und Nächte. Die meist jungen Demonstrierenden trotzten Kälte, schlechtem Wetter, Druck seitens der Polizei und Mäßigungsaufrufen von Verbandsfunktionären. Regale und Truhen von Geschäften im Nordwesten blieben leer und die Protestaktionen erfassten auch andere Regionen. Die starke Beteiligung und die Entschlossenheit der Teilnehmer machen deutlich, wie verzweifelt die Lage auf vielen Höfen mittlerweile ist. Und diesmal sind nicht nur die traditionell kampferprobten Milchbauern unterwegs, sondern in hohem Maße auch Schweinemäster und andere Tierhalter, besonders viele junge Kolleginnen und Kollegen aus der Intensivregion, denen Corona, afrikanische Schweinepest und der damit einhergehende „Schweinestau“ und Preisverfall innerhalb weniger Monate den Boden unter den Füßen weggezogen haben. Endlich wird ein System von einer breiten Mehrheit der Bäuerinnen und Bauern in Frage gestellt, das auf immer mehr und immer billigere Produktion, auf Wachstum und Weltmarktorientierung setzt und den gesamten Druck an die Letzten in der Kette, die Landwirte, weitergibt, während Verarbeiter, Handel und auch Verbraucher gut damit leben können. Hier ist es das Verdienst des Milchdialogs, mit ganz klaren Preisforderungen wie 15 Cent mehr pro Liter Milch oder 50 Cent mehr für ein Kilo Schweinefleisch das Ausmaß der Kostenunterdeckung deutlich gemacht zu haben. Das hat den Nerv der Bäuerinnen und Bauern getroffen! Der um sein Weihnachtsgeschäft besorgte LEH lenkt ein, überbietet sich mit teils auch werbewirksamen Hilfsangeboten für die Tierhalter und es finden eine Vielzahl von Gesprächen und Verhandlungsrunden in unterschiedlichster Zusammensetzung statt. Der Bauernverband ist dabei merkwürdig still und das sollte auch so bleiben, hat er doch schon vor vielen Jahren jeglichen Einsatz für faire Erzeugerpreise aufgegeben. Andere machen jetzt seinen Job und auch den Job, den eigentlich die Verarbeiter machen sollten. Diese sind in der Pflicht, die Zugeständnisse, die die Bauern erkämpfen, durchzusetzen und Mehrerlöse eins zu eins an ihre Zulieferer weiterzuleiten. Und neben schnellen Preiserhöhungen jetzt braucht es natürlich längerfristig eine deutliche, dauerhafte Verbesserung der Marktposition von Bäuerinnen und Bauern, damit sie in Verhandlungen auf Augenhöhe ihre Produktionskosten und die Entlohnung ihrer Arbeit bei den Abnehmern geltend machen können. Dabei ist wieder die Politik gefordert, die sich nicht aufs Moderieren von Gesprächsrunden beschränken darf, sondern Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gestalten muss. Unser Vorteil ist der neue Schulterschluss von alten Hasen mit ihrer Erfahrung und ihren guten Lösungskonzepten und von jungen Wilden mit ihrer Kreativität und ihrem Kampfesmut. Wenn es uns gelingt, die Einigkeit unter den Bäuerinnen und Bauern und den Verbänden, denen wirklich am Erhalt bäuerlicher Existenzen gelegen ist, aufrechtzuerhalten, dann können wir eine klare Botschaft senden: Wir lassen uns von unseren „Partnern“ in der Wertschöpfungskette, von alten Interessenvertretungen und der Politik nicht länger im Kreis schicken und an der Nase herumführen! Wer sich jetzt weigert, seinen Beitrag zur schnellen und grundlegenden Verbesserung der Situation auf den Höfen zu leisten, muss damit rechnen, bei der nächsten Aktion in den Fokus zu geraten. Gemeinsam sind wir stark!