Der „Niedersächsische Weg“: Zäsur und Aufbruchsignal

„Ein guter Tag für die Umwelt und den Artenschutz in Niedersachsen“, „ein historischer Tag“, „das hat es in der Geschichte dieses Landes noch nicht gegeben“, „ein Aufbruchsignal“ und „eine politische Zeitenwende und Zäsur“, mit diesen Worten verkünden gemeinsam das niedersächsische Umwelt- sowie das Landwirtschaftsministerium die Einigung von Landesregierung, Landwirtschaft, Landwirtschaftskammer sowie NABU und BUND auf den „Niedersächsischen Weg“. Das Ergebnis umfasst laut Ministerium eine große Bandbreite an Verbesserungen für den Natur- und Artenschutz: Für den Schutz von Wiesenvögeln und von Flüssen und Bächen werden die Landwirte mehr Flächen zur Verfügung stellen. Für den Ausbau des Ökolandbaus wurden Rahmenbedingungen vereinbart, auch eigene Flächen will das Land zukünftig ökologisch bewirtschaften. Ein begrünter Gewässerrandstreifen wird dem Schutz von Gewässern und dem Verbund von Biotopen gerecht. Im Solling wird im Landeswald ein Wildnisgebiet mit über 1.000 Hektar Wald entstehen. Es wird zur Pflicht, die Roten Listen der bedrohten Tierarten alle fünf Jahre zu aktualisieren. Zukünftig sollen Landwirte freiwillig zum Schutz von Wiesenbrütern später mähen und Gelege- und Kükenschutz durchführen. Hierfür werden sie laut Ministerium angemessen bezahlt. Das Programm des Landes zum Wiesenvogelschutz soll bis Ende 2021 vorgelegt werden. In Naturschutzgebieten wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln grundsätzlich verboten. In weiteren Schutzgebieten, die die Natura-2000-Gebiete sichern, wird er auf Dauergrünland verboten. Außerdem will das Land bis Mitte 2021 konkrete und verbindliche Reduktionsziele für alle landwirtschaftlichen Flächen vorlegen. Für alle Einschränkungen, die für die Landwirtschaft entstehen, wird es laut Ministerium einen fairen Ausgleich geben. „Der Niedersächsische Weg ist ein einmaliger Erfolg, in der Politik gehen wir hier einen ganz neuen Weg. Betroffene Verbände und Interessengruppen werden eingebunden, für den Interessenausgleich zwischen den Beteiligten ist das ein Riesen-Gewinn. Das ist schnell, das ist demokratisch und das ist transparent,“ sagte Umweltminister Olaf Lies. „Alle Partner haben zwar Zugeständnisse gemacht - aber es hat sich gelohnt! Diese Einigung ist historisch einmalig und alle finden sich darin wieder. Natur- und Artenschutz hat in Niedersachsen einen in seiner bisherigen Geschichte nie gekannten Stellenwert.“
Der Minister warb dafür, den gemeinsamen Weg nun auch seitens des Parlaments konstruktiv zu begleiten, das Niedersächsische Weg-Gesetz sowie die erforderliche Finanzierung im Landtag zu unterstützen. „Denn dann kann es schnell an die Umsetzung gehen und Natur- und Artenschutz für die Zukunft gesichert werden.“ Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast: „Die Eckpunkte des Niedersächsischen Weges stehen nun fest. Damit haben wir ein weiteres Etappenziel erreicht! Die Einigung unterstreicht einmal mehr, dass die Landwirte Teil der Lösung sind und den Willen und das Know-how haben, sich für den Artenschutz einzusetzen. Klar ist aber auch, dass diese Leistungen dauerhaft fair honoriert werden müssen – dieser Ausgleich ist in den Eckpunkten nun fest verankert. Auch beim Ökolandbau haben die Partner gemeinsame Ziele: Bis 2025 sollen zehn Prozent der Fläche und bis 2030 sogar 15 Prozent ökologisch bewirtschaftet werden. Fest steht aber auch: Der Niedersächsische Weg ist eine Langstrecke, in den kommenden Wochen liegt noch viel Arbeit vor uns. Mit dem heutigen Etappensieg sind wir dem Ziel jedoch schon ein ganzes Stück nähergekommen! Wir setzen damit ein starkes Zeichen für einen neuen Gesellschaftsvertrag, der die Interessen von Naturschutz und Landwirtschaft gleichermaßen in den Blick nimmt.“ AbL: Artenschutz gelingt nur Miteinander
Albert Schulte to Brinke, Präsident des Landvolks Niedersachsen: „„Der Niedersächsische Weg erfährt eine breite gesellschaftliche Unterstützung. Für die Bäuerinnen und Bauern steht im Vordergrund, dass sich die Erzeugung von gesunden und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln mit den Bedürfnissen an den Natur- und Artenschutz in Balance bringen lässt. Dies wird in Zukunft noch besser gelingen, da die zusätzlichen Leistungen der Landwirte finanziell ausgeglichen werden. Der Niedersächsische Weg hat Modellcharakter und kann Vorbild sein für ähnliche Vereinbarungen in anderen Bundesländern.“ Begrüßt wird der Niedersächsische Weg auch vom niedersächsischen Landesverband der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die wie beispielsweise auch Vertreter von Land schafft Verbindung (LsV), in Arbeitskreisen an der Einigung mitgearbeitet hat. "Die AbL Niedersachsen hat sich an der Umsetzung des niedersächsischen Weges beteiligt, weil uns die Aussöhnung zwischen Landwirtschaft und Naturschutz am Herzen liegt. Wichtig ist uns, dass die Leistungen für mehr Artenvielfalt, die die Landwirtinnen und Landwirte erbringen, nicht einseitig von Politik und Gesellschaft gefordert, sondern gemeinsam ausgehandelt und angemessen entgolten werden. Im Verlauf der langwierigen und nicht immer einfachen Verhandlungen hat sich zwischen allen Beteiligten eine Kommunikationskultur, ein gegenseitiges Verstehen und auch ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das für die bald anstehende Umsetzung der erzielten Vereinbarungen sehr hilfreich sein kann. Alle Beteiligten haben erkannt: Artenschutz gelingt nur im Miteinander von Landwirtschaft Umweltschutz und Politik", erklärt der AbL-Landesvorsitzende Ottmar Ilchmann. Landtag muss noch entscheiden
Noch sind laut Ministerium nicht alle Themen des Niedersächsischen Weges final bearbeitet worden. Offen sind noch die erweiterten Regelungen für den Erschwernisausgleich, die Eckpunkte für eine Schutzgebietsbetreuung in Natura 2000-Gebieten und eine Beratung der Landwirte vor Ort, Rahmenbedingungen für einen landesweiten Biotopverbund sowie die Themen Flächenverbrauch und Kompensationskataster für die Bauleitplanung. Diese Punkte werden in den nächsten Wochen bearbeitet. Auch die Programme und Förderdetails für Wiesenvogelschutz und Insektenvielfalt und die Details des Reduktionsprogramms für Pflanzenschutzmittel werden über das Jahr 2021 weiter ausgearbeitet und – wie im Niedersächsischen Weg fixiert - Ende 2021 vorgestellt. Punkt 15 der Vereinbarung, eine Einladung zum Dialog an Verbraucherschutzverbände, Lebensmittelhandel sowie weitere Akteure, musste aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden und wird so schnell wie möglich nachgeholt. Der Niedersächsische Weg als breite Allianz aus Naturschutz, Landwirtschaft und Politik hat sich verpflichtet, konkrete Maßnahmen für einen verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz umzusetzen. Die hierfür notwendigen Schritte und Maßnahmen werden auch weiterhin in Arbeitsgruppen diskutiert und beschlossen. Der erarbeitete Gesetzestext wurde von den Regierungsfraktionen CDU und SPD in den Landtag eingebracht und wird derzeit im Ausschuss beraten und soll schnellstmöglich verabschiedet werden. Dabei soll ein fairer Ausgleich zwischen Naturschutz und Landwirtschaft gefunden und die Leistungen der Landwirte angemessen bezahlt werden. Der Niedersächsische Weg ist eine in dieser Form bundesweit einmalige Vereinbarung zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Politik. Unterzeichner sind Ministerpräsident Stephan Weil, Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast, Umweltminister Olaf Lies, der Präsident des Landvolkes Albert Schulte to Brinke, der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen Gerhard Schwetje, der Vorsitzende des BUND Niedersachsen Heiner Baumgarten und der Vorsitzende des NABU Niedersachsen Dr. Holger Buschmann. Volksbegehren könnte beendet werden
Der Initiatorenkreis des niedersächsischen Volksbegehrens „Artenvielfalt.Jetzt!“, das auch von den niedersächsischen Landesverbänden des BUND und NABU unterstützt wird, hat angekündigt, das Volksbegehren zu beenden, wenn der Landtag das jetzt auf dem Tisch liegende Gesetzespaket im November-Plenum beschließt“. Und Anne Kura, Initiatorin und Grünen-Landesvorsitzende, erklärt: „Wir haben den Artenschutz in Niedersachsen einen großen Schritt nach vorn gebracht. Ohne das Volksbegehren hätte es den Niedersächsischen Weg niemals gegeben: Erst durch den Start des Volksbegehrens hat sich die Landesregierung bewegt und die Verhandlungspartner an einen Tisch geholt. Ohne das Volksbegehren und den damit verbundenen zeitlichen Druck läge heute weder dieses Gesetz auf dem Tisch noch gäbe es die weiteren Vereinbarungen zur Artenvielfalt. Das ist ein großartiger Erfolg des Volksbegehrens – und dass schon in der ersten Runde, vor der offiziellen Zulassung.“
02.11.2020
Von: FebL/PM

Der "Niedersächsische Weg" und seine Unterzeichner: Ministerpräsident Stephan Weil, Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast, Umweltminister Olaf Lies, der Präsident des Landvolkes Albert Schulte to Brinke, der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen Gerhard Schwetje, der Vorsitzende des BUND Niedersachsen Heiner Baumgarten und der Vorsitzende des NABU Niedersachsen Dr. Holger Buschmann. Foto: Umweltministerium