Streit um Definition des „Systemwechsels“ in der Agrarpolitik

Für den grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling ist Klöckners „Systemwechsel“ ein Etikettenschwindel. Die Bundeslandwirtschaftsministerin respektive ihr Ministerium (BMEL) hatte sich in einer eher unüblichen Form an Journalisten gewandt und ihnen angesichts der öffentlichen Debatte mitgeteilt: „Es ist ein Systemwechsel, der hier unter deutscher Ratspräsidentschaft beschlossen wurde." Und zur Deutung des Begriffs „Systenmwechsel“ geschrieben: "Zur Erläuterung finden Sie folgend Informationen, die Sie gerne verwenden können:" Diese „Informationen“ sind bei dem grünen EU-Abgeordneten auf heftigen Widerspruch gestoßen. Im Folgenden dokumentieren wir die Erläuterungen des BMEL sowie die Entgegnungen des Abgeordneten. Die Mitteilung des BMEL lautet: 1. Alle Direktzahlungen der ersten Säule sind zukünftig an die Umsetzung von Umwelt- und Klimaleistungen geknüpft.
  • Allein der Besitz von Fläche berechtigt nicht zum Bezug von Direktzahlungen.
  • Es gibt keine Leistung mehr ohne Gegenleistung.
  • Beispiele von Umwelt- und Klimaauflagen, die der Landwirt zum Erhalt von Direktzahlungen erfüllen muss: Erhalt Dauergrünland, Bewirtschaftungsauflagen zum Schutz von Feuchtgebieten und Moorflächen, Anlage von Brachflächen und Schutz von Landschaftselementen zur Sicherung der Biodiversität
2. Mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen sind zukünftig zudem an noch höhere Umwelt- und Klimaleistungen geknüpft
  • Um Geld aus diesen 20 Prozent zu erhalten, müssen die Landwirte zukünftig so genannte Öko-Regelungen umsetzen – das sind strenge einjährige Umwelt- und Klimamaßnahmen
  • 20 Prozent der Direktzahlungen entsprechen in Deutschland etwa 1 Milliarde Euro jährlich
  • Beispiele für Öko-Regelungen sind: Anlage von Blühflächen, Anlage von Pufferstreifen oder Gewässerschutzstreifen, vielfältige Fruchtfolgen zur Erhöhung der Artenvielfalt auf dem Acker
3. Die zweite Säule umfasst weiterhin gezielte Förderprogramme für die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und die ländliche Entwicklung. Fazit:
  • Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Säule der GAP gilt: Jeder Euro aus der Förderung der GAP ist an Auflagen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft gebunden.
Dem setzt der Abgeordnete die folgenden „Fakten“ entgegen: Auch aktuell müssen alle Landwirte verpflichtend Greening-Auflagen einhalten und zwar auf der ganzen Fläche. Bis zu 30% der Gelder können abgezogen werden, wenn die Auflagen nicht eingehalten werden u.a. 7% ökologische Vorrangflächen (öVf): Der Vorschlag des Rates für die öVf lautet, soweit bekannt: 5%. Greening: Grünlandschutz; Frucht-Diversifizierung sowie ökologische Vorrangflächen (öVf). Unterschied zum aktuellen Stand: Künftig können die Betriebe Maßnahmen aus FREIWILLIGEN Eco-Schemes durchführen. Die Länder müssen diese Maßnahmen anbieten. Was das sein wird, steht noch gar nicht genau fest. Der Rat hat nun sogar vereinbart, dass dieses Angebot erst nach 2 Jahren voll greifen soll. Diejenigen, die keine Eco-Schemes machen wollen, müssen dann um einiges niedrigere Anforderungen einhalten als die, die aktuell verpflichtend sind. Auch jetzt müssen die Betriebe in der Praxis gesetzliche Regelungen einhalten in Bezug auf den Bodenschutz, den Wasserschutz und die Anwendung von Pestiziden. Das hieß früher Cross Compliance, nun heißt es Konditionalität. Auch hier hat der Rat abgeschwächt:
- Das explizite Pestizidverbot auf öVf fällt weg.
- Feuchtgebiete und Moore, die jetzt unter Schutz stehen, sollen erst ab 2025 „angemessen“ geschützt werden.
- Beim dem Schutz der Gewässer vor Einträgen legt der Rat keine verbindlichen Schutzstreifen fest.
- Der Rat hat die Verpflichtungen zur Erhaltung der Flächen in einem „guten ökologischen Zustand“ aus dem Kommissionstext gestrichen. Mitgliedstaaten können somit Programme auflegen, die lediglich ganz leicht über die aktuell geltenden gesetzlichen Anforderungen hinausgehen (Anhang III). Zur Äußerung des BMEL „Allein der Besitz von Fläche berechtigt nicht zum Bezug von Direktzahlungen. Es gibt keine Leistung mehr ohne Gegenleistung“ schreibt Häusling: „Das ist auch jetzt nicht der Fall. Das hat aber nichts mit Nachhaltigkeitskriterien zu tun. Man muss schon jetzt aktiver Landwirt sein und die oben aufgeführten Leistungen erbringen, um Direktzahlungen zu erhalten“. Deutlicher Widerspruch kommt auch zum BMEL-Fazit: „Das ist schlicht falsch. Wie oben ersichtlich, sind es bei den Direktzahlungen höchstens 20 % der Gelder, das erst nach 2 weiteren Jahren (also nach der Verschiebung, das macht insgesamt 4 Jahre) und auch das nur freiwillig. Außerdem wurden die Ziele der Biodiversitäts-Strategie und der Farm to Fork Strategie nicht mit in den Ratsbeschluss einbezogen: 50% weniger Pestizide, 20% weniger Nährstoffverluste; 50% weniger Antibiotikaeinsatz.“
26.10.2020
Von: FebL/PM

Julia Klöckner und Martin Häusling. Fotos: BMEL/Häusling