Dringender Handlungsbedarf für artgerechte Nutztierhaltung

Dringenden Handlungsbedarf für eine artgerechte Nutztierhaltung sieht nicht nur die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und den „Umbau der Tierhaltung jetzt anpacken“ lauten Stimmen aus der Politik. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) von Bund und Ländern in Koblenz einstimmig hinter die Vorschläge des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) vom Februar diesen Jahres und beschließt eine Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse auf der Frühjahrs-AMK Ende März 2021 vorgestellt werden sollen. „Die Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung unter Leitung des ehemaligen Agrarministers Jochen Borchert haben es an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. In dem Papier heißt es: Die Nutztierhaltung in Deutschland muss in die Lage versetzt werden, den fachlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an dem Tier- und Umweltschutz zu entsprechen und trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür ist insbesondere ein starker Ausbau der zielorientierten staatlichen Förderpolitik erforderlich, denn Tierschutz kostet Geld“, erklärt im Vorfeld der Sonder-AMK Martin Schulz, NEULAND-Schweinehalter aus dem Wendland, AbL-Bundesvorsitzender und Mitglied des Kompetenznetzwerkes. „Die Empfehlungen werden nicht nur von der AbL, sondern von vielen unterschiedlichen Verbänden und Organisationen getragen. Sie haben mittlerweile die deutliche Mehrheit im Deutschen Bundestag gefunden. Viele Bäuerinnen und Bauern sind bereit, die anspruchsvollen Tierwohl-Ziele in die Praxis umzusetzen. Das liegt doch in unserem eigenen bäuerlichen und wirtschaftlichen Interesse. Für den Umbau müssen aber seitens des Bundes die rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen rasch erfolgen. In den Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung ist auch festgehalten, dass der Umbau der Tierhaltung und die erheblichen Mehrkosten weder durch den Markt noch von den Bäuerinnen und Bauern alleine ausgeglichen werden können. Der Mehraufwand für die Landwirtschaft soll durch eine zusätzliche Tierwohl-Abgabe seitens des Staates bezahlt werden“, so Schulz. Um „Planungssicherheit auf unseren Höfen“ zu erreichen, fordert er Agrarministerin Klöckner auf, eine Finanzierungs- und Umsetzungsstrategie für die Tierwohlabgabe vorzulegen, Doch auch die Länder sieht der AbL-Vorsitzende in der Pflicht. „Die Agrarministerinnen und Agrarminister der Länder dürfen sich nicht hinter der Bundesregierung verstecken, sie sind ebenfalls gefordert. Ihre Tierschutzpläne müssen an die Empfehlungen angepasst werden. Die AbL schlägt vor, die Förderungsbedingungen auf die sogenannten Stufen 2 und 3 zu konzentrieren und auszurichten. Das bedeutet, Gelder zur Verfügung zu stellen, u.a. für mehr zusätzlichen Platz der Tiere, Klimazonen mit Außenklima, Ringelschwanz bei Schweinen, Strohhaltung, Auslauf- bzw. Weidehaltung. Wir haben schon sehr viele landwirtschaftliche Betriebe verloren, bei der Schweinehaltung allein in den letzten zehn Jahren über ein Drittel. Mit der Umsetzung der sogenannten Borchert-Empfehlungen kann nicht nur der schon lang andauernde Konflikt zwischen Stadt und Land um die Tierhaltung befriedet werden. Mit der Ausrichtung „Qualitäts- statt Mengenwettbewerb“ und der „Weniger, aber besser Strategie“ können wir auch unsere Zukunft planen, die Existenz bäuerlicher Betriebe sichern und den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. Worauf warten wir“, fragt Schulz abschließend. Bund und Länder „warten“ womöglich zunächst auf das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie, die Sonder-AMK in Koblenz beschlossen hat. „Eine externe Machbarkeitsstudie und Folgenabschätzung werden durchgeführt“, heißt es auch bereits in den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks vom Februar diesen Jahres. Hinter die stellen sich noch im Februar mehrheitlich die Länder im Agrarausschuss des Bundesrats und forderte „umgehend“ konkrete Maßnahmen, später stellte sich auch der Bundestag hinter die Empfehlungen. „Die Empfehlungen der ‚Borchert-Kommission‘ für den notwendigen Umbau der Tierhaltung, wie sie auch der Bundestag fordert, müssen rasch umgesetzt werden. Das ist überfällig und duldet keinen weiteren Aufschub. Der Zeitpunkt für den Umbau ist jetzt“, erklärt vor dem Sonder-AMK Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel. Ministerin Klöckner hat angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode konkrete Maßnahmen umsetzen zu wollen. Anlässlich der Sonder-AMK wurde gegen „das System Billgfleisch“ unter anderem von Vertretern und Vertreterinnen der AbL und Campact demonstriert und über 300.000 Unterschriften unter einen Appell gegen „das System Billigfleisch“ an den saarländischen Ressortchef Reinhold Jost (SPD) als Vorsitzendem der AMK übergeben.