Ehemaliger Bauernpräsident verkauft Großbetrieb an Aldi

Vor dem Hintergrund des Verkaufs eines Großbetriebs an Aldi fordert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – Mitteldeutschland (AbL) dringend eine Regulierung des Bodenmarktes, verweist auf die Koalitionsverträge der ostdeutschen Bundesländer und zeigt in ihrem neun Positionspapier, wie eine Regulierung gelingen kann. Recherchen der AbL Mitteldeutschland und des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) belegen, dass unter zentraler Mitwirkung des ehemaligen Präsidenten des Bauernverbandes Thüringen (TBV) und Träger des Bundesverdienstkreuzes, Dr. Klaus Kliem, vor kurzem alle Anteile an einer großen Agrarholding an eine Aldi-Familienstiftung verkauft wurden. Da es sich um einen Anteilskauf (Share Deal) handelt, findet der Verkauf im Verborgenen statt und kann weder komplett durchschaut noch reguliert werden. Ortsansässige Landwirte haben zwangsläufig das Nachsehen. Die AbL fordert in einem aktuell veröffentlichten Positionspapier:
1. Die Einführung von Genehmigungsverfahren.
2. Die Schaffung von Transparenz durch Ausschreibungspflicht.
3. Vorkaufsrecht für bäuerliche Betriebe vor Investoren.
4. Die Einführung eines Monitoringprogramms, um Umgehungstatbestände zu erkennen und ggf. zu verhindern.
5. Die Einführung von Haltefristen, um Spekulationen vorzubeugen. Martin Schulz, Bauer und AbL-Bundesvorsitzender, kommentiert: „Der Vormarsch außerlandwirtschaftlicher Investoren auf dem Bodenmarkt ist lange bekannt und vielfach besprochen. In den Koalitionsverträgen Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns, Thüringens, Sachsen-Anhalts und Sachsens ist eine Regulation des Bodenmarktes angekündigt, wird aber bislang nicht umgesetzt. Den vielen Lippenbekenntnissen, auch von Frau Klöckner, müssen nun endlich Taten folgen.“ Dass mit Dr. Klaus Kliem ausgerechnet ein ehemaliger Bauernpräsident und Träger des Thüringer Verdienstordens sowie des Bundesverdienstkreuzes seinen Betrieb in die Hände von Investoren, wie der Familie Albrecht legt, kritisiert der Vorsitzende der AbL Mitteldeutschland, Michael Grolm aufs schärfste: "Ackerland gehört in Bauernhand! Ex-Bauernpräsident Dr. Kliem hat aufgrund seiner Ämter und Auszeichnungen eine besondere Verantwortung landwirtschaftlichen Grund und Boden in bäuerlichem Besitz zu halten. Statt dieser Verantwortung gerecht zu werden, und den Betrieb z.B. landwirtschaftlichen Existenzgründern zu übergeben, nimmt er offenkundig lieber erneut seine privaten Profitinteressen wahr und nutzt seine Ämter schamlos aus.“ Bereits 2019 hatte Kliem einen beträchtlichen Teil seines Besitzes indirekt an die Familie Albrecht verkauft. Hintergrundinformationen zum Verkauf Die Agrar-, Dienstleistungs-, Industrie- und Baugesellschaft mbH (ADIB) mit Sitz im thüringischen Bad Langensalza ist eine Agrar-Holding, welche wiederum eine Vielzahl weiterer Gesellschaften aus den Bereichen Landwirtschaft, Verarbeitung und Distribution betreibt. Die bewirtschaftete Fläche der ADIB beläuft sich auf rund 6000ha. Die Familie von Dr. Kliem ist Mehrheitsgesellschafterin der ADIB. Verkauft wurde die ADIB an die Boscor Land- und Forstwirtschafts GmbH & Co. KG. Hautgesellschafter von Boscor ist die Lukas-Stiftung, eine der Aldi-Familienstiftungen mit Sitz in Schleswig-Holstein. Da es sich um einen Anteilskauf (Share Deals) handelt, erfolgt der Flächenübergang ohne Kontrolle oder Regulierung durch die Landwirtschaftsbehörden. Das Grundstückverkehrsgesetz: „Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe“ (GrdstVG) wird einfach umgangen. Die Konzentrationsprozesse auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt gehen ungebremst weiter. Insbesondere im Osten von Deutschland schreitet der Einstieg außerlandwirtschaftlicher Investoren in den Bodenmarkt stark voran. Bereits 2017 gehörten laut einer Studie des Thünen-Institutes im Landkreis Märkisch-Oderland 44% der Betriebe und 38% der Fläche, die von juristischen Personen bewirtschaftet wurde, überregional aktiven Unternehmern und damit nicht mehr regional ansässigen Landwirten; auf die Betriebe juristischer Personen entfiel dabei immerhin 62 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Landkreis. Dass der Einstieg außerlandwirtschaftlicher Investoren letztlich die Bodenpreise für alle Bäuerinnen und Bauern massiv in die Höhe treibt, zeigt sich an den Kaufpreisen für landwirtschaftliche Nutzfläche. So stiegen in den ostdeutschen Bundesländern laut Situationsbericht Landwirtschaft zwischen 2008 und 2018 die Kaufpreise für landwirtschaftliche Nutzflächen um 216%. Die Folge: oftmals können durchschnittliche landwirtschaftliche Betriebe Landkäufe aus der landwirtschaftlichen Urproduktion gar nicht mehr realisieren, da die Kaufpreise über dem liegen, was sich am Markt erwirtschaften lässt
07.08.2020
Von: FebL/PM

Außerlandwirtschaftliche Investoren sichern sich immer mehr Großbetriebe. Foto: AbL/Volker Gehrmann