Ergebnis des Branchengesprächs „nicht befriedigend“

Als „nicht befriedigend“ hat Martin Schulz, der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in einer ersten Reaktion die Ergebnisse des Branchengesprächs bezeichnet. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk kritisiert er, dass das Ergebnis „wenig konkret“ sei und aus Absichtserklärungen bestehe. Derartige Treffen habe es in den letzten 12 Jahren „ganz viele in Bezug auf das Tierwohl“ gegeben. Eine Veränderung sei dabei nicht wirklich herausgekommen. Als „Hoffnungsschimmer“ und „Ansatz, der in die richtige Richtung gehen kann“, sieht Schulz die Ergebnisse der Borchert-Kommission, zu denen in dieser Woche auch ein entsprechender Entschließungsantrag in den Bundestag eingebracht werden soll. Tierschutzbund: Erwartungen unterlaufen
Deutliche Kritik am Ergebnis kommt auch von Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und Teilnehmer des Branchengesprächs. „Die Notwendigkeit zu handeln, ist riesig. Die Hoffnung, dass sich etwas bewegt, ist hoch. Die konkrete Erwartung an heute war gering. Und die wurde noch unterlaufen. Es klebt nach dem Termin Enttäuschung. Es wurde geredet, es wurde sich ausgetauscht. Aber konkret wurde es nicht. Ich wiederhole: Die Klöckner’sche Politik der Freiwilligkeit ist gescheitert. Es braucht klares und schärferes Ordnungsrecht. Es braucht starken Vollzug und durchgreifende Kontrolle. Dieser Dreiklang fehlt derzeit. Eine Bundesministerin ist im Amt, um Ordnungsrecht auszugestalten. Landesminister sind im Amt, um den Vollzug von Gesetzen zu sichern. Das gilt es jetzt anzupacken. Die Billigpreisbewerbung für Fleisch durch den Handel gehört beendet. Wir warnen davor, die „Tönnies-Frage“ als Corona-Ereignis abzutun, denn dahinter steht eine Systemfrage. Das gilt es jetzt zu begreifen.“ BÖLW: Systemwechsel forcieren
Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der ebenfalls am Fleischgipfel teilnahm, kommentiert: "Wir diskutieren bei den aktuellen Schlachthof-Problemen das Symptom einer tiefen Krise. Diese Krise existiert schon lange. Seit Jahrzehnten trimmen Politik und Teile des Berufsstandes die Fleischproduktion auf niedrige Kosten und Weltmarktfähigkeit. Kleinere Schlachthöfe mussten dichtmachen, nur noch wenige, immer größere blieben übrig. Passend dafür wurde die Tierhaltung industrialisiert. In immer weniger Großbetrieben leben mehr Schweine als unsere Umwelt verkraftet.
Wir sehen heute sehr deutlich, wie teuer uns das zu stehen kommt. Nicht nur für Tierwohl, Arbeitnehmerrechte oder Wasserqualität. Sondern auch für die „Resilienz“, also die Krisenfestigkeit des Systems. Jetzt stockt die Kette, das System implodiert. Die Folgen für Bäuerinnen und Bauern, für die Arbeitenden in den Schlachtbetrieben und auch für die Tiere sind fürchterlich.
Die Regierenden müssen einen Systemwechsel forcieren. Und dafür massiv in regionale, handwerkliche, und mittelständische Lebensmittelverarbeitung ebenso investieren wie in ökologische und tiergerechte Haltung. Einen Baustein dafür hat die „Borchert-Kommission“ vorgelegt. Klöckner muss den Umbau nun entlang eines konkreten Zeitplans umsetzen. Bio muss beim Umbau eine führende Rolle spielen. Ostendorff: Konkrete Gesetzgebund erforderlich
Eine „konkrete Gesetzgebung statt schöner Worte“ fordert anlässlich des Branchengipfels Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag: "Schon wieder verpasst es Frau Klöckner,echte Lösungen für die drängendsten Fragen zum Umbau der Tierhaltung und der Schlachtindustrie zu präsentieren. Sie verliert sich in Schönwetter-Rhetorik und liefert wieder keine konkreten Ergebnisse. Doch Versprechungen haben wir in den vergangenen Wochen ausreichend gehört, um zu wissen, dass der Wille allein nicht ausreicht“.
Zaghaft spreche sich die Bundesministerin hier für ein bisschen Tierwohl, dort für ein bisschen Umweltschutz aus. Immerhin bekenne sie sich erstmals zu einer Tierwohlabgabe, nicht jedoch ohne den Hinweis, dass es bis zur Umsetzung mehr als eine Legislaturperiode dauern würde. „Alle, die mit den politischen Grundrechenarten vertraut sind, wissen: diese Wortwahl führt wieder nur ins Leere“, so Ostendorff.
„Wir brauchen endlich eine konkrete Gesetzgebung, Frau Klöckner und ihre Kolleginnen aus NRW und Niedersachsen dürfen sich nicht weiter hinter Branchengesprächen und 10-Punkte-Plänen verstecken. Doch anstatt selbst aktiv zu werden, schmückt sich die Ministerin schon wieder mit der Umsetzung der europäischen Richtlinie zu Unlauteren Handelspraktiken (UTP), die sie ohnehin in nationales Recht umsetzen muss. Auch bei der Tierwohlkennzeichnung sieht sie mehr den Handel in der Pflicht als sich selbst und spricht sich wieder nicht für eine verpflichtende Kennzeichnung aus.
Statt schöner Worte braucht es endlich einen echten Zukunftsplan für die Fleischproduktion. Mit den Vorschlägen der Borchert-Kommission liegen bereits Vorschläge vor, wie die ersten Schritte in die richtige Richtung aussehen können. Frau Klöckner muss endlich aufhören, einzelne Problemstellen provisorisch zu flicken. Es braucht jetzt den Blick für`s große Ganze, eine echte Vision für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft“, erklärt der grüne Bundestagsabgeordnete. ISN: Es hat etwas gebracht
„Kurzfristig einberufen, viel im Vorfeld gescholten und doch hat er etwas gebracht“, so lautet das Resümee des Geschäftsführers der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Torsten Staack. „Der heutige Branchengipfel war aus unserer Sicht trotz aller Kritik im Vorfeld wichtig und nötig. Auch wenn die Aktivitäten von Tierschutzplan und Nutztierstrategie in den beiden wichtigen Schweineländern Niedersachsen und NRW bereits zuvor auf die Ziele der Nutztierstrategie des Bundes ausgerichtet wurden, so war es doch ein bedeutsames Signal, dass sich die drei zuständigen Ministerinnen heute klar für die gleiche Zielrichtung bekannt haben. Sie positionierten sich nicht nur bewusst für eine Zukunft der Schweinehaltung in Deutschland, sie stellten auch gemeinsam Eckpunkte für eine zukünftige Fleischwirtschaft vor. Alle waren sich einig, es muss sich nun etwas tun, wenn Schweinehaltung in Deutschland Zukunft haben soll. Besonders erfreulich ist, dass man nun auf ein Gesamtkonzept schaut, so wie wir als ISN das immer wieder eingefordert haben. Dabei gibt es eine breite Zustimmung dafür, dass man nicht bei Null anfangen muss, sondern das Papier der sogenannten Borchert-Kommission als Basis für die weiteren politischen Diskussionen und Umsetzungsschritte gesetzt ist. Jetzt geht es darum die einzelnen Puzzleteile zusammenzusetzen, um zu dem Gesamtkonzept zu kommen. Klar ist, dass es zunächst noch Lücken in dem Puzzle geben wird, die nach und nach geschlossen werden müssen. Um diesen zunächst noch lückigen Weg zu gehen, braucht es deshalb auch ein Stück weit Vertrauen. Ihn nicht zu gehen bedeutet aber stehenbleiben und verharren in der schwierigen Ausgangsposition“, erklärt der ISN-Geschäftsführer.
29.06.2020
Von: FebL/PM

Das Branchengespräch. Foto: BMEL