Der gesamte LEH muss nicht nur bei Werkverträgen Verantwortung übernehmen

Nach dem Corona-Ausbruch bei Tönnies und der Ankündigung der Politik, entschlossen und gesetzlich gegen Werkverträge vorgehen zu wollen, haben mehrere Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) angekündigt, zukünftig auf Werkverträge verzichten zu wollen. Als „erste Handelsunternehmen“, wie es in ihrer Mittelung heißt, erklärten die zur Schwarz-Gruppe gehörenden Unternehmen Lidl und Kaufland „mit ihren Frischfleisch- sowie Frischgeflügel-Lieferanten vereinbart“ zu haben, „ab spätestens Januar 2021 auf Werkverträge mit Dritten in den Kernprozessen Schlachtung, Zerlegung sowie Verpackung zu verzichten“. Die Entscheidung, „zukünftig kein Frischfleisch und -geflügel in der Festlistung von Lieferanten mit laufenden Werkverträgen anzunehmen, wurde in beiden Unternehmen seit einiger Zeit diskutiert, die jüngsten Ereignisse haben zu dem konsequenten Schritt geführt“, heißt es in der Mitteilung. Ab Januar 2021 werde es auch bei Kaufland keine Werkverträge in der Fleischproduktion mehr geben. Allen Mitarbeitern, die bisher im Rahmen von Werkverträgen beschäftigt waren, biete Kaufland unbefristete Arbeitsverträge an. Folgende Lieferanten von Lidl und Kaufland haben laut der Mittelung ihre Unterstützung zugesagt: Westfleisch SCE mbH, Tönnies Unternehmensgruppe, Willms Fleisch, Landgeflügel, Heidemark GmbH, Hubers Landhendl GmbH, Plukon Food Group Deutschland, Baumann GmbH, Schiller Fleisch, Wiesenhof. Für Martin Schulz, , Neuland-Schweinehalter und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), ist die Ankündigung von Lidl und Kaufland ein erster Schritt in die richtige Richtung, er reicht aber längst nicht aus. „Jetzt muss der gesamte Lebensmitteleinzelhandel (LEH), also auch Aldi, Rewe und Co., noch nachziehen. Auch sie beziehen Fleisch aus diesen Schlachtstrukturen mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Mehr Qualität bedeutet aber auch höhere Kosten, deshalb fordert die AbL den LEH auf, endlich auf Preisdumping und Werbung für Billigfleisch zu verzichten. Das System Billig-Fleisch hat längst versagt, nun werden die Auswirkungen offenkundig. Wir brauchen einen Umbau in der Fleischbranche, in dem die ArbeitnehmerInnen fair entlohnt werden und die Bäuerinnen und Bauern für eine artgerechte Tierhaltung und klimaverträglichen Futteranbau honoriert werden“, so der AbL-Vorsitzende. Auf Anfrage der Lebensmittelzeitung (LZ) bestätigt auch Edeka Nord, „derzeit mit unserem Dienstleister an einem Konzept zur Überführung der Werkverträge bis spätestens zum 31.12.2020“ zu arbeiten. Im Fleischwerk Valluhn, dem NORDfrische Center, das nach eigenen Angaben Fleisch- und Wurstprodukte für EDEKA Nord produziert, sind nach LZ-Informationen zwei Drittel der 900 Beschäftigten "ausgeliehen". Fleischwerke anderer Edeka-Regionen, wie Rhein-Ruhr, kämen hingegen praktisch ohne solche Arbeitskräfte aus. Aldi Nord und Süd ergreifen laut LZ selbst keine Initiative, begrüßen aber auf Anfrage die Entscheidungen von Tönnies und Westfleisch. „Bei der Umsetzung ihres Vorhabens möchten wir unsere Lieferanten vollumfänglich unterstützen“, teilen die Discounter gegenüber der LZ mit. Einen Ausstieg aus der Werksvertragspraxis angekündigt haben neben Tönnies und Westfleisch auch Willms und die PHW-Gruppe, zu der die Marke Wiesenhof gehört. Auf Grund dieser Ankündigungen das vorzeitige Aus für die Werkverträge zu verkünden, ist nach Ansicht der LZ „sicher verfrüht“. So sei bei Lidl und Kaufland „nur das Frischfleisch in Festlistung“ betroffen, „offenbar sind Wurst, TK- oder Aktionsware ausgenommen“. Außerdem trügen bisher nur zehn Lieferanten das Programm mit. Tönnies will nur „im Kernbereich der Fleischgewinnung“ auf Werkverträge verzichten, Wiesenhof „in den für die Geflügelfleischerzeugung maßgeblichen Bereichen“. Der Grund für diese Beschränkung liege in den starken saisonalen Schwankungen der Branche. Flexible Einsatzmöglichkeiten mit Werkvertrags-, Saison- oder Leiharbeitern würden in der Fleischwirtschaft auch künftig gebraucht. Nach LZ-Berechnungen würden auskömmliche Tariflöhne nur etwa 6 Cent pro Kilo Mehrkosten verursachen. Bisher angeblich zu viel, um am Weltmarkt mitspielen zu können. Für eine Preiserhöhung im Handel dürfte es laut LZ jedenfalls kaum reichen.
27.06.2020
Von: FebL

Bildquelle: BMAS