Tönnies-Weckruf: Bioland fordert reformierte GAP zur Gesundung des kranken Ernährungssystems

Bioland nimmt den Tönnies-Skandal und die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft zum Anlass, erneut an die Bundesregierung zu appellieren, die GAP-Verhandlungen in die richtige Bahn zu lenken. Für dieses „Umsteuern in der Agrarpolitik“ weist nach Ansicht von Bioland die Farm-to-Fork-Strategie den Weg. Stephanie Strotdrees, Vizepräsidentin Bioland e.V. und Landwirtin aus dem Kreis Gütersloh erklärt: „Der Tönnies-Skandal zeigt ganz deutlich, wie krank unser Ernährungssystem ist. Wenn 56 Prozent der Schweine in Deutschland von drei Betrieben geschlachtet werden, wird klar, welches Ungleichgewicht in der Branche besteht. Dass dafür Tiere massenweise nicht artgerecht gehalten werden und dazu auch noch Menschen unwürdig angestellt sind, ist unerträglich. Doch das hat jahrelang System, denn die politischen Rahmenbedingungen sind seit Jahrzehnten exportorientiert und auf industrielle Massenproduktion ausgerichtet. Die reine Ökonomisierung nach dem Prinzip ‚Wachsen oder Weichen‘ ist das Primat in Die reine Ökonomisierung nach dem Prinzip ‚Wachsen oder Weichen‘ ist das Primat in Tierhaltung und Verarbeitung. Nur mehr Fläche und Tiere bringen mehr Einkommen, egal wie intensiv das Land genutzt wird und ohne Berücksichtigung des Tierwohls. Kleine, regionale Verarbeiter haben in diesem System keine Chance. Für gewissenhafte Betriebe wird es zunehmend schwieriger, Verarbeiter zu finden, die die gleichen Werte teilen und denen man seine Tiere mit gutem Gewissen anvertraut, weil man weiß, hier werden Mensch und Tier gut behandelt. Als Nebeneffekt stirbt gutes Handwerk aus. Diese Entwicklung darf so nicht weitergehen.“ Jan Plagge, Präsident Bioland e.V. ergänzt: „Unsere Art des Wirtschaftens basiert – kurz gesagt – auf einer weltweiten Ausbeutung billiger Ressourcen und billiger menschlicher Arbeitskraft. Sie basiert auf der Zerstörung von Natur und Umwelt und resultiert neben unwürdigen Arbeitsbedingungen in einer absehbaren Klimakatastrophe.“ Mittel gegen das kranke System
Der Verband fordert bereits seit Jahren einen massiven Umbau der Agrarpolitik: „Wir müssen unsere Agrar-, Wirtschafts- und Handelspolitik so vorantreiben und gestalten, dass wir die wirtschaftliche Existenz der Menschen, der Bauern und Bäuerinnen und aller an der Wertschöpfungskette Beteiligten, mit Umwelt-, Klimaschutz und ethischem Verhalten verbinden. Die Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission hat den Weg dahin bereits gezeichnet, nun muss er von allen Nationalstaaten, allen voran Deutschland, bei der Neugestaltung der GAP auch begangen werden“, ergänzt Plagge. „Wir erwarten von Julia Klöckner, dass sie die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzt, das Agrar- und Ernährungssystem und damit den Planeten Erde wieder gesunden zu lassen. Die GAP-Reform stellt dabei ihren größten Hebel dar.“ Tierwohl auf dem Teller
Neben der GAP sieht Bioland dringenden Handlungsbedarf bei nationalen Maßnahmen für mehr Tierwohl. Der Einsatz der Borchert-Kommission sei zwar ein guter erster Schritt gewesen, inhaltlich seien die Borchert-Vorschläge jedoch noch nachzubessern. Der Verband fordert von Klöckner, die Tierhaltung so umzubauen, dass Klima und Umwelt geschützt werden und das Wohlbefinden der Tiere gesichert ist. Im Speziellen bedeutet das für Bioland die Einführung einer Tierwohl-Abgabe zur Finanzierung besonders artgerechter Ställe und entsprechender Haltungsverfahren, eine gezielte Förderung der Landwirte, höhere gesetzliche Anforderungen bei allen Nutztieren sowie deren Kontrolle und eine verpflichtende Fleischkennzeichnung analog der erfolgreichen Eierkennzeichnung. „Klöckner muss ihre Labelpläne jetzt stoppen und stattdessen eine vollständige und verpflichtende Fleischkennzeichnung angehen“, so Strotdrees. „Die höchste Stufe der Kennzeichnung muss ökologisch produziertem Fleisch vorbehalten sein.“ Dass Bundesministerin Klöckner sich inzwischen eine Tierwohlabgabe zur Finanzierung des Umbaus in der Tierhaltung vorstellen kann, begrüßt der Verband.