Corona-Ausbruch bei Tönnies: Und die Folgen?

Insgesamt 1331 Corona-Infizierte im Tönnies-Schlachthof bis Sonntag. Die Reihentestungen auf dem Gelände der Firma Tönnies sind am Samstag abgeschlossen worden. 6.139 Tests wurden gemacht, teilt der Kreis Gütersloh mit. Ein Corona-Hotspot, größtes mediales Interesse und von unterschiedlichster Seite scharfe Kritik am Schlacht-Konzern und seinem Chef Clemens Tönnies, aber auch an der Branche insgesamt. Kommen jetzt die notwendigen Änderungen am System? „Über den Punkt, dass ich mich über die Fleischindustrie ärgere, bin ich längst hinweg", erklärt Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Gespräche mit den Konzernchefs lehnt er jetzt ab, jetzt müsse auf anderer Ebene gehandelt werden. Laumann kritisiert, dass Tönnies sich Gesprächen zur Entlohnung oder zur Einführung der digitalen Arbeitszeiterfassung stets entzogen und ihm als Arbeitsminister beim Corona-Ausbruch bei Westfleisch eine „Schlachthof-Manie“ vorgeworfen habe. "Jetzt werden die Bedingungen strukturell verändert", kündigt Laumann an. Das Vertrauen in das Unternehmen ist auch bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und dem Kreis Gütersloh „gleich Null“. Nach Ansicht des Arbeitsministers wird der Fleischkonzern Schäden, die durch den Coronavirus-Ausbruch im Kreis Gütersloh entstanden sind, haften müssen. Darüber hinaus kündigte er scharfe Maßnahmen an, um die Missstände in der Fleischindustrie zu beseitigen. "Wir machen jetzt Schwerpunktrazzien der Arbeitsschutzbehörden des Zolls. Wir müssen auch dafür sorgen, dass sich im Grunde genommen im System etwas ändert." Mit den vielen Subunternehmen und der Ausbeutung von Menschen müsse Schluss sein. "Hunderte von Infektionen in einem Betrieb. Diese Zustände sind nicht haltbar“, erklärt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und unterstützt Minister Heil in der Absicht, „einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche zu verbessern“. Für die Ministerin ist auch „klar, dass wir das Thema Schlachthöfe auch einbetten müssen in die Nutztierstrategie – es geht um Qualität vom Stall bis an die Theke. Dazu gehören das Tierwohl, die Vorschläge der von mir eingesetzten Borchert-Kommission, die Situation von Schlachthöfen ebenso wie die Preise an der Ladentheke". Klöckner kritisierte auch die Zentralisierung der Schlachtbranche. "Wie man sieht, hat Größe dann einen Negativpreis." Der stellvertretende Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Georg Nüßlein (CSU) fordert ein Ende der Preiswerbung für Fleisch und bezeichnet den wöchentlichen Preiskampf der Supermärkte als "unanständig". Und der SPD-Agrarpolitiker Rainer Spiering äußerte gegenüber der dpa: "Dass Fleisch derartig verramscht wird, hat mit dem Verramschen von Arbeitskräften zu tun“. Der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer (CDU), verkündet, dass die Fleischfabrik in Rheda-Wiedenrbück für die nächsten 14 Tage komplett geschlossen wird. "Bevor nicht alles sauber und geregelt ist, wird der Betrieb nicht wieder öffnen. Egal, wie lange das dauert", erklärt Adenauer. Ein vom Kreis gemachtes Angebot an alle Einwohner des Kreises (über 360.000), sich kostenlos auf das Coronavirus testen zu lassen, ergänzt der Landrat mit dem Hinweis: „Ich könnte mir vorstellen, dass die Firma Tönnies für diese Kosten aufkommt". Woraufhin Clemens Tönnies eine „Zusage“ macht und ferner erklärt: „So werden wir nicht weitermachen, und das sage ich auch nicht nur als Tönnies, sondern als Unternehmer. Wir werden die Branche verändern, das steht fest“. Für den agrarpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff, darf das Werk „nicht vorschnell wieder geöffnet werden, nur um die Produktionsausfälle des Unternehmens möglichst klein zu halten. Die hemmungslose Ausbeutung der Beschäftigten in der Fleischindustrie muss endlich beendet werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil muss liefern und schnellstmöglich das Werkvertragsunwesen in der Fleischbranche beenden. Wir brauchen keine Ankündigungen von Minister Heil, sondern einen Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen. Die Beschäftigten müssen direkt bei den Betreibern der Schlachthöfe angestellt und es müssen menschenwürdige Wohnverhältnisse geschaffen werden“. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert ein sofortiges Verbot von Werkverträgen. Der stellvertretende NGG-Bundesvorsitzende, Freddy Adjan, sagte der Funke Mediengruppe, er erwarte, "dass diesem kranken System nun endlich ein Ende gemacht wird und der Beschluss der Bundesregierung mit dem Verbot von Werkverträgen ohne Abstriche im Gesetzgebungsverfahren umgesetzt wird". Das Land Nordrhein-Westfalen will über eine Bundesratsinitiative Niedrigpreise für Fleisch unterbinden. Durch das Vorhaben sollten im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vorgesehene Ausnahmen bei der Preisgestaltung deutlich erschwert werden, sagte NRW-Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser (CDU)), der Rheinischen Post.
22.06.2020
Von: FebL

Der Tönnies-Konzern in Rheda-Wiedenbrück bekam in den letzten Tagen Besuch von der Politik, wie hier von Minister Laumann und dem NRW-Ministerpräsidenten Laschet, aber auch von Tierschützern. Foto: Kreis GT