AbL: Kein unqualifiziertes Abkommen zwischen EU und Neuseeland

Deutschland plant während seiner Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland an einen politischen Abschluss heranzuführen. Nachdem in Neuseeland Zahlen aus einem im Rahmen der Freihandels-Verhandlungen erarbeiteten Angebot der EU durchgesickert sind, zeigte sich nicht nur der neuseeländische Handelsminister David Parker „sehr enttäuscht von der schlechten Qualität des Angebots“und sprach von Protektionismus seitens der EU. Dem durchgesickerten Angebot zufolge will die EU ihren Markt für 1.500 Tonnen neuseeländischen Käse zu einem geringeren Zollsatz öffnen und auch 600 Tonnen Butter sollen zu einem geringeren Zollsatz von 586 Euro/t importiert werden. An den gegenwärtigen Rindfleischimporten solle sich, so der Vorschlag der EU, nur wenig ändern. Elisabeth Waizenegger, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), kommentiert: „Neuseeland hat ein bedeutendes Exportinteresse allen voran für Milchprodukte und rotes Fleisch und wird mit großer Wahrscheinlichkeit die vorliegenden Angebote in die Höhe treiben, damit die EU ihrerseits mehr Marktöffnung für etwa Maschinenteile erreicht. Es ist skandalös, dass die deutsche Bundesregierung sich ungehindert für ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland einsetzen will und dadurch für mehr unqualifizierte Importe von Milch- und Fleischprodukten – was die Situation unserer Betriebe beeinflussen würde. Wir Milchbäuerinnen und -bauern haben derzeit mit enorm niedrigen Erzeugerpreisen zu kämpfen, einige Molkereien zahlen nur noch 29 Cent Milchgeld. Corona-bedingt sind Absatzmärkte im In- und Ausland weggebrochen. Das wird vielen Milchhöfen ihre Existenz kosten. Auch der Rindfleischmarkt steht unter starkem Preisdruck. Deshalb fordern wir, weitere unqualifizierte Abkommen wie zwischen der EU und Neuseeland zu verhindern.“ „Obwohl diese ersten Mengenangaben noch als niedrig einzustufen sind, widerspricht diese veraltete Freihandelspolitik jeglichen gesellschaftlichen und bäuerlichen Herausforderungen“, sagt Waizenegger weiter. „Die Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig eine regionale und stabile Lebensmittelversorgung ist. Mehr Tierwohl und eine nachhaltige Gründlandbewirtschaftung für mehr Klimaschutz und Artenvielfalt werden in der öffentlichen Debatte zu Recht eingefordert. Aber auch wirtschaftliche Perspektiven für Bauernhöfe, damit sie den höheren Qualitätsanspruch und die damit verbundenen Mehrkosten leisten können. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für faire und qualifizierte Handelsabkommen einzusetzen. Es braucht einen internationalen Handel, der beim Marktzugang Qualitäten wie Klimaschutz, Artenvielfalt, Tierwohl und faire Erzeugerpreise in den Vordergrund rückt.“ Die „schlechte Qualität“ des Abgebots untertreicht der Handelsminister auch mit dem Hinweis darauf, dass gegenwärtig die EU ein Kilogramm Käse pro Kopf der Bevölkerung nach Neuseeland exportiere, das Angebot in umgekehrter Richtung betrage demgegenüber drei Gramm Käse pro europäischem Verbraucher. Laut Minister Parker habe sich der EU-Handelskommissar Phil Hogan zwischenzeitlich bei ihm für das Angebot entschuldigt. „Eine extreme Marktzugangsbeschränkung für neuseeländische Milchexporte aufrechtzuerhalten“, ist nach Ansicht des Verbandes der Molkerei-Unternehmen Neuseelands (Dairy Companies Association of New Zealand, DCANZ) das Ziel des von der EU vorgelegten Angebots. „Das ist nicht einmal ein Lippenbekenntnis zum Freihandel. Es ist unverschämter Protektionismus des weltgrößten Milchexporteurs", sagt der DCANZ-Vorsitzende, Malcolm Bailey. Der anhaltende Agrarprotektionismus der EU stehe im Widerspruch zu den jüngsten Erklärungen, denen sich die EU im Zuge der COVID-19-Pandemie über die Bedeutung der Aufrechterhaltung offener Märkte für Lebensmittel angeschlossen habe. Das Angebot ignoriere auch das UN-Ziel der nachhaltigen Entwicklung, das darauf abziele, Beschränkungen und Verzerrungen auf den Weltagrarmärkten zu korrigieren und zu verhindern. Die Bedenken von DCANZ beschränken sich nicht nur auf die Versuche der EU, handelsbeschränkende Zollschutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Der Verband kritisiert auch Vorschläge der EU, neuseeländische Käsehersteller daran zu hindern, gängige Käsenamen wie Gruyere, Feta und Parmesan zu verwenden. Hinzu komme, dass die Milcherzeuger in der EU laut DCANZ mit die höchsten handelsverzerrenden Subventionen der Welt genießen würden - eine Praxis, die neuseeländische Exporteure auf dem Weltmarkt erheblich benachteilige. Neuseeland ist Mitglied der sogenannten Cairns-Gruppe, einer Vereinigung agrarexportorientierter Länder, die sich für eine Liberalisierung des internationalen Agrarhandels aussprechen und deutliche Kritik an der ihrer Ansicht nach protektionistisch ausgerichteten Agrarpolitik zum Beispiel der EU üben.