Der Kastenstand zwischen Hoffen und Bangen

Der Bundesrat hat eine Entscheidung über die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und damit die Zukunft des Kastenstands erneut verschoben. Für Tierschützer lässt die Vertagung hoffen, während die Landwirtschaft um Existenzen bangt Zwar hätte sich Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, gewünscht, dass im Sinne des Staatsziel Tierschutz entschieden worden wäre, aber er hält es schon für „eine Leistung, dass das Verfahren um den Kastenstand und die angestrebte Änderung der Verordnung so lange offengehalten werden konnten – wo doch sonst schnellstmöglich im Sinne der Agrarlobby entschieden wird. Die schlimmsten Pläne von Bundesministerin Klöckner konnten verhindert werden. Somit bedeutet die Vertagung auch einen Hoffnungsschimmer: Hoffnung darauf, dass die Qual der Sau doch noch beendet wird“. Eine weitere Duldung der rechts- und tierschutzwidrigen Kastenstandhaltung dürfe keine Option sein – auch nicht für weitere acht Jahre im Deckbereich, wie es der eingebrachte Änderungsantrag aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen als Kompromiss vorsah. Ähnlich sieht es auch die Tierschutzorganisation VIER PFOTEN. „Die Grünen haben Haltung gezeigt und das Herumdoktern an einem tierquälerischen Haltungssystem scheitern lassen. Sie haben sich auf die Seite der Tiere gestellt und auf die Seite der Bürgerinnen und Bürger. Denn sowohl Ministerin Klöckners Entwurf als auch der Scheinkompromiss aus Nordrhein-Westfalen ignorieren geltendes Recht. Bund und Länder dürfen jetzt nicht weiter taktieren und müssen die qualvolle Haltung von Sauen in den körperengen Metallkäfigen endgültig beenden. Die Zivilgesellschaft wird den Druck solange aufrecht halten bis eine echte Tierschutzwende erreicht ist“, erklärt Rüdiger Jürgensen, Geschäftsführer VIER PFOTEN Deutschland. Die Verbraucherschutzorganisation foodwatch sieht in der Verschiebung auch das Ergebnis einer von ihr gestarteten und von knapp 600.000 Personen unterstützten Petition an die Grünen. „Es gibt keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr dafür, dass Millionen Muttersauen in enge Käfige gesperrt werden. Der Streit um den Kastenstand macht deutlich: Wir brauchen dringend eine andere Agrarpolitik, die Natur, Tiere und Menschen respektiert, statt sie immer weiter auszubeuten und auszupressen – auch, damit Bäuerinnen und Bauern überleben können. Die Grünen sind offenkundig nur durch massiven öffentlichen Druck bereit, für ihre vollmundigen Versprechen von Agrarwende und Tierschutz einzutreten. Und das heißt ganz konkret für die Grünen: Wer glaubwürdig die Agrarwende plakatieren will, der muss den Kastenstand ablehnen, jeder Kompromiss dabei ist ein fauler Kompromiss zu Lasten wehrloser Tiere", so Matthias Wolfschmidt, Tierarzt und internationaler Strategiedirektor von foodwatch: Für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) sind „die gegensätzlichen politischen Standpunkte die sich hier einmal mehr zeigen“, Ausdruck einer Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Tierhaltung. „Und dabei sind die Haltungsvorgaben nur ein Teil – genauso spielen beispielsweise Düngerecht, Emissionsrecht, Umweltrecht, Baurecht usw. in die Frage der Ausrichtung der Schweinehaltung hinein. All diese Themenbereiche sind also miteinander verzahnt und auch die Frage der Finanzierbarkeit spielt dabei natürlich eine wichtige Rolle“, so die ISN. Planungssicherheit und Perspektive wird es für die Schweinehalter nach Ansicht der ISN nur in einem Gesamtkonzept geben. Dazu erklärt die ISN:„Leider sehen wir aber viel zu sehr Stückwerk – wie auch bei der Diskussion um die Novelle der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Das Zurückziehen in (partei)politische Grabenkämpfe wird dauerhaft nicht funktionieren, denn diejenigen, die (zu) viel fordern, müssen am Ende auch Lösungen anbieten, die Schweinehaltern eine Perspektive bieten. Tun sie das nicht, dann müssen sie auch klar sagen, dass sie Schweinehaltung in Deutschland nicht wollen und dabei den wachsenden Import von Schweinefleisch billigend in Kauf nehmen. Aus den Augen aus dem Sinn ist keine Lösung!“ Eine Entscheidung im Bundesrat soll jetzt möglicherweise am 26. Juni fallen.
08.06.2020
Von: FebL/PM

Vor dem Bundesrats-Gebäude versammelten sich Verteter unterschiedlichster Interessen: die junge ISN, foodwatch und Tierschützer. Fotos: ISN/ foodwatch/ Vier Pfoten