Umstrittener Kastenstand im Bundesrat

Für die Sitzung des Bundesrates am 5. Juni steht auch die Siebte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und damit der umstrittene Kastenstand in der Sauenhaltung auf der Tagesordnung. Nachdem eine Entscheidung im Bundesrat aufgrund unterschiedlicher Position zwischen den Bundesländern mehrfach verschoben wurde, haben das schwarz-gelb regierte Nordrhein-Westfalen mit der Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) und das schwarz-grün-gelb regierte Schleswig-Holstein mit dem Landwirtschaftsminister Jan-Philipp Albrecht (B90/Die Grünen) einen gemeinsamen Kompromiss-Vorschlag vorgelegt. Laut Agra Europe sieht die Einigung vor, dass mit Inkrafttreten der Verordnung im Deckzentrum das ausgestreckte Liegen der Sauen in Seitenlage ohne bauliche Hindernisse ermöglicht werden muss. Ein anderes Schwein soll dabei kein Hindernis darstellen. Das vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg geforderte „ungehinderte Ausstrecken in Seitenlage“ soll erst nach Ablauf einer achtjährigen Übergangsfrist in Kraft treten. Damit wäre keine sofortige Verringerung der Sauenzahl im Deckzentrum erforderlich. Im Abferkelbereich sollen laut Agra Europe die Vorgaben des OVG-Urteils allerdings bereits unmittelbar verbindlich sein. Geeinigt haben sich demnach die beiden Länder auch auf verkürzte Übergangsfristen für die Haltung im Deckzentrum. Danach sollen die Sauenhalter innerhalb von drei Jahren ein Umbaukonzept vorlegen müssen. Nach weiteren zwei Jahren soll ein Bauantrag gestellt werden müssen. Bis zur Umsetzung der Baumaßnahme soll der Landwirt anschließend drei Jahre Zeit bekommen. Schließlich sind für Härtefälle weitere zwei Jahre vorgesehen. Betriebe, die die Sauenhaltung aufgeben wollen, sollen dies binnen drei Jahren verbindlich erklären müssen. Sie sollen dann die Sauenhaltung noch zwei Jahre weiterführen dürfen. Für Betriebe mit weniger als zehn Sauen sollen weiterhin Ausnahmen gelten. „Rechtsbruch mit Ansage“ nennt der Deutsche Tierschutzbund den Kompromiss. „Die Verordnung gilt seit 1992, nach Ablauf der damals vorgesehenen Übergangsfrist. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem der heute praktizierte Kastenstand als rechtswidrig eingestuft wird, war 2016. Jetzt haben wir 2020. Und wenn der Kompromiss zwischen den Landesministern nun gelten soll, dann gäbe es für die Sauenhalter nochmals bis zu acht Jahren Bestandsschutz. Das sind dann insgesamt 36 Jahre rechtswidriger Zustand, die durch diesen Antrag im Bundesrat legitimiert werden sollen. Und das vor dem Hintergrund eines mittlerweile seit 18 Jahren geltenden Staatsziel Tierschutz. Das ist ein Rechtsbruch mit Ansage,“ erklärt der Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Bereits vor dem Kompromiss hatte der Tierschutzbund gemeinsam mit anderen Organisationen in einem offenen Brief an die Landes- und Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen der Bundesländer diese aufgefordert, den Kastenstand abzuschaffen. „Der Kastenstand muss, wie alle anderen Käfige auch, schnellstmöglich verboten werden“, heißt es in dem Brief. Auch die Verbraucherschutzorganisation foodwatch und Campact haben bereits vor dem Kompromiss mittels Email-Aktion respektive Petition in Richtung Parteivorsitzende und die Grünen Ländervertreter im Bundesrat ein Verbot der Kastenstände gefordert. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Tierschutzstiftung Vier Pfoten ergab, dass knapp 90 % der Befragten die Sauenhaltung im Kastenstand für Tierquälerei halten und ebenfalls knapp 90 % für ein Verbot dieser Haltungsform sind. „Wir brauchen endlich Klarheit, wie es weitergeht. Deswegen ist es gut, dass NRW und Schleswig Holstein nun einen neuen Vorstoß wagen. Die Betonung liegt auf wie es weitergeht und nicht wie es endet!“ So kommentiert die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) den Kompromiss-Vorschlag. Ein Kompromiss mache nur dann Sinn, wenn die Schweinehalter dadurch endlich Planungssicherheit und vor allen Dingen auch eine Perspektive bekommen. Deshalb müsse gleichzeitig klar sein, dass die Betriebe die neuen Vorgaben auch in der vorgegebenen Zeit umsetzen können und dürfen – notwendig werdende Um- und Ergänzungsbauten müssen laut ISN in der vorgegebenen Zeit auch genehmigungsfähig, umsetzbar und wirtschaftlich verhältnismäßig sein. „Die Verantwortung für die Umsetzbarkeit von Tierschutzvorgaben darf also nicht einfach auf andere Themen- und Ressortzuständigkeiten wie das Bau-, Umwelt- oder Düngerecht verlagert werden“, so die ISN.