Transparenz beim Brötchen backen

Wer in Tschechien morgens in sein Frühstücksbrötchen oder -hörnchen (Rohliky) beißt, in Deutschland einen „goldenen“ Toast bestreicht oder bei McDonalds ein Hamburgerbrötchen (Buns) isst, der lässt mit Sicherheit oder sehr wahrscheinlich beim tschechischen Premierminister, Milliardär, Oligarchen, Unternehmer Andrej Babis die Kasse klingeln. Denn überall wirkt im Hintergrund der von ihm 1993 gegründete und heute weltweit agierende Agrar-, Lebensmittel-, Chemie-, Düngemittel-, Biogas- und Medienkonzern Agrofert mit einem seiner über 230 Tochterunternehmen. Im Bereich Brot- und Backwaren betreibt er in Tschechien die Großbäckerei-Gruppe Penam, seit 2018 ist er unter anderem Betreiber der größten Toastbrotanlage des Landes und mit seinen Rohliky landesweit in den Supermärkten und auf den Frühstückstischen zu finden. Und in Deutschland gehört zum tschechischen Konzern die Lieken AG, deren „goldener“ Toast nach eigenen Worten „zum absoluten Marktführer“ in Deutschland wurde und die mit ihren Burger-Buns einer der Hauptlieferanten bei McDonalds ist. Rücktrittsforderungen In Tschechien sind in den letzten Wochen landesweit Zehntausende gegen den Premierminister und sein „Geschäftsmodell“ auf die Straße gegangen, 50.000 waren es allein in Prag in der Woche vor Beginn der Europawahlen. Sie werfen ihm und seiner Familie vor, EU-Fördermittel erschlichen zu haben und beim Versuch der Aufklärung Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Denn als im April die Polizei der Staatsanwaltschaft eine Anklageerhebung empfiehlt, wechselt einen Tag später die Spitze des Justizministeriums und es wird dort mit Marie Benešovás, die von der von Babis gegründeten ANO-Partei nominiert wird, eine Person ernannt, die nach Ansicht der Demonstranten seit Jahren im Sinne von Babis handelt. Daher fordern sie jetzt ihren Rücktritt und eine unabhängige Justiz. Darüber hinaus wird eine grundsätzliche Kritik an Babis geübt: Sein ganzes Geschäftsmodell basiert auf staatlichen und europäischen Fördergeldern. In einer Sendung des ZDF werden dafür folgende Beispiele aus dem Agrofert-Konzern genannt: 2015 erhielt die Industriebäckerei „Penam, a.s 3,7 Millionen Euro EU-Subventionen; von 2015 – 2017 der Hühnerfleischbetrieb „Vodňanská drůbež, a.s.“ ebenfalls ca. 3,7 Millionen Euro; und ebenfalls von 2015 - 2017 die Wurstfabrik „Kostelecké uzeniny a.s.“ 3,6 Millionen Euro. Wo steckt Babis drin? Um den zahlreichen Produkten aus dem Agrofert-Konzern aus dem Weg zu gehen, haben Aktivisten eine App für das Smartphone entwickelt, mit der beim Kauf im Supermarkt das Produkt gescannt und so erkannt werden kann, ob „Babis“ drinsteckt oder nicht, und dann auf den Kauf verzichtet werden kann. Der Online-Händler Rohlík.cz hat Penam-Produkte bis zur Klärung möglicher Interessenskonflikte durch die EU-Kommission vor Kurzem aus seinem Angebot genommen. Einen Interessenkonflikt zwischen politischem Amt und Geschäftsinteressen sieht auch die EU-Kommission und hat deshalb die Auszahlung von Mitteln aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESF-Programm) an den Agrofert-Konzern Ende letzten Jahres ausgesetzt und Anfang des Jahres eine Prüfung begonnen, deren Ergebnisbericht laut zuständigem EU-Kommissar Günther Oettinger noch vor der Europawahl vorliegen sollte (die Bauernstimme berichtete in ihrer März-Ausgabe). Am 16. Mai teilt die für die Auszahlung von EU-Geldern in Tschechien zuständige staatliche Stelle (SZIF) mit, dass ihr noch keine Ergebnisse aus der Prüfung vorliegen, sie auf entsprechende Hinweise der Kommission (GD AGRI) warte und bis dahin weiterhin Zahlungen ohne Einschränkungen vornehme. Geld erhält so auch weiterhin der Agrofert-Konzern. Transparency International (TI) in Tschechien bezweifelt unterdessen die Unabhängigkeit der Auszahlungsstelle, denn dort sitzen an maßgeblicher Stelle auch Vertreter der ANO-Partei. Sollten die EU-Gelder infolge der Prüfung nicht fließen, bliebe der tschechische Staat, der Steuerzahler, darauf sitzen oder aber er müsste die Mittel von Agrofert zurückfordern. Großbäckerei in Wittenberg Auch in Deutschland profitiert der Ableger des Konzerns in Deutschland, die Agrofert Deutschland GmbH, von staatlichen Geldern. „Der AGROFERT Deutschland GmbH wurde vom Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2016 eine Zuwendung in Höhe von 11,25 Mio. Euro zum Bau einer Großbäckerei in Wittenberg gewährt“ schreibt die dortige Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Rüdiger Erben im Januar diesen Jahres. Nach der Übernahme der Lieken AG durch Agrofert in 2013 wurde ein umfangreiches „Restrukturierungspaket Agenda 2020“ vorgelegt, das neben Entlassungen auch Werkschließungen vorsieht. Dazu gehört auch die Schließung des Werkes in Weißenfels in Sachsen-Anhalt mit mehr als 200 Arbeitsplätzen. Im rund 100 Kilometer entfernten Wittenberg errichtete der Konzern das Anfang 2018 eröffnete neue Werk, die Wittenberger Bäckerei GmbH (Vermarkter Lieken), auf dem Gelände des ebenfalls zum Agrofert-Konzern gehörenden Stickstoffherstellers SKW Piesteritz. Neben dem Abbau von Arbeitsplätzen in Weißenfels ärgert den SPD-Abgeordneten Erben und auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ein weiterer Punkt: Lohndumping. In Weißenfels zahlte Lieken nach Tarif, in Wittenberg macht Agrofert das nicht. NGG-Vertreter fordern daher, öffentliche Gelder nur dort einzusetzen, wo unter anderem nach Tarif gezahlt wird. Bei der Europawahl in Tschechien ist die populistische Partei ANO von Ministerpräsident Andrej Babis mit sechs der insgesamt 21 tschechischen Sitze im EU-Parlament, wie aufgrund der Prognosen erwartet, stärkste Kraft geworden. Einen deutlichen Zuwachs haben aber wieder erwarten auch entschieden proeuropäischen Gruppierungen erzielt. Die Wahlbeteiligung lag mit 28,7 Prozent deutlich über allen bisherigen Ergebnissen und den Vorhersagen.
04.07.2019
Von: feb

Mit dem Smartphone kann in tschechischen Supermärkten festgestellt werden, ob in den Produkten „Babis“ steckt. Bildquelle: ARD nachtmagazin