Protest vor dem Werkstor

Wochenlang hat Pfarrer Peter Kossen aus der Pfarrei Seliger Niels Stensen in Lengerich/Nordrhein-Westfalen „davor gewarnt, nun ist das Schlimmste eingetreten“, schreibt das Bistum Münster in einer Pressemitteilung mit Blick auf die über 200 infizierten Mitarbeiter im Westfleisch-Schlachthof im nordrhein-westfälischen Coesfeld sowie weiteren Großschlachthöfen bundesweit. Pfarrer Kossen sieht einen Grund in den schlechten Arbeitsbedingungen, aber auch der katastrophalen Wohnsituation der Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Um darauf aufmerksam zu machen und dagegen zu protestieren, stellte er sich am 9. Mai mit Plakaten vor das Werkstor in Coesfeld. Die Arbeitsmigrantinnen und -migranten seien meist zu mehreren in einem Zimmer untergebracht, schilderte Kossen die Lebensbedingungen. Die Räume seien nicht selten eher als „verschimmelte Bruchbuden“ zu bezeichnen. In vollgestopften Kleintransportern würden die Leiharbeiter zu ihren Schichten in die Großschlachterei gefahren. Dazu komme ein Arbeitstag von mindestens zehn, oftmals noch mehr Stunden an sechs Tagen in der Woche: „Alles das sind Risikofaktoren, die ein großes Gefährdungspotenzial haben“, betonte der Pfarrer. Seit vielen Jahren schon prangert er die unmenschlichen Zustände vor allem in der Fleischindustrie an. Erschwerend komme hinzu, dass viele der Osteuropäer aufgrund der hohen Arbeitsbelastungen selbst nach Jahren in Deutschland keine Zeit gefunden hätten, die Sprache zu lernen: „Damit ist es fast unmöglich, ihnen die Hygieneregeln zu vermitteln.“ Angestellt seien die Arbeitsmigranten bei Personaldienstleistern. Die Strukturen seien bis zur Unkenntlichkeit verwässert, damit so die Sozialgesetzgebung ausgehebelt werden könne. Was in Coesfeld, aber auch bereits in anderen Bundesländern passiert sei, habe man vor Wochen absehen können, erinnert Kossen unter anderem an einen offenen Brief, den er an NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil geschrieben hat, in dem er genau diese dramatische Entwicklung prophezeite. Kossen fordert einen raschen Systemwechsel: „Ein Mensch, ein Raum – und keine überbelegten Sammelunterkünfte.“ Um in der jetzigen Situation deeskalierend zu wirken, regte er an, den Arbeitsmigranten freie Hotelzimmer zur Verfügung zu stellen. Für die Zukunft appellierte er an die Politiker, klare gesetzliche Vorgaben zu verabschieden, die die Leiharbeiter schützen. Die von NRW-Minister Laumann angekündigten Corona-Tests bei allen Mitarbeitenden in Schlachtbetrieben bewertet Pfarrer Kossen als ein positives Signal, dem weitere folgen müssten.
11.05.2020
Von: FebL/PM

Mit Plakaten protestierte Pfarrer Peter Kossen vor dem Westfleisch-Werkstor in Coesfeld gegen die Arbeits- und Wohnsituation der Leiharbeiter. Unterstützung bekam er von Dominik Blum Theologe und Dozent an der Katholischen Akademie Stapelfeld bei Cloppenburg. Foto: Bistum Münster