Crispr/Cas: Schon wieder unerwünschte Nebeneffekte festgestellt

Wenn die Genschere Crispr/Cas9 in das Erbgut schneidet, damit dort ein neuer Erbgutschnipsel eingebaut wird, kann folgendes passieren: Der Erbgutschnipsel wird nicht nur einmal, sondern doppelt oder mehrfach hintereinander eingebaut. Diesen unerwarteten Effekt haben Gentechniker der Universität Münster entdeckt und darüber im Fachjournal Sciences Advances berichtet. Darin schreiben sie auch, dass dieser Effekt mit der üblichen Analysemethode übersehen wird. Darauf weist der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) hin. Gegenüber dem Magazin The Scientist stellten die Wissenschaftler demnach fest, dass ihre Ergebnisse für gentechnische Veränderungen in allen Lebensformen, von Pflanzen bis zu menschlichen Zellen, von Bedeutung sein könnten. Solche Duplikationen könnten zu gefährlichen Mutationen führen oder missgebildete Proteine zur Folge haben. Es sei beunruhigend, schreiben die Münsteraner Forscher in ihrer Arbeit, „dass die üblicherweise angewandte PCR-Analyse in den meisten Fällen nicht in der Lage war, diese mehrfachen Integrationsereignisse zu identifizieren“. Dies führe zu einer fälschlich behaupteten hohen Rate von präzise editierten Genen. Deshalb sollten Kollegen, die mit Crispr DNA-Sequenzen ins Erbgut einbauen, mit genaueren Methoden untersuchen, ob die Genome tatsächlich korrekt verändert worden seien. The Scientist zitierte Katharina Boroviak, eine britische Gentechnikerin, die sich von dem Fund der Münsteraner Kollegen wenig überrascht zeigte. Sie habe solche Duplikate selbst schon beobachtet. Die meisten erfahrenen Forscher auf diesem Gebiet seien sich wahrscheinlich dieses Effekts bewusst. Die Publikation sei wichtig, damit auch kleinere Labore auf das Problem aufmerksam würden. „Alle reden immer wieder davon, wie großartig Crispr ist und wie wunderbar und so einfach. Aber wenn man sich in die Details vertieft, zeigt sich, was tatsächlich schief läuft und wie oft es tatsächlich schief läuft - öfter als man denkt“, sagte Boroviak. Der britische Molekularbiologe Ed Bolt bezeichnete die Ergebnisse der Münsteraner gegenüber The Scientist als eine „weitere, warnende Geschichte“. Sie unterstreiche die Notwendigkeit, die DNA-Reparaturprozesse besser zu verstehen. Oberflächlich betrachtet sei Crispr/Cas9 ein einfaches Genom-Editierwerkzeug. Doch um zu funktionieren, sei es auf die DNA-Reparatur angewiesen, ein Prozess, der „schrecklich komplex“ sei und den die Wissenschaft noch nicht gut verstehe. „Genau deshalb ist das Vorsorgeprinzip im EU-Gentechnikrecht so wichtig“, kommentierte VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting die Ergebnisse. „Wissenschaftliche Studien wie diese belegen eindrucksvoll, wie recht der Europäische Gerichtshof hatte, als er die neue Gentechnik dem EU-Gentechnikrecht unterstellte.“