Entscheidung zum Kastenstand erneut vertagt

Die Entscheidung im Bundesrat über eine Neureglung zum Kastenstand in der Sauenhaltung ist erneut vertagt worden. Nachdem Verhandlungen der Staatssekretäre und Amtschefs von Bund und Ländern im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), um eine Einigung in Sachen Kastenstand zu erzielen, offenbar gescheitert sind, hat es die Novelle der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, deren Bestandteil auch die Regelungen zum Kastenstand (wie zum Beispiel auch zur Anbindehaltung) sind, nicht auf die Tagesordnung für die Sitzung des Bundesrates am 13. März geschafft. Dem Vernehmen nach wurde eine Vertagung bis voraussichtlich zur Mai-Sitzung beschlossen. Für Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, geht damit „die Hängepartie um den Kastenstand weiter“. Und auch für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) ist es „zum Haare raufen“. Thomas Schröder kommentiert: „Das Verfahren ist zwar noch offen, aber die Dauer und der Ablauf der Verhandlungen sind ein Offenbarungseid der Politik. Um das Tier geht es schon lange nicht mehr, sondern nur noch um die ökonomischen Interessen der Halter und mögliche finanzielle Folgen für die Länder, die ja den Vollzug zu verantworten hätten. Vom Geist des Magdeburger Urteils ist nichts mehr erhalten. Das wirft neben politischen Fragen auch ganz grundsätzliche rechtsstaatliche Fragen auf. Denn bei allem Verständnis für die Landwirte und die Vollzugsbehörden: Beide Parteien haben die 1988 erstellte und seit 1992 geltende Vorgabe der damaligen Schweinehaltungsverordnung und der 2006 in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung übernommene Vorgabe, dass Sauen ihre Gliedmaßen in Seitenlage im Kastenstand ausstrecken können müssen, jahrelang ignoriert. Man stelle sich vor, was das bei anderen Gesetzen oder Verordnungen auslösen würde. Sicher nicht die Korrektur des Rechts, wie sie mit dem Verordnungsentwurf von Julia Klöckner angestrebt wird“. Der Tierschutzbund ist „mit der Geduld am Ende“ und fordert den sofortigen Vollzug des geltenden Rechts. „Und da die Veterinäre die Ställe seit 30 Jahren unbeanstandet gelassen haben, müssen Bund und Länder gegebenenfalls eben Schadensersatz zahlen. Die Bauernmilliarde als Unterstützung zur Umsetzung der Dünge-Verordnung war haushaltstechnisch ja auch kein Problem. In der gleichen Größenordnung Geld für einen tiergerechten Umbau der Ställe zur Verfügung zu stellen sollte also hier und jetzt auch machbar sein“, so Schröder. Für die ISN ist eine Entscheidung zur Tierschutznutztierhaltungsverordnung längst überfällig. Und dazu gehört für die ISN auch eine ausreichende Übergangszeit für die notwendigen Veränderungen. „Die notwendig werdenden Investitionen sind so groß, dass sie allein über den Markt nicht gestemmt werden können. Es muss am Ende das Gesamtkonzept stimmen, um etwas für den Tierschutz zu erreichen und nicht nur die Erzeugung in andere Staaten zu verlagern, wo die Tierschutzstandards schon heute deutlich niedriger sind. Dann nämlich wäre dem Tierschutz ein Bärendienst erwiesen. Und genau das kann oder will der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes nicht verstehen. Statt sich immer dann aus der Verantwortung zu ziehen, wenn es um die Weiterentwicklung der Tierhaltung und um das Erreichen von wirklich mehr Tierschutz geht, verbleibt er bei öffentlichkeitswirksamen Floskeln“, schreibt die ISN. Die Kampagnenorganisation Campact, unterstützt von Food Watch, hat einen Online-Appell an die Grünen, die in zehn Bundesländern mitregieren und grüne AgrarministerInnen stellen, gestartet mit der Aufforderung, über den Bundesrat das „Martyrium von Millionen Muttersauen jetzt zu beenden“. Zu der Frage „Welche Alternativen gibt es?“ schreibt Campact „In vielen europäischen Ländern wie Großbritannien oder Schweden ist es schon seit Jahren Standard, Sauen ohne enge Käfige zu halten. Die Alternative: freie Buchten, in denen die Muttersauen und ihre Ferkel mehr Platz haben. Das erhöht natürlich die Anforderungen an die Haltungsbedingungen. Mit mehr Platz und einer guten Geburtenüberwachung ist die käfiglose Sauenhaltung jedoch kein Problem“ und verweist dazu auf Ausführungen des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves). In Reaktion auf den Online-Appell schreibt das Führungsduo der Grünen, Robert Habeck und Annalena Baerbock: „Das Wesen des Bundesrates ist der Kompromiss. Und genau da stehen wir gerade. Die Länder sind mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, einen Kompromiss finden zu müssen, der genug Tierschutz und eine konkrete Verbesserung der Haltung der Sauen ermöglicht. Und zwar nicht nur untereinander, sondern auch innerhalb der verschiedenen Regierungskonstellationen. Dabei geht es u.a. um folgende Aspekte, die zu klären sind:
Der BMEL-Entwurf sieht als Übergangsfrist für das Inkrafttreten der Verordnung 15-17 Jahre vor, uns Grünen ist das deutlich zu lange. Auch in kürzerer Zeit kann die gesamte Sauenhaltung auf Gruppenhaltung nach dem 5. Tag umgebaut werden. Dass das geht, hat Sachsen-Anhalt gezeigt. Bei der Fixierung im Kastenstand könnte eine Verkürzung von heute jeweils über 30 Tagen auf fünf Tage erfolgen. Danach würden die Sauen in die Gruppenhaltung gehen. Hierüber wird gerade heftig diskutiert. Und was die Umsetzung des Magdeburger Urteils angeht, so ist für uns klar: Indem die relevante Passage zum ungehinderten Ausstrecken einfach gestrichen wird, ist das Problem der Rechtswidrigkeit mitnichten gelöst. Wir favorisieren daher, dass die Passage nicht gestrichen wird. Doch vor allem die Union unterstützt die dauerhafte Streichung dieser Anforderung. Zwischen diesen Aspekten und den Interessen von 16 verschiedenen Ländern muss nun eine für den Tierschutz tragfähige Lösung gefunden werden. Genau an dieser Stelle stehen die Verhandlungen.“