Ein Bild von Landwirtschaft der Zukunft entwerfen

„Wir haben einen ganz konventionellen Ackerbaubetrieb“, sagt Tilo von Donner und stellt die Biomilch der Hamfelder Bauernmolkerei zum Kaffee auf den Tisch. Sie kauften die, weil man so was doch unterstützen müsse. Von Donner lässt sich nicht in eine Schublade stecken, mehr noch, er will mit dem Schubladendenken aufräumen. Der Holsteiner lebt mit seiner Frau und drei kleinen Kindern in den sanften Hügeln zwischen glitzernden Seen in der Nähe von Plön am Ende einer Betonspurbahn in einem klassisch großzügigen Backsteinensemble. Typisch gerade für die Osthälfte Schleswig-Holsteins sind die Knicks, Gehölzsäume um die Acker- und Grünlandflächen, ursprünglich Wind- und Wetterschutz in der oft steifen nordischen Brise, inzwischen Landschaftsbild prägendes Kulturerbe und im Bewusstsein der Menschen als Hort der bedrohten Biodiversität anerkannt. Knicks wollen gepflegt werden, das macht Tilo von Donner ebenso wie Drainagearbeiten und Grabenpflege, mit Bagger und Mitarbeiter. „Nur von den 50 Hektar Acker und den 30 Hektar Grünland könnten wir nicht leben“, sagt er. Zumal die einst über hundert Tiere zählende Gallowayherde seines Vaters in seinem Betrieb auf ein paar übrig gebliebene zusammengeschrumpft ist. Den Acker mit seiner übersichtlichen Fruchtfolge von Weizen, Mais, Roggen, Gerste, manchmal Raps („lohnt sich eigentlich nicht mehr“) oder Hafer macht ein Bewirtschafter mit, auf dem Grünland mäht von Donner Pferdefutter. „Ich hätte auch verpachten können, aber ich will doch mitbestimmen, was auf dem Land passiert“, beschreibt er seine Motivation, der Landwirtschaft treu zu bleiben. Wenn man im von Donnerschen Haus aus den Fenstern guckt, kann er in jede Richtung eine Geschichte erzählen, vom großen Hähnchenstall des Nachbarn, den er nicht wollte („jetzt verstehen wir uns aber wieder“), vom versteckten Teich hinter seiner Hofkoppel, die verpachtet wohl schon Maisacker wäre. Vom anderen Nachbarn, der immer schon einen Verwalter und jetzt eine Kooperation mit dem nahen Gutshof hat, vom Milchbauern im Dorf, mit dem er lange eine Ich-helf-dir-beim-Silo-du-mir-auf-dem-Acker-Zusammenarbeit hatte, von der erhaltenen Dorfschule, auf die seine Tochter geht … . Tilo von Donner ist ein sozialer Landmann, verwurzelt im Hier und Jetzt zwischen dem Plöner See und der Autobahn nach Kiel. Raus aus der Sackgasse Sein Blick geht aber seit ein paar Monaten verstärkt über den nächsten Knick hinaus. Als „Land schafft Verbindung“ die ersten Aktionen organisierte, verfolgte er die zunächst gespannt. „Ich fand das gut, dass sich endlich was bewegte, die Bauern auf die Trecker stiegen.“ Irgendwann machte er mit, organisierte einen Flashmob vor Ort, fuhr zum Zukunftsforum Landwirtschaft nach Rendsburg. Dort sollte es darum gehen, was auf die Agenda für die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeschobene Zukunftskommission soll. „Es wurden viele Themen angesprochen“, für von Donner geht es aber viel zu häufig um Details. „Wenn wir wirklich aus der Sackgasse rauskommen wollen, dann müssen wir heute damit anfangen, ein Bild von der Zukunft der Landwirtschaft zu entwerfen, auch im Hinblick auf den Green Deal“, sagt er. Es müsse schließlich der Spagat hinbekommen werden, weiterhin Grundnahrungsmittel für die ganze Bevölkerung zu produzieren und gleichzeitig deren gestiegenen Ansprüchen und den existierenden Herausforderungen im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz, Biodiversität, Grundwasser, Tierschutz gerecht zu werden. Daran müsse auch die Gesellschaft ihren finanziellen Anteil tragen. Die Landwirtschaft habe sich ja nicht aus sich heraus so entwickelt, sondern sei von der Politik über Jahrzehnte in eine Richtung geschoben worden. „Wenn es jetzt um die nötige Neuausrichtung geht, kann sich auch die Politik nicht aus der Verantwortung ziehen.“ Eigentlich hält er die Idee der Zukunftskommission, alle an einen Tisch zu holen und Zielvorstellungen zu entwickeln, für richtig, zweifelt aber daran, dass beim Bauernverband die Organisation in den richtigen, vorantreibenden Händen liegt. Nicht dagegen Auf jenem Zukunftsforum in Rendsburg wurde damals auch verkündet, dass „Land schafft Verbindung“ zu einer Gegendemonstration von „Wir haben es satt“ nach Berlin mobilisiert. „Das war mir fremd“, erinnert sich von Donner an seinen Ärger darüber. Als er dann auch noch hörte, dass es von „Wir haben es satt“ eine Einladung an „Land schafft Verbindung“ gab, auf der Demo zu sprechen, setzte er alles daran, dass es dazu kam. „Am Ende fiel die Entscheidung knapp dafür aus“, von Donner fuhr nach Berlin. Die gute Stimmung und das Gemeinsame der Bauern mit der Zivilgesellschaft beeindruckten ihn „und der Spruch ‚Essen ist politisch‘ trifft das Problem im Kern“. Seine Rede kam gut an, auf der Demo, aber auch durchaus bei Kritikern des Unterfangens bei „Land schafft Verbindung“. „Jetzt muss es aber weitergehen“, sagt von Donner, nur den Dialog aufzunehmen, reiche ihm nicht. Obwohl er auch sieht, dass das vielleicht für manchen unter den Bauern schon ein ganz schön großer Schritt ist. Die Bandbreite der Bewegung sei bei „Land schafft Verbindung“ riesig und dementsprechend unterschiedlich auch die Bereitschaft zu Veränderung. Selber Verantwortung Für Tilo von Donner ist klar, dass es die braucht und immer wieder geben wird. „Über die aktuelle Düngeverordnung brauchen wir eigentlich nicht mehr zu reden, obwohl ich verschiedene Detailaspekte daran auch falsch finde, zum Beispiel Zwischenfrüchte nicht andüngen zu dürfen.“ Vielmehr müsse man sich jetzt darüber Gedanken machen, wie sich die nächsten Schritte im Hinblick auf die Nitratproblematik so gestalten ließen, dass sie wirkungsvoll seien und auch praktisch landwirtschaftlich Sinn machten. Auflagen für mehr Insektenschutz müssten finanziell flankiert werden, auch jenseits der Ökoprämien, die GAP entsprechend genutzt werden. Damit erntet er bei „Land schafft Verbindung“ nicht nur Zustimmung. „Aber soll ich nur zu Hause auf dem Sofa sitzen und meiner Frau was vorschimpfen?“, fragt er rhetorisch. Er hat sich längst dagegen entschieden und will vor allem weg vom Schimpfen. „Wir müssen doch mit dem Dagegen aufhören und positiv was nach vorne entwickeln“, sage er allen, die es hören und nicht hören wollten. Seine Hartnäckigkeit bringt ihn inzwischen auch mit Politkern ins Gespräch. Und als hätte er in letzter Zeit nicht genug zu tun, will er auch in den heimischen Hügeln wieder mehr machen. „Mein Vater hat das damals gerichtlich durchgefochten, als einziger Galloway-Halter in Deutschland seine englischen Zuchtrinder nicht wegen BSE schlachten zu müssen, vielleicht fang ich jetzt mit einer direkten Vermarktung wieder was mit ihnen an.“ Denn neben allen großen Ansprüchen an Politik und Gesellschaft sieht von Donner zudem: „Es trägt auch jeder selber Verantwortung.“