Umstrittenes Steuern mit Steuern

Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) hat eine Sondersteuer auf Fleischprodukte gefordert. Damit soll eine bessere Tierhaltung finanziert werden, da ansonsten die Landwirte auf den Mehrkosten etwa für tiergerechtere Ställe sitzen blieben, sagte Otte-Kinast der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). An der Ladenkasse werde der Verbraucher freiwillig nicht mehr bezahlen. „Da brauchen wir gar nicht drauf zu setzen.“ Deswegen werde das von der Bundesregierung geplante freiwillige Tierwohllabel auch keinen Durchbruch bringen. „Wir brauchen vermutlich eine Sondersteuer.“ Dem widersprach Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Für sie muss das Geld für den Umbau der Tierhaltung „nicht automatisch aus zusätzlichen Steuern oder Steuererhöhungen kommen.“ Für Klöckner spielt das staatliche Tierwohlkennzeichen für den Umbau „eine große Rolle“. Es mache Produkte, die nachprüfbar und kontrolliert für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung stünden, für die Verbraucher auf den ersten Blick erkennbar. „Das erklärt ihnen auch, warum sie mehr kosten,“ so Klöckner, die „einen Mix aus staatlichen Förderinstrumenten und einer Verbraucherbeteiligung an den Kosten, wie dem Tierwohlkennzeichen“ favorisiert. Agrarpolitiker von Grünen, SPD und CDU schlagen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bei Fleisch von derzeit sieben auf 19 Prozent vor. Dem Widersprach beispielsweise der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, und in der NOZ auch Otte-Kinast, die dabei wie auch das Bundesfinanzministerium darauf hinwies, dass bei Steuern eine Zweckbindung von Mehreinnahmen etwa für den Tierschutz nicht möglich sei. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace plädiert ebenfalls für ein „Ende der Steuervergünstigung von Fleisch- und Milchprodukten“, indem die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent erhöht wird. Das würde die Nachfrage laut Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace um elf Prozent verringern und zugleich Mehreinnahmen von 3,6 Milliarden Euro bringen. Keine Steuer, „sondern eine zweckgebundene Fleischabgabe oder einen Verzehrsoli, der auch Milch und Eier einschließt“, schlägt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, in der aktuellen Ausgabe des Naturkostmagazins Schrot & Korn vor, um so „den dringend nötigen Umbau der Tierhaltung zu finanzieren“. Anders als eine Steuer, die einfach in den Bundeshaushalt fließt, könnte eine Abgabe direkt in einen Fördertopf für bessere Ställe und ein Mehr an Tierschutz in der Landwirtschaft gehen. „Das Ganze muss mit einer Anpassung des Ordnungsrechts einhergehen, einem Kurswechsel in der Förderpolitik der EU – und auch mit einer Senkung von Fleischkonsum und -produktion“, so Schröder. Ein „Ja“ zu Steuern sagt in dem Naturkostmagazin Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), „aber nicht pauschal“. Grundsätzlich sei es „sinnvoll, mit Steuern zu steuern“. Denn was Umwelt, Klima und Tieren schadet, verursache Kosten und diese fänden sich aktuell nicht im Preis wieder. „Wenn der Staat durch Steuern solche Kosten ausgleicht, hat er zugleich die Mittel, diejenigen zu unterstützen, deren Preise die ökologische Wahrheit sprechen“. Man müsse nur bei der Ausgestaltung gut aufpassen, dass man nicht das Gegenteil dessen erreiche, was man beabsichtigt: „Denn wenn man zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Fleisch pauschal erhöht, steigt besonders der Preis von teurem Fleisch. Damit wird die Nachfrage auf Produkte mit niedrigem Preis gelenkt, die unter den schwächsten Standards hergestellt werden“. Der BÖLW-Vorsitzende hält daher „eine sehr viel grundsätzlichere Diskussion“ für erforderlich. „Wie können wir unser gesamtes Steuer- und Abgabensystem so umgestalten, dass Kosten internalisiert werden? Wie können wir nachhaltige Produktion günstiger machen, sodass nicht nachhaltige Produktion unattraktiv wird? Es geht also um differenzierte Mehrwertsteuer-Sätze für Fleisch oder Antriebssysteme. Oder um Steuern für CO₂, um Abgaben auf Pestizide und um die Frage, wie der Ertrag daraus sozialverträglich an die Menschen zurückgegeben werden kann. Diese Debatte können wir beim Fleisch beginnen – es geht aber um mehr: ums Ganze“, so Löwenstein.