EU-Agrarreform entscheidet sich in nationaler Umsetzung

Deutschland muss sich entscheiden. Erhebliche Verantwortung auch bei Direktzahlungen

Noch vor dem für Ende Juni angepeilten Abschluss der Verhandlungen der Gesandten von EU-Parlament, EU-Agrarministerrat und EU-Kommission ist klar, dass sich die konkrete Ausgestaltung der EU-Agrarreform in wichtigen Bereichen auf nationaler Ebene entscheiden wird. Das betrifft nicht nur – wie gewohnt – die 2.  Säule der Ländlichen Entwicklung, also die Frage, ob Geld und wie viel für welche Agrarumweltmaßnahmen, Ökolandbau, Stallbauten, Wegebau und anderes eingesetzt werden soll. Auch bei den Direktzahlungen gibt es umfangreiche Gestaltungs-Möglichkeiten für die Mitgliedstaaten, und zwar sowohl bei der Bemessung der Zahlungen für verschiedene Betriebe bzw. unterschiedlich strukturierte Betriebe als auch beim Greening (siehe Bauernstimme 4/2013). Mehr für die ersten Hektar Die Mitgliedstaaten können eine Summe von bis zu 30 Prozent aus dem Topf für Direktzahlungen nehmen und diese Summe auf die ersten Hektar umlegen. Sie können selbst entscheiden, ob sie die Summe auf die ersten 20 Hektar legen, wie der AbL-Bundesvorstand gefordert hat, oder auf 30 oder bis zu 50 Hektar. Für Deutschland stellt die EU ab 2014 gut 5 Milliarden Euro pro Jahr bereit, so dass 30 Prozent einer Summe von 1,5 Milliarden Euro entspricht, die umverteilt werden kann. Werden die ersten 50 Hektar aufgewertet, ergibt die Rechnung, dass sich für die ersten 50 Hektar die Zahlung effektiv um gut 90 Euro erhöht. Betriebe mit 100 Hektar blieben auf „alter“ Höhe, größere Betriebe verlieren dagegen. Wird die Grenze nicht bei 50, sondern bei 20 Hektar gezogen, ließe sich der Aufschlag unten noch erheblich erhöhen. Abstaffelung oben. Auch die Abstaffelung und Kappung (Obergrenze) bei sehr hohen Prämienbeträgen je Betrieb wird wohl in die Verantwortung der Mitgliedstaaten gelegt. Wie groß dabei der Spielraum für die nationale Ebene zur konkreten Ausgestaltung sein wird, das steht noch nicht fest – ist noch Gegenstand der Brüsseler Verhandlungen. Aber geben wird es die Möglichkeit einer Staffelung oben. Auf der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern am 12. April im bayerischen Berchtesgaden haben sich die Agrarministerinnen und -minister auf folgende Formulierung verständigt, die den Aufschlag unten und die Kappung oben offenbar in einen Zusammenhang stellen soll: Die Ministerinnen „halten einen bundeseinheitlichen Zuschlag für die ersten Hektare für geboten sowie einen Verzicht auf Kappung und Degression“. Während also die genaue Ausgestaltung des Zuschlags für die ersten Hektar noch unklar ist, haben sich die Minister auf eine Ablehnung von Kappung und Degression (mit Arbeitsbezug) wieder einmal weitgehend geeinigt. Für den Aufschlag unten hatten sich im Vorfeld der Konferenz u.a. Bayerns Agrarminister Helmut Brunner und der Niedersachse Christan Meyer ausgesprochen. Gegen die Kappung sind wie gewohnt alle Ost-Minister, egal welcher Parteizugehörigkeit. Ausgleich für 2. Säule Ein weiterer Punkt hat in den ministeriellen Beratungen von Berchtesgaden für viel Streit und Diskussion gesorgt. Die EU-Agrarreform ermöglicht den Mitgliedstaaten, bis zu 15 Prozent der Direktzahlungssumme zu verwenden, um die 2. Säule (Ländliche Entwicklung) finanziell zu stärken. Würde man das voll ausschöpfen, würde sich in einigen Bundesländern eine Verdoppelung der heutigen Finanzausstattung dieser 2. Säule ergeben. Und da die so umgeschichteten EU-Mittel nicht durch Landesmittel kofinanziert werden müssten, ist diese Umschichtung auch für die Landesfinanzminister sehr interessant. Alle Grünen-Minister und der SPD-Agrarier Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern wollen, dass Deutschland diese Umschichtung vollzieht. Der Deutsche Bauernverband ist strikt dagegen sowie Bundesministerin Aigner, der Bayer Brunner und auch der Brandenburger Minister von der SPD. In der Agrarministerkonferenz gab es keine Einigung zu diesem Punkt, nur ein Prüfauftrag an eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde beschlossen. Bundesweite Angleichung? Auf der Tagesordnug steht der höchstrichterliche Auftrag aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die unterschiedlichen Zahlungsniveaus der verschiedenen Prämienregionen bzw. Bundesländer im Zuge dieser Reform aufzuheben. Insbesondere Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen drängen darauf, denn hier liegt die Höhe der Zahlungsansprüche deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Gegen eine schnelle Angleichung sind auf der anderen Seite die Minister aus den Ländern, die über dem Durchschnitt liegen. Wer hätte das gedacht... Es scheint vor den Wahlen keine Einigungen mehr zu diesen Punkten zu geben. Erst einmal wird gerechnet und abgewogen, welche Maßnahme welche Auswirkung auf die Finanzverteilungen auf die 16 Bundesländer haben wird. Greening noch offen Keine konkreten Beschlüsse gibt es auch zur Umsetzung des Greenings. Das liegt vor allem daran, dass noch nicht klar ist, auf was genau sich in Brüssel Parlament, Agrarrat und Kommission einigen werden. Absehbar ist, dass es vor allem bei den Vorgaben zum Erhalt des Dauergrünlands und zum Nachweis ökologischer Vorrangflächen viel nationalen Spielraum geben wird. Bei letzterem wird vor allem die Frage zu beantworten sein, welche (Agrarumwelt-)Maßnahmen als „Flächennutzung im Umweltinteresse“ anerkannt werden und ob es eine ökologische Gewichtung bei einzelnen Maßnahmen geben wird. Bei der Fruchtartenvielfalt wird wohl mehr von Brüssel direkt vorgegeben. Diese EU-Agrarreform ist noch lange nicht abgeschlossen. Die letzten Beschlüsse werden erst 2014 fallen, so dass nicht nur Unsicherheiten fortbestehen, sondern auch Einflussmöglichkeiten in alle Richtungen.
10.05.2013
Von: unabhängige Bauernstimme, uj