Bäuerlicher Protest

„Wir Bauern kriegen nicht den Hintern hoch und wehren uns nicht.“ Oft habe ich das auf Veranstaltungen gehört. Jetzt haben sie sich gewehrt. Zehntausende waren mit und ohne Trecker an vielen Orten unterwegs, allein hier in Bonn 10.000 mit 1.600 Treckern. Sie haben den 22.Oktober 2019 zu einem bemerkenswerten Protesttag gemacht. Beflügelt von großen Aktionen in den Niederlanden und in Frankreich, hat eine kleine Gruppe von Aktiven über die sozialen Netzwerke zu Protesten in vielen Städten aufgerufen. Die Botschaft verbreitete sich in Windeseile: Rausgehen. Den berechtigten Respekt für bäuerliche Arbeit nicht nur am Computer, sondern auf der Straße einfordern. Die Stimmung auf vielen Höfen ist sehr angespannt. Wut, Ratlosigkeit und Nachdenklichkeit. Wunsch nach Wertschätzung und mit den Bauern reden. Stürmische Zeiten? Vor fünf Wochen blockierten AbL und BDM den größten Futtermittelimporthafen Deutschlands in Brake/Unterweser. Wir haben für faire Preise, Klimaschutz und gegen das geplante EU-Mercosur-Freihandelsabkommen demonstriert. Der BDM führte in Mainz anlässlich der Bund-Länder-Agrarministerkonferenz eine Milch-Protestkundgebung durch. Meine Landwirtschaft bringt Bäuerinnen und Bauern zusammen mit gesellschaftlichen Gruppen auf die Straße bei Demonstrationen in Dresden, Mainz, Erfurt und Straßburg. Die Proteste fallen nicht vom Himmel. Viel zu lange haben sich die Agrarminister/innen der letzten Jahrzehnte um notwendige Veränderungen herumgedrückt. Damit kommen sie nicht mehr durch. Die Spitze des Deutschen Bauernverbandes macht, was sie immer macht, wenn es Unruhe gibt. Sie versucht, die Protestbewegung einzufangen und zu vereinnahmen. Die mit rechtsradikalen Kräften durchsetzte AfD verspricht auch schon Unterstützung. Es wird versucht, die Bewegung in politische Ecken zu stellen. Das ist nicht die Sache der AbL. Unsere Position haben wir frühzeitig benannt: „Veränderungen sind notwendig, müssen für uns Bauern aber auch umsetzbar sein und bezahlt werden.“ Die AbL hat im Vorfeld zusammen mit dem BUND, Greenpeace und Brot für die Welt die Einberufung einer Landwirtschaftskommission gefordert. Ministerin Klöckner reagiert darauf und regt ein nationales Dialogforum in Form einer „Roadshow“ vor Ort an. Es geht uns nicht um Show, Frau Ministerin. Die Lage ist viel zu ernst. Es geht um klare Handlungsaufträge: Ein breiter Konsens für eine Nutztierstrategie, ein Konzept für eine sozial gerechte und gesellschaftlich akzeptierte EU-Agrarreform, eine Strategie zum klimaschonenden Ackerbau, zum internationalen Agrarhandel und die Finanzierung der notwendigen Veränderungen sind die Aufgaben der Kommission. Ist ein Konsens Wunschdenken? Wenn man stundenlang auf dem Trecker sitzt, heimkehrt, die Knochen sortiert, kommt die Frage: Was tun? An Ratschlägen fehlt es nicht. Weiter grüne Kreuze aufstellen? Radikaler werden? Lieber auf die DBV-Spitze setzen und auf Weiter so? Den Unmut auf NGOs abladen, die die Landwirtschaft angeblich für alles Schlechte in dieser Welt verantwortlich machen? Die AbL ist dafür, uns alle in die Verantwortung zu nehmen: Bäuerinnen und Bauern, Umwelt- und Tierschützer, Lebensmitteleinzelhandel, Molkereien, Schlachtunternehmen und die Politik. Alle müssen an einen Tisch, um die verhärteten Fronten zwischen Landwirtschaft, Gesellschaft und Politik aufzubrechen. Aufeinander zuzugehen und für die Zukunft zu streiten, ist eine wichtige Aufgabe. Es bleibt spannend. Wir bleiben dran.
29.10.2019
Von: Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL