Trockenheit führt zu Fichtensterben

Es geht um Produktionsflächen für Holz oder natürliche CO2-Speicher. Es geht um Klimawandel, Borkenkäfer und sterbende Wälder. In erster Linie geht es aber um einen Waldumbau – weg von einseitig auf Ertrag ausgerichteten Monokulturen, vor allem von Fichten. Ökologisch sind diese meist dunklen, extrem artenarmen Bestände noch nie besonders schützenswert gewesen. Aber das heranwachsende Fichtenholz ist, wenn die Bäume ihre Erntereife erreichen, ein begehrter Rohstoff in der Bauindustrie. Bauen mit Holz, das bedeutet, sieht man von der Möbelproduktion ab, in den meisten Fällen Bauen mit Fichte. Dass der Wald neben dem Erholungs- vor allem auch ein Wirtschaftsraum ist, macht man sich nicht immer bewusst. Hier wird produziert. Nicht in Minuten, wie am Fließband, nicht für das kommende Jahr, wie in der Landwirtschaft. Der Produktionszeitraum erstreckt sich über mehrere Generationen. Ganz unabhängig davon, ob der Wald im öffentlichen oder privaten Besitz ist, nie ist die „pflanzende“ Generation auch die, die erntet. Dass der für Mitteleuropa in den Klimaszenarien prognostizierte Temperaturanstieg für den Wald, wie er aktuell besteht, Probleme bereitet, das ist innerhalb von Forstkreisen lange bekannt und schlägt sich in teilweise bis auf einzelne Waldgebiete heruntergebrochenen Waldentwicklungsplänen nieder. Immer mit der Grundausrichtung, die Fichtenanteile deutlich zu Gunsten von Laubbäumen zu reduzieren, weniger Monokultur und mehr Mischwald. Die niedersächsischen Landesforsten beispielsweise haben schon vor 25 Jahren damit begonnen, den Waldumbau anzustoßen, und schreiben die Waldbaupläne immer weiter fort, um sie den aktuellen Entwicklungen anzupassen. In der letzten Aktualisierung von 2017 geht das Papier zur klimaangepassten Baumartenwahl von einer durchschnittlichen Temperaturerhöhung in Niedersachsen um 3,5 Grad im Zeitraum von 1960 bis 2070 aus. Gleichzeit wird eine Reduktion der Niederschläge um 35 mm angenommen. Höhere Temperaturen und ein geringerer Niederschlag, insbesondere in der Vegetationsperiode, führen bei vielen Waldbäumen zu Trockenstress. Dieser beschreibt einen Zustand, in dem der Niederschlag geringer ist als die mögliche Verdunstung des Baums. Im Vergleich mit Buche und Tanne schneidet die Fichte hierbei deutlich schlechter ab. Deutlich besser mit Trockenstress zurecht kommen Eiche und Douglasie, gefolgt von der Kiefer. Der Borkenkäfer Ein vierzigjähriges Planungsfenster versuchen die Wissenschaftler und Förster mit ihrem Umbauplan hin zu einer klimaangepassten Baumartenentwicklung zu beschreiben. Nicht einkalkuliert hatten sie den Borkenkäfer. Vor allem die Fichten sind auch aufgrund ihrer besonderen Trockenstressanfälligkeit, in Folge der Trockenheit des vergangenen Jahres, nur geringer Niederschlagmengen im Winter und erneuter Trockenheit in der aktuellen Wachstumsperiode, stark angegriffen. Natürlicherweise würde sich ein vitaler Baum gegen den Versuch eines Borkenkäfers, sich in die Rinde einzubohren, mit einer verstärkten Harzproduktion wehren. Hierfür fehlt vielen Fichten allerdings das Wasser und die Vitalität. Die Folge sind großflächig abgestorbene Fichtenwälder. Schlimmer als Kyrill Spricht man mit Forstunternehmern in den von massivem, großflächigem Fichtensterben betroffenen Regionen, wird einem schnell die langfristige Dramatik der Entwicklungen bewusst. Michel Alterauge, der selbst Waldbauer ist und in Drolshagen im Regierungsbezirk Arnsberg ein Forstunternehmen betreibt, schildert die dramatischen Entwicklungen. „Aktuell haben wir so viel zu tun, dass wir nicht hinterherkommen. Aber wenn es so weitergeht, dann gibt es hier in zwei Jahren keinen Wald mehr.“ Alterauge, der 13 Angestellte hat, sieht durch das Waldsterben seine zukünftige Existenz bedroht. „Es wird hier auch in Zukunft Arbeit im dann neu zu pflanzenden und zu pflegenden Wald geben. Aber wer kann schon einen Tag lang junge Bäumchen pflanzen oder mit dem Freischneider die Brombeeren abmähen“, beschreibt er die sich ändernden Arbeiten. Aus Sicht des Praktikers sind aber aktuell noch ganz andere Probleme vorherrschend. „Die vom Borkenkäfer befallenen Bestände, die wir in diesem Jahr nicht abarbeiten können, werden, aufgrund der morschen Stämme, im kommenden Jahr zu einer großen Gefahr bei der Holzernte, weil ein Stamm viele andere mitreißen kann“, so Alterauge. Aufforsten „Wir lassen den Wald nicht sterben“, hat man wohl in den Pressestellen der Länder gedacht und die Ministerpräsidenten im Anzug mit Handschuhen und Spaten in den Wald zum Bäumepflanzen geschickt. „Wir tun was!“ sollte offenbar die Botschaft dieses Aktionismus sein. Dabei ist gar nicht klar, wie ein Ausweg überhaupt aussehen kann. Noch 2016 hat der Wissenschaftliche Beirat zur besseren CO2-Speicherung eine Erhöhung des Nadelbaumanteils kombiniert mit einer verstärkten Nutzung von Holzprodukten auch im Bausektor empfohlen. Aktuell will man den Anteil der weit verbreiteten Fichte massiv reduzieren. Jetzt schnell in einen zum Teil bis in über einen Meter Tiefe staubtrockenen Boden Bäumchen zu setzen, ist jedenfalls wenig zukunftsweisend. Und selbst wenn Regen die Wassersituation entspannen sollte, so Alterauge, ist das benötigte Pflanzgut gar nicht verfügbar. 10.000 Setzlinge würde man normalerweise pro Hektar kalkulieren. Vielleicht könnte man, so seine Überlegungen, aber mit einem Viertel auskommen, wenn man truppweise pflanzt. So gäbe es intensiv gepflegte Räume neben solchen, in denen einen natürliche Entwicklung stattfinden könnte, und das knappe Pflanzgut würde für mehr Fläche reichen. Klimaschutz durch Wald und Holz Doch bevor man aufforstet, muss das Holz von der Fläche. Ließe man es liegen, störte es zum einen bei der weiteren Bewirtschaftung, vor allem aber würde in Folge der Verrottung das gespeicherte CO2 freigesetzt. Da aktuell aber auch die Aufnahme am Markt begrenzt ist viel Holz geht nach China könnte es sich empfehlen, über eine thermische Verwertung nachzudenken. Auch dann würde das CO2 freigesetzt, könnte aber, soweit die technischen Voraussetzungen geschaffen wären, beim Einsatz in Kohlekraftwerken Braunkohle ersetzen. Die Waldbesitzer unterstützen Großes Angebot, schlechte Preise und das Sterben vieler Bestände vor ihrem Nutzungsalter sind für viele Waldbauern ein finanzielles Desaster. Einen Bestand neu zu begründen und in Kultur zu bringen, kostet zwischen 8.000 und 10.000 Euro/ha. Vor dem Hintergrund der Klimarelevanz des Waldes als CO2-Speicher wäre hier eine aktive Förderung wünschenswert. Wie genau dies aussehen kann und vor allem welche Bäume angepflanzt werden sollten, das gilt es jetzt aufgrund der aktuellen Erfahrungen und der Klimaprognosen zu erarbeiten.
04.10.2019
Von: mn