Bäume, Forst und Wald – Klimawandel im Brennglas

Die sommerliche Radtour von Norddeich Richtung Münster führte uns durch das als Hochburg der Tierhaltung bekannte Emsland – überall trockene Eichen oder Birken. Auch eine Auto- oder Bahnfahrt aus dem Sauerland Richtung Kassel, Bergisches Land oder Richtung Frankfurt ist nicht nur frustrierend aufgrund des immer stärker werdenden Verkehrs, sondern als Waldbesitzer auch wegen des überall sichtbaren Baum- und Waldsterbens: Trockene Kronen, braune Nadelholzbestände, wohin das Auge blickt. Das Sterben der Bäume Deutschland- und europaweit das gleiche Bild, überall rattern die Motorsägen und Waldbesitzer*innen kämpfen um ihre Existenz. Dutzende Millionen Festmeter Käferholz sind auf den Märkten, die Sägewerke voll, die Holzabfuhr stockt, der Preis ist um 60 % gefallen. Aber nicht nur die Nadelhölzer sind betroffen: Der Eichenprozessionsspinner sorgt deutschlandweit für Aufsehen, die Eschen sind sowieso schon länger auf dem Rückzug und die sogenannte Rußrindenkrankheit trifft die Ahornbestände. Auch den Bäumen in der Stadt ist nun die Trockenheit anzusehen – immer mehr trockene und abgestorbene Äste erscheinen, das Laub ist schon Mitte August braun und die Verkehrssicherungspflicht der Kommunen und Waldbesitzer*innen führt zu immer mehr Fällungen von z. T. auch sehr alten und stadtteilprägenden Bäumen.
Mittlerweile haben auch die Medien und die Politik das Thema aufgegriffen, kaum ein Tag vergeht, ohne dass berichtet wird. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat für Ende August zu einem Verbändegespräch und für Ende September zum Nationalen Waldgipfel geladen. Auf diesem Gipfel „der Ergebnisse und Taten“ sollen Maßnahmen für den Waldumbau, für die Räumung der Wälder von Kalamitätsholz und für die Wiederaufforstung beschlossen werden. Im Raum steht eine Milliarde Euro zur Rettung des Waldes. Vor allem die Wiederaufforstung ist in den Zeiten des Klimawandels für die Politik zentral, bindet doch jeder wachsende Baum CO2 und sorgt somit als Klimasenke dafür, dass Deutschland gegebenenfalls seine CO2-Ziele erreicht. In diesem Sinn ist auch der Vorschlag Schleswig-Holsteins zu verstehen, am 3. Oktober durch jede/n Bundesbürger*in einen Baum pflanzen zu lassen. 82 Millionen Bäume wären nicht schlecht, aber die CO2 Bindung ist doch in den ersten Jahren vernachlässigbar – und wenn es nicht regnet, wird der Großteil der Bäume erst gar nicht anwachsen. Auch in NRW lässt sich die Landesregierung mit dem Waldbesitzerverband in käfergeschädigten Fichtenforsten ablichten, verspricht Millionen Euro an Hilfe für die Waldbesitzenden und Ministerpräsident Laschet bezeichnet den Wald als „unseren wichtigsten Klimaschützer“. Aber gleichzeitig ändert diese Landesregierung den Landesentwicklungsplan und baut dort eine Totalbremse für Windkraft ein, schafft Möglichkeiten für erhöhten Flächenverbrauch, will den Kiesabbau und somit das Abbaggern von Landschaft steigern, steht beim Kohleausstieg auf der Bremse, etc., etc. Seitens der Parteien und Verbände gibt es wöchentlich Verlautbarungen zum Thema, nach jahrelangem Schweigen im Walde. Die SPD forderte eine Holzbauoffensive und einen Teil der GAP-Gelder in den Wald umzulenken und dies im Rahmen der derzeit laufenden GAP-Verhandlungen direkt anzupacken. Landesforstanstalten überlegen, ob die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden könnte, um die Schäden im Wald zu beseitigen. Der Bund Deutscher Forstleute ruft den Klimanotstand für den Wald aus und fordert 1.000 neue Forstleute allein für NRW. Naturschutzverbände sprechen vom Waldsterben 2.0 und fordern, nur Waldbesitzer*innen zu unterstützen, die ihre Wälder zu naturnahen Laubholzmischwäldern umbauen wollen. Die FDP will alles dem freien Spiel des Marktes überlassen, die Grünen fordern den ökologischen Waldumbau und mehr Naturschutzflächen im Wald. Grundlegender Umbau Beruhigend ist, dass sich auch kritische Wald- und Forstexpert*innen zu Wort gemeldet haben. In einem Schreiben an Julia Klöckner weisen sie darauf hin, dass zum einen die Waldpolitik, zum anderen das Handeln vieler Waldbesitzer*innen der vergangenen Jahrzehnte auch ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die monokulturellen Forste instabil sind, schnell austrocknen, und den klimatischen Veränderungen wenig entgegenzusetzen haben. Auch machen sie deutlich, dass schnelles Wiederaufforsten, gegebenenfalls auch mit nicht heimischen Baumarten (von denen sie prinzipiell wenig bis nichts halten), nichts bringt, wenn sich die Wasserspeicher des Bodens vorab nicht wieder gefüllt haben. Und dafür ist es auch notwendig, Totholz auf den Flächen zu lassen, eine eigenständige Sukzession zuzulassen, die das Bodenmikroklima verbessert und der kommenden Waldgeneration eine Chance gibt. Der Wald dürfe nicht mehr als „Holzfabrik“ gesehen werden, sondern es müsse ein „Management“ geben, das „den Wald als Ökosystem behandelt“. Noch wichtiger ist ihnen aber, dass nun konsequent der Klimawandel angegangen wird.Und wie sieht es an der (wald)bäuerlichen Basis aus? Frustriert sind die meisten, die Wald haben. Viele versuchen, die geschädigten Bäume aus dem Wald zu entfernen, kommen aber nicht hinterher – und zusätzlich dauert der Abtransport lange und das wenige Geld lässt z. T auf sich warten. Ratlosigkeit macht sich breit – und hinzu kommen hier in NRW noch die Umstellung der Holzvermarktung zum 1. Juli 2019 und die anstehenden Veränderungen in der Förderpraxis der forstlichen Unterstützung, von einer indirekten zu einer direkten Förderung. Auch das ist zäh, mit viel Arbeit, Kosten und Mühen verbunden und tritt mehr oder weniger auf der Stelle. Wald extensivieren Wichtig für die zukünftige Waldbewirtschaftung und auch für den Erhalt der Forstbetriebe sind kurzfristig zweierlei. Es müssen den privaten und auch den kommunalen Waldbesitzer*innen Anreize gegeben werden, Holznutzung zu reduzieren, Vorräte zu erhöhen und sie müssen für die Gemeinwohlfunktionen des Waldes honoriert werden. Denn die Quadratur des Kreises, alle Funktionen des Waldes über den Holzverkauf zu finanzieren, ist nicht möglich. Und zweitens müssen die überhöhten Wildbestände angegangen werden. Hier sind auch explizit die Waldbesitzer*innen aufgefordert, den Konflikt mit den Jagdpächtern und der besitzstandswahrenden Politik zu führen. Auch wenn dadurch die Arbeitsbelastung weiter steigt. Und dann vielleicht einfach mal abwarten: nicht oder nur wenig anpflanzen, abgestorbenes Holz auf der Fläche lassen … und Fridays for Future unterstützen.
09.09.2019
Von: Gregor Kaiser, AbL-NRW