Schön gerechnet und allein gelassen

Existenzbedrohend, so der Deutsche Bauernverband, sei die in den Nachbesserungen zur neuen Düngeverordnung (DüV) 2017 getroffene Regelung zu einem 20-prozentigen Abschlag in den roten Gebieten. Hintergrund waren die Nachforderungen der EU-Kommission, die in der DüV 2017 keine ausreichende Umsetzung sah, um vor allem in den roten Gebieten eine Verbesserung der Grundwasserqualität zu erreichen. Man „verlasse aber das Grundprinzip der Bedarfsdeckung landwirtschaftlicher Kulturen mit Nährstoffen“, so der Präsident des DBV, Joachim Rukwied, und drückte damit vorsichtig aus, was manch anderer als das bewusste Verhungernlassen von Pflanzen bezeichnete. Wie falsch diese Argumentation ist, hat Onno Poppinga in der Maiausgabe dieser Zeitung detailliert anhand von langjährigen Untersuchungen verschiedener landwirtschaftlicher Forschungs- und Untersuchungsanstalten aufgezeigt: „Eine Verminderung der N-Düngung um 10 bzw. 20 Prozent war in diesen Langfristversuchen praktisch ohne Auswirkungen auf den Ertrag.“ Bei einer Minderung der N-Düngung um 40 Prozent gebe es zwar Ertragsrückgänge um im Durchschnitt 11 Prozent, das ökonomische Ergebnis jedoch vermindere sich nur minimal. Geschickte Korrektur Als Grundlage jeder Düngung werden die prognostizierten, von den Landwirten erhofften, Erträge und die sich daraus ergebenden Bedarfswerte der Pflanze zugrunde gelegt. In einem Gutachten für den Bundesverband Energie und Wasserwirtschaft zeigt Prof. Dr. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität Kiel, dass genau diese Bedarfswerte im Rahmen der DüV 2017 deutlich höher angesetzt wurden, nämlich um 10 bis 50 kg N/ha, als es beispielsweise die Landwirtschaftkammern in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen tun. Hinzu komme, dass gegenüber der Düngeverordnung 2007 die Düngewirkungen von Vor- und Zwischenfrüchten mit deutlichen Abschlägen von im Schnitt 20 kg N/ha neu festgelegt worden seien. Wenig verwunderlich ist es in der Folge, wenn Taube anhand der Flächenbilanz-N-Salden in den einzelnen Landkreisen Schleswig-Holsteins anschaulich darstellt, wie sich die Situation aufgrund der „Korrektur“ der Werte aus dem Jahr 2010 durch in der neuen DüV scheinbar verbessert und die neuen Salden um 10 bis 26 kg N/ha niedriger liegen. Mehr Dünger, bessere Werte Ginge man davon aus, dass die landwirtschaftlichen Betriebe bis an die von den Kammern bzw. in der DüV vorgegebenen Bedarfswerte düngen, so brächte die DüV 2017 keine Verbesserung, sondern ermöglichte ein Mehr an Düngung. Ein Abschlag von 20 Prozent in den roten Gebieten würde vor allem diese zusätzlich möglichen Stickstoffgaben betreffen. Neben den Auswirkungen auf den Ertrag verursachen geringere Stickstoffgaben, zumindest in den Intensivregionen, aber zusätzliche Kosten, da ohne eine flächengebundene Tierhaltung der organische Dünger, in der Regel Gülle, de facto ein Entsorgungsprodukt ist und Kosten verursacht. Dass die durch die neue DüV gestiegenen Ausbringmengen jetzt, zumindest in den roten Gebieten, wieder nach unten korrigiert werden, muss all die Lobbyisten schmerzen, die sich im Vorfeld für gesteigerte Bedarfswerte eingesetzt haben. Für Betriebe in den betroffenen Regionen, die mit ihrem Aufkommen an organischem Dünger an der Grenze bzw. darüber liegen, kosten die 20 Prozent Abschlag Geld und wirken sich direkt auf die Pachtpreise für „Entsorgungs“-Land aus. In Damme bei Vechta werden schon Preise von 2.000 Euro/ha gezahlt. Wer seine Gülle per Spedition entsorgen lässt, zahlt im Raum Bielefeld 20 Euro pro Kubikmeter. Circa ein halber Kubikmeter fällt pro Mastschwein an. Aktiver Umbau Ganz offensichtlich sind es nicht die verminderten Ernteerträge aufgrund reduzierter Düngung, die für die Landwirte existenzbedrohend werden können, sondern viel eher der wenig kalkulierbare Umgang mit den bei Mastbetrieben anfallenden Güllemengen, die nicht betriebseigen verwertet werden können. Die Idee des Bundeslandwirtschaftsministeriums, diese in Ackerbauregionen zu verbringen, ist dort mindestens abwartend aufgenommen worden. In jedem Fall wäre dieses Vorgehen, mit Transporten über weite Strecken, auch nur ein Kurieren an den Folgen, ohne einen klaren Plan für einen langfristigen Umbau der Tierhaltung. Den betroffenen Betrieben hier eine Perspektive zu eröffnen – klare Ziele wie artgerechte Ställe und über lange Sicht verlässliche Preise durch zu schaffende Qualitätsmärkte, letztendlich eine Neudefinition des Systems „Mastschwein“ – bleibt jedoch aus. Bestehen bleiben allerdings der gesellschaftliche Anspruch an eine andere Tierhaltung sowie die Gewissheit, dass die Zeit florierender Exportmärkte durch die Afrikanische Schweinepest in China kein nachhaltiger Garant für hohe Betriebseinnahmen sein kann.
05.08.2019
Von: mn

Ohne Flächenbindung ist schnell zuviel Gülle am Betrieb