Quo vadis, Ackerbau?

Ich gehöre zu der Bauerngeneration, deren Väter (meistens) mit einem Grinsen im Gesicht „Roundup“ zum ersten Mal auf ihren Feldern einsetzten und sich dann freuten, die Quecken ohne Schälpflug und Grubber schnell wieder loszuwerden. Das Mittel war teuer und wurde deshalb auch nur alle paar Jahre mal auf derselben Fläche eingesetzt. Schnell gab es immer weniger Betriebe, dafür jedoch wurden diese Betriebe umso größer. Einfache Lösungen waren immer gefragter. Ackerbauliche Tugenden wie Fruchtfolge, mechanische Unkrautbekämpfung etc. gerieten dadurch in Vergessenheit und wurden durch chemische Wirkstoffe als fester Bestandteil des Anbausystems ersetzt. Dieses Ackerbaukonzept stößt, vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels, immer deutlicher an seine Grenzen: Nicht nur mit rasant zunehmender Resistenzbildung gegen Herbizide, Fungizide und Insektizide, sondern auch mit rasant zunehmender Kluft zur Bevölkerung haben wir Bauern zu kämpfen. Die Menschen entfernen sich von der Landwirtschaft und dem eigentlich Ursprünglichen, nämlich der Lebensmittelerzeugung. Das hat vielfältige Gründe. Die Gesellschaft ist dabei leider schizophren, denn die (Fehl-)Entwicklung in der Landwirtschaft hat den heutigen, ebenso wenig nachhaltigen Lebensstil erst möglich gemacht. Meine persönliche Konsequenz aus diesem Dilemma war schon vor vielen Jahren die Erweiterung meiner Fruchtfolge. Einen echten Markt für Erbsen, Bohnen und Lupinen, der den Wert dieser Kulturen honoriert, gibt es, zumindest im konventionellen Bereich, leider nicht. Die Wirtschaftslobby, die Industrieprodukte exportieren und Sojabohnen importieren will, ist mächtig. Die Deutschen sollen auch künftig nur sieben Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden müssen (im Jahr 1900 waren es noch 55 Prozent!), damit genug Geld für (teure deutsche) Autos, Urlaub und sonstigen Konsum übrig bleibt. Ein Leben im Konsumrausch ... weit entfernt von Bodenständigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Ich glaube dennoch, dass ein immer größer werdender Teil der Menschen viel weiter denkt als unsere Agrarpolitiker und durchaus bereit ist, für nachhaltig produzierte Lebensmittel deutlich mehr Geld auszugeben. Der jährliche Zuwachs im Biobereich lässt hoffen ... Deshalb stelle ich meinen Betrieb nun auf Bio um, in der Hoffnung, in Zukunft auch über die Marktpreise für gutes, nachhaltiges Wirtschaften belohnt zu werden, wobei das Agieren einiger Bioverbände leider in die entgegengesetzte Richtung läuft. Aber auch die Politik muss endlich reagieren: Das „Bauernlegen“ muss aufhören! Ein bäuerlicher Betrieb wirtschaftet aus Eigeninteresse nachhaltig, wenn es die Umstände nur zulassen. Wenn Bauern nicht nur für Weizen und Mais, sondern auch für Erbsen, Bohnen, Lupinen und Hafer existenzsichernde Preise bekommen, werden sie diese Früchte auch anbauen. Das regelt nicht allein der Markt, dafür müssen von der Politik verbindliche Rahmenbedingungen und Förderinstrumente geschaffen werden. Das wäre längst auf nationaler Ebene und auch in der EU möglich. Die EU-Agrarzahlungen sollten ausschließlich an eine nachhaltige Wirtschaftsweise gekoppelt gezahlt werden und, ganz wichtig, sie müssen gekappt werden, damit die massive Förderung agrarindustrieller Firmen zu Lasten bäuerlicher Betriebe endlich aufhört!!!
04.06.2019
Von: Franz-Joachim Bienstein

Franz-Joachim Bienstein,