Vielfalt auf dem Acker und im Kopf

Für die, die es ausprobieren, ist es oft ein schöner Motivationsschub. Jahre-, Jahrzehntelang wuchsen auf dem Acker nur Getreide und Hackfrüchte, jetzt sind es Erbsen oder Ackerbohnen, Leguminosen also, und sie stehen üppig und gleichmäßig. Häufig machen Bauern und Bäuerinnen, die – zur Auflockerung ihrer konventionellen Fruchtfolge oder in der Umstellung auf Ökolandbau – zum ersten Mal Erbsen oder Bohnen anbauen, diese positive Erfahrung. Dass das nicht so bleibt, wenn man Leguminosen häufiger oder gar zu häufig bringt, dass es nach wie vor zumindest konventionell schwierig mit der Wirtschaftlichkeit ist, dass es nach dem kurzen Boom durch die Einführung der ökologischen Vorrangflächen nun wieder ruhiger um sie wurde, ist alles richtig. Trotzdem bleibt es ein guter Moment für jeden Ackerbauern und jede Ackerbäuerin, Ende Mai vor einem satten, grünen Erbsenbestand zu stehen und zu wissen, dass man da etwas gut gemacht hat. Der ökonomische Druck zu einfachen Fruchtfolgen hat in der Vergangenheit immer weiter zugenommen. Die Verengung des Anbauspektrums und daraus resultierende Probleme mit resistenten Unkräutern, gepaart mit Einschränkungen im Bereich der Pestizide, haben zu einer Situation geführt, in der viele Bauern und Bäuerinnen nach Alternativen im Ackerbau suchen. Auch weil sich zudem bei vielen das Gefühl einstellt, nicht länger bei einer chemiegetriebenen Praxis mitgehen zu wollen, die den eigenen und/oder gesellschaftlichen Ansprüchen hinsichtlich des Erhalts von Natur und Umwelt zuwiderläuft. Vieles möglich „Vieles ist möglich, aber du musst dich mit deinen Produkten am Markt platzieren können“, sagt Gerhard Portz, konventioneller Ackerbauer mit 150 Hektar und Direktvermarktung im Rheinland. Bei ihm im Hofladen meckere der Verbraucher nicht über die höheren Preise für Kartoffeln und Salat, auch wenn sie nicht Bio seien. Die Preise müssen höher sein, denn die Stoppelbearbeitung mit der Kurzscheibenegge kostet 80 Euro mehr auf dem Hektar als die Herbizidbehandlung. Und die Düngung des Getreides nicht auf Höchsterträge spart Portz Behandlungen gegen Krankheiten und Schädlinge wegen der lockeren Bestände, lässt ihn aber weniger ernten. Meist braucht es im Getreide höchstens einmal Spritzen gegen Gelbrost. Die Fruchtfolge ist bei ihm mit Weizen, Roggen, Gerste, Raps, Kartoffeln und Buschbohnen weiter als bei vielen konventionellen Kollegen – auch weil er unterschiedliche Absatzkanäle hat. Während er streng darauf achtet, nicht auf zu nassen Boden zu fahren, und viel mit konservierender Bodenbearbeitung versucht, hält er den Boden vor Kartoffeln schwarz – wegen des Drahtwurms, der ihm sonst schon mal die Ernte auffressen würde. „Die Preise müssen stimmen, sonst haben wir irgendwann nur noch Landwirtschaft im ganz großen Stil“, sagt Portz. Keine Gesamtlösung „Ich wollte mich auch ein Stück weit befreien von Bayer und BASF“, begründet Franz-Joachim Bienstein, Ackerbauer in Mecklenburg-Vorpommern, seinen Schritt, nun auf Ökolandbau umzustellen. Schon immer, so sagt er, war die Chemie für ihn nur die Ultima Ratio. Konventionell nachhaltig zu wirtschaften sei unter ökonomischen Gesichtspunkten schwer und nun spiele auch noch das Wetter nicht mehr mit, sagt er rückblickend auf den vergangenen Dürresommer. Ökologisch wirtschaftende Kollegen in seiner Umgebung hingegen seien da zwar auch nicht optimal, aber doch gut durchgegangen, so seine Wahrnehmung. Nun wagt er den Schritt zum Öko-Ackerbau, hat auf einem Drittel seiner Flächen Kleegras, um die Bodenfruchtbarkeit zu fördern und die Distel zu unterdrücken, obwohl er noch keine Verwertung für den Aufwuchs hat. Bohnen, Erbsen und Lupinen hat er immer schon in der Fruchtfolge gehabt und hofft sie über Absatzkanäle des Ökolandbaus attraktiver verkaufen zu können. Seinen Mais hat er gerade das erste Mal gestriegelt, „mit Bauchschmerzen, aber andere haben es ja vor mir auch hingekriegt“. Bienstein sagt, er habe keine Gesamtlösung, man müsse sich eben reinfuchsen und immer wieder ausprobieren, was geht. Am meisten beschäfitgt ihn, wie er den Nährstoffkreislauf hinbekommt, ohne Tierhaltung und Mineraldünger. Die mechanische Unkrautbekämpfung traut er sich zu und auch mit einer guten Saat den Pflanzen zu einem guten Start vor allen Unkräutern und Schädlingen zu verhelfen. Aber gerade im Hinblick auf Krankheiten seien die Probleme viel geringer, wenn die Pflanzen gut versorgt seien. Bewegung im Kopf Es gebe so zwei Arten von Ackerbauern, sagt Jan Wittenberg aus der Hildesheimer Börde und für die Striegelfirma Treffler viel in Sachen mechanische Unkrautbekämpfung unterwegs, die sich in Zeiten der Renaissance von Hacke und Striegel für einen anderen Ackerbau oder dann eine ökologische Bewirtschaftung interessierten: die Überzeugungstäter, oft an die 60 Jahre alt, die alle Entwicklungen des Ackerbaus mitgemacht hätten und jetzt sagten: Es reicht, wie soll ich das später meinen Enkeln erklären, was ich hier mache? Für die stehe im Vordergrund, auch ökologisch einen sauberen Acker hinzubekommen. Für die sei es wichtig, sich auf die Problemunkräuter Quecke, Distel, Ampfer zu konzentrieren. Und dann gebe es die, oft eher auch auf größeren Betrieben mit 500 und mehr Hektar, die sich vornehmlich die Frage nach der Nährstoffversorgung stellten und da wenig Hemmungen hätten, alle möglichen Quellen – Biovinasse, Champost, Futter-Mist-Kooperationen –, die im Ökolandbau erlaubt sind, auszuschöpfen. Denen sage er dann: Alles gehe nicht, Ertragsverzicht gehöre dazu. Die Unkrautfrage sei für sie oft nicht so das Problem, weil sie immer schon „mit dem Kopf auf der Erde gewesen“ seien. Überhaupt der Kopf: Das Verständnis von Landwirtschaft müsse sich ändern: weg von vorgegebenen Rezepten hin zur Idee eines komplexen Systems, in dem immer wieder neu reagiert werden müsse. „Die konventionellen Bauern müssen sich bewegen und die Bios dürfen nicht aufhören, sich zu bewegen“, so seine Einstellung. Wittenberg setzt auf seinem Betrieb auf pfluglosen Öko-Ackerbau, auf Vielfalt in seiner umfangreichen Fruchtfolge mit Winter- und Sommerungen, Leguminosen, Futter- und Marktfruchtbau, Tief- und Flachwurzlern. Irgendwas gelänge schon immer, was dann auch zu verkaufen sei. So streue er das Risiko und probiere auch immer wieder neues aus. Mal sind es Lupinen als Speiseware, mal Luzerne, um Heu zu verkaufen. Optimal mit Vieh Guter Ackerbau sei eine ständige praktische Abwägung, sagt Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf vom Berninghof in Spenge bei Bielefeld. Vor 30 Jahren habe die immer ausgefeiltere Chemisierung des Ackerbaus ihn dazu gebracht, sich einer anderen Art der Bewirtschaftung zuzuwenden. Dass das dann den Rahmen und das Etikett Ökolandbau bekam, war für ihn nicht vordringlich, sondern eine Vermarktungsoption mit angemessenerer Wertschöpfung für die auf diese Art erzeugten Produkte. „Erst recht, seit sich seit einigen Jahren im Ökolandbau eigene Preise bilden und nicht mehr nur ein Aufschlag auf konventionelle Ware erhoben wird.“ Anfangs wirtschaftete der Berninghof ohne Vieh, aber erst seit es eine enge Kooperation mit einem Milchviehbetrieb in der Nachbarschaft gibt, ist die Ackerwirtschaft aus Graefe zu Baringdorfs Sicht optimal. Zweijähriges Kleegras als Gesundungsfrucht sorgt für den Humusaufbau und unterdrückt – auch durch das Schröpfen zur Futterwerbung – die Wurzelunkräuter. „Kleegras bringt Masse in den Boden und stabilisiert, beim Kartoffelbau bewegen wir den Boden viel, das fordert Humus und macht ihn anfällig für Erosion“, erklärt Graefe zu Baringdorf, „so muss man eben auch immer wieder Kompromisse machen.“ Früher war ein Kompromiss der auch im Ökolandbau zugelassene organische Zukaufdünger, was, so Graefe zu Baringdorf, schon ökonomisch kaum nachhaltig war. „Nicht alles, was erlaubt ist, ist gut“, sagt er und ist nun froh über den Kuhmist vom Nachbarn. In der sechsgliedrigen Fruchtfolge steht die Ackerbohne vor der Kartoffel, auch weil Untersuchungen und die eigenen Erfahrungen andeuten, dass so das Auftreten des Drahtwurm minimiert wird. Trotz des Leitbildes eines immer bedeckten Bodens werden auf dem Betrieb die Lücken zwischen Früchten zum Teil zur intensiven Bearbeitung genutzt – auch hierbei geht es um Ackerhygiene, Unkraut, Drahtwurm. „Das geht so, weil wir zeitige Ernten haben und Zwischenfrüchte, die eine etwas spätere Saat vertragen.“ Nach dem Kleegras wird gepflügt und es folgt Winter- oder Sommerweizen, danach eine Rapszwischenfrucht, dann die Ackerbohne vor Ölrettichzwischenfrucht, die dann zur Kartoffel gepflügt wird, danach wird ohne Pflug Roggen gesät. Entscheidend sei oft der richtige Zeitpunkt, vor allem bei der mechanischen Unkrautbekämpfung. Nicht immer passten die Faktoren Wetter, Stadium der Kulturpflanze und Unkrautauflauf zusammen. „Wer es trifft, ist Meister“, sagt Graefe zu Baringdorf – und das gilt nicht nur fürs Striegeln und Hacken.