Haltlose Begründung zur Wiederzulassung des Pestizid-Wirkstoffs Thiacloprid

In Briefen an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert das Umweltinstitut München die Ministerinnen auf, sich auf EU-Ebene gegen die weitere Zulassung des Pestizid-Wirkstoffs Thiacloprid auszusprechen und in Deutschland Pestizide mit dem umwelt- und gesundheitsgefährlichen Wirkstoff umgehend vom Markt zu nehmen. Deutschland kommt nach Ansicht des Instituts bei der Zukunft von Thiacloprid besonders große Verantwortung zu: „Wenn Pestizid-Wirkstoffe neu auf den Markt kommen oder die Zulassung erneuert werden soll, müssen unter anderem die Gefahren, die von dem Wirkstoff für Umwelt und Gesundheit ausgehen, bewertet werden. Die Bewertung, auf die sich letztlich eine weitere Genehmigung oder ein Verbot von Thiacloprid stützt, übernimmt Deutschland“, erklärt das Institut. Thiacloprid hat laut Umweltinstitut unter anderem beim Menschen fruchtbarkeitsschädigenden Wirkung, greift in das menschliche Hormonsystem ein, ist für  Wasserlebewesen sehr giftig und schadet Nützlingen wie Marienkäfern, Florfliegen und Brackwespen, die natürliche Gegenspieler von Schädlingen wie etwa Blattläusen sind. Außerdem gehört das Pestizid zu den Neonicotinoiden, die als besonders gefährlich für Insekten gelten. In Frankreich wurde Thiacloprid deshalb verboten. Zwar ist Thiacloprid für Bienen weniger giftig als andere Neonicotinoide, in Kombination mit weiteren Pestiziden kann sich die schädliche Wirkung jedoch verstärken. Dass sich diese Pestizide gleichzeitig mit Thiacloprid in der Luft befinden, hat das Umweltinstitut erst kürzlich mit Pestizid-Messungen in Südtirol nachweisen. Eigentlich sei die Zulassung von Thiacloprid bereits im April 2017 ausgelaufen. Und laut der EU-Pestizidverordnung dürften Stoffe mit solch gravierenden Wirkungen auf die Gesundheit auch nicht erneut genehmigt werden. Dennoch wurde die Genehmigung des gesundheitsschädlichen Wirkstoffs des Chemiekonzerns Bayer seither immer wieder um ein Jahr verlängert. Das liege daran, dass die Neubewertung des Wirkstoffs seitens der Mitgliedstaaten, die für eine (Nicht-)Zulassung nötig ist, nicht fristgerecht abgeschlossen wurde. Deshalb darf er noch bis mindestens Ende April 2020 verwendet werden. "Und sogar darüber hinaus droht das Gift weiter zugelassen zu werden, und zwar für weitere fünf Jahre", erklärt das Umweltinstitut.. Möglich mache das ein Schlupfloch in der Pestizidverordnung: Wenn gesundheits- und umweltschädliche Mittel für die Landwirtschaft unbedingt nötig sind oder wenn Menschen damit nicht nennenswert in Kontakt kommen, können sie dennoch genehmigt werden. Genau diese Gründe führte der Bayer-Konzern in seinem Antrag auf Wiedergenehmigung an. Der Begründung von Bayer, dass es für Thiacloprid keine Alternative gibt, widerspricht zum Teil sogar die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). In ihrem offiziellen Bericht schreibt sie, dass es zur Bekämpfung einiger Schädlinge auch nicht-chemische Methoden sowie weitere alternative Insektizid-Wirkstoffe gibt. Nur für vereinzelte Anwendungen gäbe es keine ausreichenden chemischen Alternativen. Doch der ökologische Landbau zeigt nach Ansicht des Umweltinstituts tagtäglich, dass es auch komplett ohne chemisch-synthetische Pestizide geht. Allein diese Tatsache belege, dass die Begründung für die Wiederzulassung haltlos ist. Außerdem geht aus dem EFSA-Bericht hervor, dass Menschen sehr wohl mit Thiacloprid in Kontakt kommen, da bei der Saatgutbehandlung mit Thiacloprid vereinzelt ArbeiterInnen der mehr als offiziell verträglich eingestuften Dosis des Wirkstoffes ausgesetzt waren. Ob und wann es zu einer Abstimmung über die weitere Genehmigung auf EU-Ebene kommt, ist derzeit noch nicht bekannt. Allerdings diskutieren die EU-Mitgliedstaaten Anfang kommender Woche im dafür zuständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel, ob das Insektengift weiter zugelassen oder verboten werden soll. In Deutschland sind dafür jeweils VertreterInnen aus dem Landwirtschaftsministerium (BMEL) und dem Umweltministerium (BMU) zuständig.