Änderung der Düngeverordnung ja – aber doch nicht so!

Bei der neuen Düngeverordnung (DÜV) geht es im Kern darum, Nitratauswaschung ins Grund- oder Oberflächenwasser zu verhindern. Das ist ein wichtiges Anliegen! Andere Formen von Stickstoffverlusten – als Ammoniak, als Lachgas, als atmosphärischer Stickstoff – spielen begleitend eine Rolle. Das Thema hat eine schon lange Geschichte: Es war 1985, als von der EU die Obergrenze für Nitrat im Trinkwasser auf max. 50 mg/Liter festgelegt wurde (zuvor waren es 80 mg gewesen). Begründet wurde dies mit der Gefahr der Umwandlung von Nitrat in Nitrit und weiter in Nitrosamine im menschlichen Körper mit der Folge schwerer Erkrankungen (vor allem bei Kleinkindern). 1991 machte dann die „Nitratrichtlinie“ klare Vorgaben. In der Landwirtschaft war noch in den 1960er Jahren Stickstoff der ertragsbegrenzende Faktor gewesen. Ab den 70ern entwickelten sich schnell in den unterschiedlichsten Regionen N-Überschüsse mit Folgen für die Trinkwassergewinnung: in Weinbaugemeinden an der Mosel (damals erhielten vielerorts Reben 200 kg N/ha und mehr), in Grünlandregionen wie Kempten/Allgäu (viel zugekauftes Kraftfutter führt zu viel Gülle), in den frühen Zentren der agrarindustriellen Tierhaltung (Südoldenburg / Emsland / Münsterland), wo sich die Gülleflut mit der Ausdehnung des Maisanbaus verschwisterte. In den 80er Jahren gab es den ersten Gülleerlass: Es wurde versucht, durch zeitliche Vorgaben (Ausbringungsverbote von ... bis ...), mit Verpflichtungen zu längeren Lagerungsmöglichkeiten und Vorgaben von Obergrenzen für die Gülleausbringung die Gülleflut zu beherrschen. Vergeblich! Immer tiefer mussten die Trinkwasserbrunnen gebohrt werden. Zukunftsweisende Modelle Der Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft betrat als „Akteur“ die politische Bühne. Erfreulich und in die Zukunft weisend entwickelten sich viele der aus der regionalen Betroffenheit heraus geborenen Kooperationsmodelle zwischen Landwirten und Wasserschutzgebietsberatern. Beide mussten die Feinabstimmung zwischen Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Stickstoffdüngung neu lernen, mit einigen Erfolgen! Die Ökolandwirtschaft als Wirtschaftsweise, die sauberes Wasser ermöglicht, wurde entdeckt. (Allerdings musste auch zur Kenntnis genommen werden, dass falsche Bodenbearbeitung auch bei Ökolandbau Stickstoffverluste anrichten kann). Wichtig bis heute waren aber auch die vielen Dauerdüngungsversuche, die in den 90er Jahren von der Agrarverwaltung angelegt wurden. Wichtig, weil man an ihnen lernen kann, dass eine gegenüber den „Norm-Empfehlungen“ der Düngeberatung deutlich reduzierte Stickstoffdüngung kaum bzw. keine ökonomischen Nachteile bringt. Mitte der 90er Jahre wurde dann mit der Bilanzierung von Stickstoffein- und -austrägen begonnen. Das Ergebnis: In allen Jahren gab es in Deutschland (mit leichten Schwankungen) einen Stickstoffüberschuss von etwa 100 kg N je ha. Dieser stellt neben der Gefahr einer Wasserverschmutzung für die Landwirtschaft auch einen riesigen wirtschaftlichen Verlust dar (jedes Jahr 1,8 Mrd. Euro)! Die staatliche Agrarpolitik hat die Stickstoffüberschüsse durchaus provoziert: z. B. durch Förderung von Stallbauten ohne vertretbaren Bezug zur Nutzfläche; z.B. dadurch, dass die Gülle aus Biogasanlagen gar nicht mit berücksichtigt wurde; z. B. durch Förderung weiterer Güllesilos und Ferntransporte der Gülle und durch das Setzen auf technische Lösungen (Separierung; Schleppschlauch-, -schuh- und Schlitztechnik). Generell gilt auch: Landwirtschaftliche Betriebe sind ein wichtiger Teil der Stickstoffproblematik; sie sind aber nicht allein verantwortlich zu machen. Von der Agrarpolitik über die Ammoniakindustrie bis zur Beratung gibt es eine lange Verursacherkette! Für echte Verbesserungen Bei der jetzigen DÜV sind es vor allem drei Vorgaben, die eine tatsächliche Verbesserung der Verhältnisse in Frage stellen: 1. Das Netz der DÜV wird über alle Betriebe geworfen, unabhängig davon, ob ihre Wirtschaftsweise das Risiko einer Überdüngung beinhaltet oder nicht. So müssen sich z. B. in den Gebieten mit vorliegender Überschreitung der Obergrenze in den Messstellen („Rote Gebiete“) alle Betriebe den verschärften Regulierungen unterwerfen, auch die, die kein Risiko darstellen. Das ist das Gegenteil einer verursachergerechten Regelung! Zwar gibt es Ausnahmemöglichkeiten (Beispiel Bayern: Betriebe mit Kontrollwerten unter 35 kg N/ Ökobetriebe/ Betriebe mit Wasserschutzgebietskooperationen), sie sind aber nicht ausreichend. Stattdessen sind alle Betriebe, die kein Risiko einer Stickstoffüberdüngung aufweisen, von der DÜV komplett auszunehmen. 2. Die DÜV geht das Problem übergroßer Tierbestände und eines nicht akzeptablen Tierbesatzes je Fläche nicht direkt an. Die verpflichtende Forderung von Feld-Stall-Bilanzen bzw. von Stoffstrombilanzen wird das Problem massierter Tierhaltung aber nicht lösen können. Stattdessen werden diese Betriebe ihr Heil in politischem Protest, in verantwortungslosem Verhalten bei Landpacht und -kauf sowie im dauerhaften Ferntransport von Gülle suchen. Tausende Tankwagen, die über Bundesstraßen und Autobahnen die Gülle auf Ackerbaubetriebe zu verteilen suchen – wenn die denn wollen und das auf Dauer! Stattdessen ist das Problem übergroßer Tierbestände direkt anzugehen; Vermutlich wird es keine andere Lösung geben, als übergroße Tierbestände „herauszukaufen“ und verpflichtende Obergrenzen für Tierbesatz je Betrieb und Fläche einzuführen. 3. Die DÜV versucht, starre Vorgaben bei der technischen Ausbringung der Gülle durchzusetzen. So richtig es ist, eine deutliche Verminderung der Stickstoffverluste bei der Ausbringung (und im Stall und bei der Lagerung) einzufordern, so fragwürdig ist die Einengung auf drei im Augenblick vorhandene Ausbringungsformen. Dafür sind die Wirkungen von Schleppschlauch- , -schuh- und Schlitztechnik viel zu fragwürdig („Güllewürste“, Futterverschmutzung, Zerstörung der Grasnarbe, Bodenpressung, Unfallgefahr, hohe Investitionskosten bzw. gesteigertes Risiko von Ammoniakverlusten bei Fremdmechanisierung). Stattdessen sind in Kooperation zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und Untersuchungsanstalten Verfahren zu entwickeln, die sowohl im Stall, bei der Lagerung und bei der Ausbringung Ammoniakverluste stark verringern. Erfreulicherweise ist hier viel in der Diskussion und in der praktischen Erprobung.