Notfallzulassung für Neonikotinoid kritisiert

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat eine Notfallzulassung für das Insektizid Carnadine mit dem Wirkstoff Acetamiprid, einem Neonikotinoid, für den Zeitraum von 120 Tagen erteilt. Die Notfallzulassung gilt ausschließlich für den Zuckerrübenanbau. „Nach sorgfältiger Prüfung“ ist das BVL zu dem Schluss gekommen, dass bei Beachtung entsprechender Auflagen „die Anwendung als nicht bienengefährlich einzustufen ist.“ und „alle Kriterien, die das Pflanzenschutzrecht zum Schutz des Naturhaushalts aufgestellt hat“, erfüllt. Deutliche Kritik erfährt diese Zulassung von Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments. „Dass Bundesagrarministerin Julia Klöckner sang- und klanglos einen weiteren Bienenkiller zulässt, grenzt an einen Skandal“, so Häusling. Die Zulassung des Gifts widerspreche der Ansage der Ministerin ‚Was der Biene schadet, muss vom Markt‘. Trotz deutlicher Warnungen renommierter Wissenschaftler, trotz des Freilandverbots für drei verwandte Neonikotinoide, trotz Millionen von Menschen, die sich im bayerischen Volksbegehren für den Schutz von Insekten eingesetzt haben und, zu guter Letzt, trotz der Empfehlung des Umweltministeriums und Umweltbundesamts, steuere die Ministerin ohne Rücksicht auf Artenverluste weiter durch gefährliche Fahrwasser. „Mit der einen Hand hält sie sich das Ohr zu, mit der anderen hält sie das Steuer und manövriert unbeirrt in die ökologische Katastrophe. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Wer flüstert ihr diesen Kurs zu? Ich wiederhole noch einmal meinen Appell: Sämtliche Substanzen, die Bestäuber gefährden, dürfen nicht weiter zugelassen werden, nur um wirtschaftliche Interessen zu schützen. Die Europäische Kommission muss endlich gegen die Erteilung von Notfallzulassungen vorgehen“, so Häusling.
Ähnlich äußert sich auch Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. „Was der Biene schadet, wird genehmigt‘ – so lautet offenbar das neue Motto von Julia Klöckner. Denn würde sie ihre Sprüche von ‚systemrelevanten Bienen‘ ernstnehmen, müsste sie ein umfassendes Freilandverbot für alle Neonikotinoide im Freiland erlassen, wie es in Frankreich bereits gilt, das fordern auch die Imkerverbände. Stattdessen lassen Klöckners Behörden jetzt sogar weitere Neonikotinoid-Produkte und Nachfolge-Gifte mit gleicher Wirkungsweise zu. Die drei Bienengift-Verbote vom letzten Jahr dürfen keine einmalige Ausnahme sein, wie Bayer es sich wünscht. Der Konzern lobbyiert massiv dafür, die Bienenschutzregeln der EU abzuschwächen – und leider sieht es ganz danach aus, als würde die Bundesregierung ihm auf den Leim gehen“, erklärt Ebner. Die Notfallzulassung von Carnadine ist nach Ansicht des BVL für die deutschen Zuckerrübenbauern von besonderer Notwendigkeit. „Bis 2018 wurde Zuckerrübensaatgut gegen Blattläuse mit Pflanzenschutzmitteln gebeizt, welche die systemisch wirkenden Neonikotinoide Imidacloprid, Clothianidin oder Thiamethoxam enthielten. Grund hierfür ist die Bedrohung der Zuckerrüben durch virenübertragende Blattläuse. Für Pflanzenschutzmittel mit Imidacloprid, Clothianidin oder Thiamethoxam gilt das EU-weite Verbot der Anwendung im Freiland weiterhin, hiervon gibt es in Deutschland keine Ausnahme“, schreibt das BVL.
30.03.2019
Von: FebL/PM

Das BVL hat eine Notfallzulassung für ein Neonikotinoid für den Zuckerrübenanbau erteilt. Foto: Archiv