Tschechiens Premier vermischt Politik und Geschäftsinteressen

Seit dem 2. August 2018 werden „keinerlei Mittel aus europäischen Programmen“ an Tschechien und/oder an Projekte in Tschechien ausgezahlt. Das erklärte der EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU), zuständig für Haushalt und Personal, im Dezember 2018 im Rahmen einer von den Grünen beantragten Debatte im EU-Parlament. Anlass ist ein Interessenkonflikt, der mit dem Namen Andrej Babiš verbunden ist, der 2013 mit einer Parteineugründung (ANO) und als deren Vorsitzender in die Politik eintrat, zunächst Finanzminister und 2017 Premierminister wurde. Bereits seit 2014 liegt dieser Konflikt in Brüssel auf dem Tisch, wurden nicht nur seitens des EU-Parlaments Hinweise an die Kommission gegeben, jedoch „eine eher lustlose EU-Kommission gesehen“, wie die CDU-Europaabgeordnete Ingeborg Gräßle die jahrelange weitestgehende Untätigkeit der Kommission beschreibt. Auch in Deutschland Babiš ist nicht nur Tschechiens Premierminister, sondern war im Jahr 1993 auch Gründer des Agrarkonzerns Agrofert, dem nach eigenen Angaben mittlerweile größten Konzern in der tschechischen und slowakischen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Er umfasst mehr als 230 Unternehmen aus den Bereichen Chemie, Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft (mit über 100.000 Hektar Land), Landtechnik und Technologien, Forstwirtschaft und Holzproduktion, erneuerbaren Energien und Medien, darunter die größten Tageszeitungen Tschechiens. Der Konzern ist auch in Deutschland aktiv. So gehören hier beispielsweise der Düngemittelhersteller SKW Piesteritz, größter Harnstoff- und Ammoniakproduzent Deutschlands, sowie der Brot- und Backwarenhersteller Lieken AG zum Konzern. Für die EU besteht ein Interessenkonflikt laut Artikel 61 der Verordnung 2018/1046 dann, wenn ein Finanzakteur oder eine andere Person zum Beispiel aufgrund wirtschaftlicher Interessen, „die auf direkten oder indirekten persönlichen Interessen beruhen, seine bzw. ihre Aufgaben nicht unparteiisch und objektiv wahrnehmen kann“. Auf diesen Konflikt verweisen gleich mehrere Stellungnahmen, die dann auch zu einer entsprechenden Entschließung des EU-Parlaments im Dezember 2018 führten und Kommissar Oettinger zum Handeln zwangen, geht es doch um viele Millionen Euro aus dem EU-Haushalt. Bei Eintritt von Babiš in die Politik erhielt Agrofert zum Beispiel 42 Millionen aus dem EU-Struktur- und Investitionsfonds. Im Jahr 2017 sollen es 82 Millionen Euro gewesen sein. Um den Eindruck von Interessenkonflikten zu vermeiden und in Tschechien geltenden Vorgaben zu entsprechen, hat Babiš 2017, als er Premierminister wurde, seine Anteile am Agrofert-Konzern an zwei Treuhandfonds übertragen und behauptet seither, mit den Agrofert-Geschäften nichts mehr zu tun zu haben. Zu einem ganz anderen Urteil kommt in einem Gutachten der juristische Dienst der EU-Kommission. Er hält den Interessenkonflikt für „unüberbrückbar“. Auch eine jüngst erstellte Studie namhafter tschechischer Juristen kommt zu dem Urteil, dass die Bildung der Treuhandfonds an der eigentlichen Eigentümerstruktur nichts geändert habe. Zuvor hatte bereits der tschechische Ableger von Transparency International im slowakischen „Register für Partner des öffentlichen Sektors" herausgefunden, dass Babiš einer der fünf Begünstigten der Treuhandfonds ist. EU-Parlament bohrt „Andrej Babiš muss eine Entscheidung treffen: Entweder vertritt er als Premierminister die Interessen seines Landes oder er vertritt als Firmenchef die Interessen seines Konzerns. Eine solche Vermischung von politischen und wirtschaftlichen Zielen ist nicht hinnehmbar. Bis zu einer Entscheidung sollten alle EU-Zahlungen an die Firmengruppe eingestellt werden“, erklärt Maria Heubuch (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des EU-Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Geld fließt nach wie vor Kritische Fragen zu seinem Wirken in Tschechien begegnet Babiš schon mal mit einem Verweis auf Deutschland. Über sein Image solle man sich dort bei dem „Chef der BayWa, bei Raiffeisen, bei Herrn Tönnies“ oder bei den Banken erkundigen und nicht bei Journalisten, die „Lügen über Babiš“ schreiben, so Babiš in einer Reportage des MDR-Fernsehens im Jahr 2016. Jüngsten Medienberichten aus Tschechien zufolge fließen weiterhin Mittel aus der EU nach Tschechien. Das hätten die EU-Kommission und die nationale Zahlstelle in Tschechien bestätigt. Ausgesetzt seien lediglich die Mittel aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESF)-Programm, nicht jedoch die aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL). Und die haben für den Konzern große Bedeutung. So lag der Konzerngewinn der Agrofert-Gruppe laut Medien 2017 bei 4,8 Milliarden Kronen. Die EU-Subventionen beliefen sich im selben Jahr auf 2,1 Milliarden Kronen (aktuell entspricht eine tschechische Krone 0,039 Euro). Die Subventionen machen damit 43 Prozent des Gewinns von Agrofert aus. Für Maria Heubuch verdeutlicht der Fall Babiš „einmal mehr den dringenden Reformbedarf der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik. Dieser Megakonzern aus der Agroindustrie erhält jährlich über 80 Millionen Euro an Direktzahlungen, während viele kleinere und mittlere bäuerliche Betriebe ums Überleben kämpfen. Agrarsubventionen sollten in Zukunft nur noch an diejenigen bezahlt werden, die diese auch wirklich benötigen – und niemals an die Superreichen.“ Mehrmals sind Vertreter der EU-Kommission im Januar und Februar dieses Jahres nach Tschechien gereist, um den möglichen Interessenkonflikt zu überprüfen. Einen Bericht mit den entsprechenden Ergebnissen hat Günther Oettinger für April, noch vor den Europawahlen, angekündigt.
06.03.2019

Wohin geht es im Interessenkonflikt zwischen Premierminister Andrej Babiš und der EU, hier vertreten durch Kommissionspräsident Juncker? Foto: e.europe.eu