Keine Zweifel erlaubt!

Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ist nicht bereit, dem Verdacht auf eine kanzerogene Wirkung bei Genmais nachzugehen

Es ist Herbst und die Blätter färben sich gelb. Nicht nur an den Bäumen, auch auf den Feldern. Roundup hilft bei der Unkrautbekämpfung. Frei verkäuflich und mit offizieller Unbedenklichkeits­bescheinigung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und dem Bundesinstitut für Risiko­forschung (BfR). Und doch könnte es anders sein. Grund zur Skepsis bietet die vor ca. einem Monat veröffentlichte Studie des französischen Forscherteams um Gilles-Eric Seralini. Die in der Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology veröffentlichte Studie „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize” hat die Langzeitauswirkungen einer Aufnahme von gentechnisch verändertem Mais NK 603 sowie die von Roundup bei Ratten untersucht. Seralini und sein Team stellten fest, dass Ratten, die ihr Leben lang gentechnisch veränderten Mais fressen, früher sterben als ihre Verwandten, die normalen konventionellen Mais zu fressen bekommen. Schnell wurde die Bedeutung dieser Erkenntnisse klar. Neben vielen Kritikpunkten an gentechnisch verändertem Saatgut, der steigenden Abhängigkeit von einigen wenigen, international agierenden Unternehmen, der immer weiter fortschreitenden Patentierung von Pflanzen, der Zerstörung einer gentechnikfreien Produktion und einer Wahlfreiheit durch Bauern und Verbraucher, stellen die Ergebnisse einen begründeten Anfangsverdacht gegen die gesundheitliche Unbedenklichkeit des untersuchten gentechnisch veränderten Mais NK603. Und nicht nur gegen den Mais. Die Forscher hatten parallel die Auswirkungen der Aufnahme von Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat auf die untersuchten Ratten getestet. In einer direkten Reaktion hatte der russische Föderale Verbraucherschutzdienst die Einfuhr von NK603 zumindest vorübergehend untersagt. Undurchsichtige Allianz Nur wenige Tage dauerte es, da hatten sich die Fronten der Gentechnikbefürworter geschlossen. Monsanto hielt sich anfangs auffällig zurück. Als erste äußerte sich der Gentechniklobbyverband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO) und attestierte der Studie, ohne Argumente zu nennen, pauschal „erhebliche Mängel“. Danach wurde die Studienschelte der französischen Wissenschaftler von der EFSA vorangetrieben. Dicht gefolgt vom BfR. Die Hauptkritikpunkte sind, dass die Zahl der Versuchstiere pro Gruppe zu gering sei und die im Versuch verwendeten Ratten aus einer Linie von Versuchstieren stammen, die auch bei normaler Fütterung mit steigender Lebenszeit ein erhöhtes Krebsrisiko aufwiesen. Die französischen Forschen hätten keine Fragen formuliert und Informationen über das Futter verschwiegen. In einzelnen Punkten muss man den Wissenschaftlern von EFSA und BfR vermutlich recht geben. Aus Sicht einer verlässlichen Statistik ist eine höhere Zahl an Versuchstieren zu fordern. Da die Wissenschaftler immer auch eine Kontrollgruppe hatten, die mit konventionellem Futter gefüttert wurde, heben sich auf der Genetik der Tiere basierende gesundheitliche Beeinträchtigungen auf, da diese in allen Gruppen gleich auftreten. Dass die Wissenschaftler keine Fragen stellten, könnte man im Sinne der Wissenschaftstheorie als besonders gelungen bezeichnen. Auf diese Weise hätten sie ausgeschlossen, ihre Studie bewusst so auszulegen, dass sie die von ihnen erwarteten Ergebnisse erzielten. Eine zentrale Frage gab es aber doch, die nach den Auswirkungen von Roundup und des gentechnischen Maises NK603. Schnelle Ablehnung Die Autoren der Studie wurden sowohl von EFSA als auch vom BfR um ergänzende Informationen gebeten. Anstatt diese abzuwarten, kommt BfR-Vizepräsident Prof. Reiner Wittkowski zu dem Schluss: „Die Studie hat sowohl Schwächen im Design als auch in der statistischen Auswertung, so dass die Schlussfolgerungen der Autoren nicht nachvollziehbar sind.“ Nicht belegt sei auch die Aussage zur Langzeitaufnahme des glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel Roundup, die zu schweren Gesundheitsschäden und früherem Versterben führen könnte. Dem Beobachter stellt sich die Frage nach der Motivation von EFSA und BfR, die Publikation ohne genauere Detailkenntnisse zu zerreißen. EFSA in der Pflicht Ceralini erklärte Anfang Oktober, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) keine zusätzlichen Daten über seine Forschung zur Verfügung zu stellen. Vielmehr ging der Wissenschaftler in die Offensive und forderte seinerseits von der EFSA, ihre Daten über die Unbedenklichkeit des Genmais NK603 und das Pestizid Roundup öffentlich zu machen. Es sei „ein Skandal“, dass die EFSA ihre Daten geheimhalte, kommentierte Seralini das Vorgehen der Behörde. Dass in Fachzeitschriften nur ein Ausschnitt der Untersuchungsdaten wiedergeben wurde, ist durchaus üblich. Der Schwerpunkt derartiger Publikationen liegt in der Regel auf der Darstellung der Ergebnissen. Allerdings ist schon die Tatsache der Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift ein Qualitätsmerkmal der Studie, da die veröffentlichten Ergebnisse, schon im Interesse des Verlages, in aller Regel von unabhängigen Wissenschaftlern auf ihre Glaubhaftigkeit geprüft werden. Ist der Angriff von EFSA unf BfR auf Ceralini also in Wirklichkeit eine Verteidigung der eigenen Prüfstandards, wie es Christoph Then von TestBiotech vermutet. In der Vergangenheit hatten beide Behörden sowohl gentechnisch veränderten Pflanzen als auch Roundup immer wieder eine gesundheitliche Unbedenklichkeit bescheinigt. Dringender Handlungsbedarf Christoph Then verteidigt die Ergebnisse Ceralinis und weist darauf hin, dass die französischen Wissenschaftler nicht von Beweisen, sondern von deutlichen Hinweisen auf gesundheitliche Schäden sprechen. Die Wissenschaftler selbst fordern, den aufgeworfenen Fragen mittels weiterer Untersuchungen nach zu gehen. „Solange die Ergebnisse der französischen Studie nicht eindeutig widerlegt werden, ist es unverantwortlich, diese nur aufgrund von methodischen Mängeln zu verwerfen“, so Then. Selbst wenn die Studie nicht als endgültiger Beweis für die Risiken von gentechnisch veränderten Pflanzen angesehen werde, liege die Beweislast jetzt bei der Industrie.
07.11.2012
Von: unabhängige Bauernstimme, mn