AbL: Agrarministerkonferenz gibt „gefährliches Heilsversprechen“

„Das von Bundesministerin Julia Klöckner initiierte und moderierte Kommuniqué 2019 des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) ‚Landwirtschaft digital - Intelligente Lösungen für die Landwirtschaft der Zukunft‘ ist ein gefährliches Heilsversprechen zur Lösung aller großen Herausforderungen in den Landwirtschaften der Erde“, kommentiert Ulrich Jasper, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, das von 74 Ressortchefs auf der internationalen Agrarministerkonferenz in Berlin am Wochenende einstimmig verabschiedete Abschlusskommuniqué. Die Sicherung der Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung, der Erhalt lebensfähiger ländlicher Gemeinschaften, wirksame Reaktionen auf den Klimawandel, die Vermeidung negativer Umweltwirkungen, der Tierschutz und Fortschritte zur gesunden Ernährung weltweit - alles werde in der Erklärung der Agrarministerinnen und Minister aus 74 Ländern mit ‚Digitalisierung der Landwirtschaft‘ versprochen. „Wie einst mit der ‚Grünen Revolutionen‘ wird nun mit der digitalen Erfassung, Vernetzung und letztlich digitalen Steuerung aller wesentlichen Prozesse der Lebensmittelerzeugung die Lösung aller Probleme versprochen. Das kann nur scheitern“, so Jasper. Dieser Ansatz gehe über die Köpfe von Milliarden Menschen, die weltweit in der Landwirtschaft arbeiten und davon leben, hinweg. „Das gilt nicht nur für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die in dieser Strategie nicht auftauchen, aber für die Ernährung vor Ort entscheidend sind. Nein, das gilt auch für die weit technisierten modernen landwirtschaftlichen Betriebe bei uns“, erklärt der AbL-Geschäftsführer. Den notwendigen Umbau in weiten Teilen unserer Tierhaltung mit Digitalisierung lösen zu wollen sei ein Hohn, weil es die baulichen und finanziellen Herausforderungen außer Acht lasse. Auch im Ackerbau gebe es viele Innovationen abseits von Digitalisierung, die viel billiger, aber sofort wirksam sind, um die hier zunehmenden Herausforderungen meistern zu können. In dem Kommuniqué heißt es, dass die Regierungen und internationalen Organisationen der Vereinten Nationen bis hin zur Weltbank jetzt die Digitalisierung massiv vorantreiben sollen, auch und besonders mit Geld. „Die Gefahr besteht darin, dass hierfür nun ein Großteil der Aufmerksamkeit, Kraft und Mittel der Agrarministerinnen und Minister beansprucht wird und die anderen notwendigen Strategien und Maßnahmen hintenüberkippen“, erklärt Jasper. Die Digitalisierung sei kein Selbstzweck, und die Profiteure dieser Technologie dürften nicht zum Taktgeber der Politik für zukunftsfähige Landwirtschaft, gesunde Ernährung und lebensfähige Dörfer werden. „Bauern und Verbraucher brauchen Antworten in der realen Welt, und das dringend“, so Jasper abschließend. Bereits während der laufenden Agrarministerkonferenz waren die Bauern und Bäuerinnen der „Wir-haben-es-satt“-Demonstration mit ihren Traktoren vor das Auswärtige Amt, den Veranstaltungsort der Konferenz, gezogen, um ihre Anforderungen an die zukünftige Agrarpolitik und hier insbesondere die Digitalisierung in Form einer „bäuerlichen Protestnote“ zu übergeben. „Wir möchten bei Ihnen in Erinnerung rufen, dass bäuerliche Erfahrungen und bäuerliches Wissen ein Schatz sind, den es zu erhalten und zu schützen gilt. Dies wurde in der Vergangenheit in verschiedenen UN-Abkommen festgehalten und jüngst noch einmal durch die UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbäuerinnen und -bauern und anderen Menschen, die im ländlichen Raum arbeiten, mit neuer Deutlichkeit bestätigt. Es gilt, dieses Wissen breit verfügbar zu machen und es gleichzeitig – angesichts der Megafusionen im vor- und nachgelagerten Agrar- und Ernährungssektor, wie zum Beispiel Bayer und Monsanto sowie Whole Foods und Amazon – vor einer Monopolisierung und einseitiger Kommerzialisierung durch die Konzerne zu schützen“, heißt es in der Protestnote, in dem die versammelten Minister aufgefordert werden, „die notwendigen Schritte einzuleiten, damit nicht multinationale Konzerne wie John Deere, Claas, Bayer oder Google die Rechte erhalten, um die Daten und Informationen zum Beispiel über Klima, Genetik oder Böden exklusiv zu nutzen und zu bestimmen, wie die (digitale) Landwirtschaft der Zukunft aussieht. Macht und Wissen in der Hand weniger Megakonzerne sind aus der Sicht der Welternährung nicht zu akzeptieren“.
21.01.2019
Von: FebL

Gerorg Janßen (li.), Bundesgeschäftsführer der AbL, begründete im Namen der Bäuerinnen und Bauern vor dem Auswärtigen Amt die "bäuerliche Protestnote" und übergab sie dem Parlamentarischen Staatssekretär Michael Stübgen (re.). Foto: FebL