Das Vorsorgeprinzip durch Innovation ausgehebelt

Das Vorsorgeprinzip ist als eines der Grundelemente der Umweltpolitik in Deutschland und in Europa fest verankert und findet sich beispielsweise als eines der Primärrechte der EU im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Art. 191 AEUV). Doch jetzt droht es durch das Innovationsprinzip ausgehebelt zu werden. „Das Vorsorgeprinzip kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn es darum geht, mit Unsicherheiten und Nichtwissen in der Risikoabschätzung umzugehen, weil weder der eindeutige Nachweis für Gefahren noch für die Sicherheit von Produkten vorliegt“, erklärt Annemarie Volling, Gentechnikexpertin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in der jüngsten Ausgabe der Unabhängigen Bauernstimme. Dieses Vorsorgeprinzip ist jüngst durch das EuGH-Urteil zu neuen Gentechnikverfahren gestärkt worden. Aus Vorsorgegründen, weil Risiken der neuen Techniken mit denen der alten Gentechnik vergleichbar sein könnten und weil es noch keine langen (Sicherheits-) Erfahrungen mit diesen neuen Gentechniken gibt, müssen sie nach dem Gentechnikgesetz reguliert werden, also unter anderem einer Risikobewertung, einem Zulassungsverfahren, einer Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und einem Monitoring unterzogen werden. „Solch ‚umfassende‘ Regulierung ist der (Agrar-)Industrie schon lange ein Dorn im Auge“, schreibt Volling. Die Industrie ist daher bereits vor Jahren aktiv geworden und fordert die Einführung eines „Innovationsprinzips“. Unter anderem um die Wirtschaftskraft der Industrie zu stärken, dürfe nicht nur auf die Folgen für Umwelt und Gesundheit geschaut werden, sondern auch auf das „Innovationsklima“. Und die Aktivitäten der Industrie sind erfolgreich. Jetzt taucht das „Innovationsprinzip“ erstmalig in einem Legislativvorschlag der EU auf, in der neuen Verordnung zum nächsten EU-Forschungsrahmenplan „Horizon Europe“ für 2021 bis 2027. Trotz der Forderung von unterschiedlichster Seite, so auch von der AbL, das „Innovationsprinzip“ aus dem Verordnungstext zu streichen, hat das EU-Parlament der Verordnung zugestimmt. „Nun folgen die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten. Die Bundesregierung ist jetzt aufgefordert, den Schutz von Mensch und Umwelt weiter hochzuhalten, sie hat Unterstützung dafür vom EuGH und vom Bundesverfassungsgericht“, erklärt die AbL-Expertin.
20.12.2018
Von: FebL/Bauernstimme

Innovation und/oder Vorsorge auch auf dem Acker. Foto: FebL