Fairness in der Gemeinsamen Agrarpolitik

„Liebe Regierungschefs, es muss endlich Fairness in der Gemeinsamen Agrarpolitik geben!“ Das fordert der Verband der litauischen Milcherzeuger LPGA auf einer Kundgebung in Brüssel anlässlich des heutigen Treffens der Staats-und Regierungschefs der EU, auf dem es um den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU für 2021-2027 und somit die zukünftigen Agrarmittel geht. Die Forderung der LPGA nach einer Angleichung der Direktzahlungen, nach Gleichbehandlung und einer fairen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wird unterstützt vom European Milch Board (EMB), das auf ein effizientes Kriseninstrument für den Milchmarkt drängt. Landwirte aus den baltischen Mitgliedsländern erhalten mit 54-60 Prozent des europäischen Durchschnitts die niedrigsten Direktzahlungen in der Europäischen Union. Dies trotz der Tatsache, dass ihre Produktionskosten über dem EU-Durchschnitt liegen. „Ein Minimum von 196 € pro Hektar in allen Mitgliedstaaten wurde bereits 2013 vom Europäischen Rat als Ziel für 2020 zugesagt", weist Jonas Vilionis, der Präsident des litauischen Milcherzeugerverbandes auf die mehrjährigen Bemühungen der baltischen Erzeuger für eine Angleichung der Direktzahlungen hin. „Solange wir über den Milchpreis kein faires Einkommen erwirtschaften können, sind wir Erzeuger auf die Subventionen aus Brüssel angewiesen.“ Nach den von der Europäischen Kommission im Juni 2018 vorgelegten Vorschlägen zur GAP-Reform würden die baltischen Landwirte bis 2027 rund 77% des europäischen Durchschnitts erhalten. Für die litauischen Erzeuger ist das aber nicht ausreichend: „Die baltischen Landwirte müssen genau die gleichen Umweltschutz-, Tierschutz- und Lebensmittelstandards einhalten wie andere EU-Mitgliedstaaten, ohne entsprechende Entschädigung“. „Es ist höchste Zeit, dass wir nicht mehr als Bauern zweiter Klasse behandelt werden!“, fordert Albinas Jusas, Milcherzeuger aus Kaisiadorys, der die letzten drei Tage bereits knapp 2000 km Busreise auf sich genommen hat, um sein Anliegen nach Brüssel zu tragen. Nachdem auch die Mittel für die zweite GAP-Säule, welche die Investitionen umfassen, gekürzt werden sollen, könnten die Landwirte nicht mehr in ihre Betriebe investieren. „Niedrige Erzeugerpreise und zu geringe Direktzahlungen bedeuten das Ende unserer Höfe“, erklärt Jusas. Schützenhilfe für den litauischen Milcherzeugerverband kommt vom European Milk Board, der Dachorganisation der europäischen Milcherzeuger. „Solange Landwirte auf Direktzahlungen angewiesen sind, ist es wichtig, dass die gleichen Bedingungen für alle gelten“, unterstützt Erwin Schöpges, Präsident des EMB, die Forderungen nach angeglichenen Direktzahlungen innerhalb der GAP. „Unser Ziel ist es aber, mittelfristig landwirtschaftliche Einkommen über den Markt zu erwirtschaften. Also über Milchpreise, die die Produktionskosten abdecken inklusive eines gerechten Einkommens für die Erzeuger.“ Noch seien Europas Landwirte weit davon entfernt. Laut Daten von Eurostat lag hier das Einkommen pro Person 2017 bei nur 46,5% vom EU-Durchschnittseinkommen. „Mittelfristig sollen Erzeuger vom Preis ihrer Produktion leben können und nicht auf Subventionen angewiesen sein“, fordert Schöpges. Vor allem in Krisenjahren, die in regelmäßigen Abständen Europas Milchviehbetriebe an den Rand der Existenz drängen, sind die Defizite für die Milchbauern besonders hoch. Ein zentrales Element für das EMB ist daher ein funktionierendes Kriseninstrument wie das Marktverantwortungsprogramm (MVP), das den Milchmarkt im Gleichgewicht hält und starke Milchpreiseinbußen verhindert.
Kjartan Poulsen, Milchproduzent aus Dänemark und Vorstandsmitglied des EMB möchte die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik mit einem effizienten Kriseninstrument ausgestattet sehen. „Die Politik muss endlich die gesetzlichen Grundlagen schaffen, um schnell auf Marktstörungen reagieren zu können.“ So könnten die Milchbauern mit einem freiwilligen Lieferverzicht bei Überproduktion schnell wieder eine Marktbalance erreichen.
Für das European Milk Board ist außerdem wichtig, dass die EU mit dem MVP über ein geostrategisches Instrument verfügt. „Angesichts der großen Unsicherheit, die bezüglich der Konsequenzen des Brexit herrscht, brauchen wir das Marktverantwortungsprogramm, um rasch auf geopolitische Krisen reagieren zu können“, so Poulsen. Ohne dieses Instrument wäre der europäische Milchmarkt den zu erwartenden Turbulenzen regelrecht ausgeliefert. Im Schulterschluss mit den baltischen Kollegen ruft Poulsen die Staats- und Regierungschefs auf, eine gut ausgestaltete und faire Agrarpolitik bereit zu stellen – und dies für alle Landwirte Europas.