Kükentöten: Aufziehen statt Aussortieren!

Pro Jahr werden allein in Deutschland rund 45 Millionen männliche Küken getötet, die von Legehennenrassen stammen. Um diese Praxis zu beenden, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit circa fünf Millionen Euro die Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei gefördert, um männliche Küken nicht erst ausbrüten zu müssen. Das Ergebnis hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner jetzt gemeinsam mit Dr. Ludger Breloh, Geschäftsführer von SELEGGT, einem Joint Venture der REWE Group mit einem Technologie-Unternehmen , und Jan Kunath, stellvertretendem Vorstandsvorsitzenden der REWE Group, in Berlin vorgestellt: das nun marktreife SELEGGT-Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei. In 223 REWE- und PENNY-Märkten in Berlin können Kunden ab November die ersten Konsumeier kaufen, deren Legehennen als Brut-Ei das neue Verfahren durchlaufen haben, heißt es bei der Vorstellung des Verfahrens. Demnach plant die REWE Group bereits für das kommende Jahr die nationale Markteinführung der so genannten "respeggt-Freiland-Eier" auf alle rund 5.500 REWE- und PENNY-Märkte in Deutschland auszudehnen. Parallel erarbeite SELEGGT ein Geschäftsmodell, um die Technik der Branche kostenneutral als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen. Somit sei Deutschland Auftaktgeber der neuen Methode, die das Kükentöten in Brütereien beenden kann. Ab 2020 soll auch ersten Brütereien das patentrechtlich geschützte Verfahren zur Nutzung angeboten werden. „Die Geschlechtsbestimmung im Ei kann nicht die Lösung für das Beenden des Kükentötens sein“, kommentiert Demeter-Vorstand Alexander Gerber. „Auf diese Weise werden die männlichen Küken nur früher getötet und ‚entsorgt‘. Wir brauchen eine ganzheitliche Lösung, bei der auch die männlichen Küken leben dürfen und aufgezogen werden.“ Bei der letzten Delegiertenversammlung im April hat der Demeter-Verband entschieden, dass er die In-Ovo-Geschlechtsbestimmung ausschließt und stattdessen auf die Zucht eines echten, auf Öko-Bedingungen angepasstes Zweinutzungshuhn setzt. Für dieses Ziel hat Demeter zusammen mit Bioland 2015 die gemeinnützige Ökologische Tierzucht (ÖTZ) gegründet. „Mit der ÖTZ haben wir die Züchtung des Ökohuhns der Zukunft auf den Weg gebracht. Hier werden beide Tiere aufgezogen: Hahn und Henne!“ so Gerber, „Während die Geschlechtsbestimmung im Ei die Symptome einer Marktentwicklung ausmerzen möchte, die von der Gesellschaft nicht mehr toleriert werden, wie nun das Kükentöten, stellt die Ökotierzucht die Systemfrage. Wir wollen eine in sich stimmige Geflügelhaltung. Artgerecht, natürlich Bio und mit einer Zucht in Bauernhand.“ Die eigene Zucht eines Zweinutzungshuhns ist eine echte Alternative zu den hochspezialisierten Linien der vier weltweit dominierenden Zuchtkonzerne. Auch auf der „Eurotier“-Messe war diese Systemfrage zu hören. Etwa auf einer Podiumsveranstaltung des Demeter e.V. sprachen Inga Günther, Geschäftsführerin der ÖTZ , und Jan Löning, Demeter Berater, über „neue Wege für Geflügel – regionale Fütterung, ökologische Züchtung, Zweinutzung“. Zum Hintergrund der ÖTZ: Die Ökologische Tierzucht gGmbH ist der im März 2015 gegründete gemeinnützige Träger für eine eigenständige ökologische Tierzucht. Als Gesellschafter gehen die beiden Bio-Verbände Bioland und Demeter eine Kooperation ein. Die ÖTZ hat zum Ziel, eigene, authentische Strukturen für eine ökologische Tierzucht zu schaffen. Dabei liegt der Schwerpunkt zunächst darauf, eigene Zuchtstrukturen für das Öko-Huhn von morgen aufzubauen. Dieses ist an Haltungs- und Fütterungsbedingungen der ökologischen Landwirtschaft besser angepasst als die hochleistenden Hennen von heute. Im besten Fall werden mit einem Tiertyp beide Produktionsrichtungen (Eier und Fleisch = Zweinutzung) erreicht und so das Kükentöten beendet. Zum SELEGGT-Verfahren erklären die Entwickler: Beim so genannten SELEGGT-Verfahren wird in die Schale des Brut-Eies mit Hilfe eines Lasers ein maximal 0,3 Millimeter kleines Loch gebrannt. Über dieses wird non-invasiv eine winzige Menge der so genannten Allantoisflüssigkeit entnommen. Das Innere des Brut-Eies wird dabei nicht berührt und bleibt unversehrt. Im nächsten Schritt wird die Allantoisflüssigkeit auf einen patentierten Marker außerhalb des Brut-Eies gegeben. Dieser zeigt durch Farbumschlag an, ob sich in dem Brut-Ei das geschlechtsspezifische Hormon Östronsulfat nachweisen lässt. Ist dies der Fall, entwickelt sich in dem Brut-Ei ein weibliches Küken. Nach der Geschlechtsbestimmung muss das Brut-Ei nicht verschlossen werden, da sich die innere Eimembran selbstständig zusammenzieht und das winzige Loch von innen verschließt. Am 21. Bruttag schlüpft dann ein weibliches Küken. Fehlt Östronsulfat, handelt es sich um ein männliches Brut-Ei, das aussortiert und zu hochwertigen Tierfutter weiter verarbeitet wird. Das SELEGGT-Verfahren hat in der Praxis eine Bestimmungsgenauigkeit von rund 98 Prozent. Die lückenlose Rückverfolgbarkeit stellt eine innovative Blockchain-Technologie sicher. In der Blockchain werden die relevanten Daten von der mit dem SELEGGT-Verfahren ausgestatteten Brüterei über den Junghennen-Aufzuchtbetrieb und den Legebetrieb bis hin zu Eier-Packstellen mittels einer App eingegeben. Die Daten werden dezentral gespeichert, sind für alle Teilnehmer der Lieferkette einsehbar und unveränderlich. So wird eine hohe Sicherheit über die gesamte Lieferkette gewährleistet.
26.11.2018
Von: FebL/PM

Stellten das verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei vor: Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, SELEGGT-Geschäftsführer Ludger Breloh und Jan Kunath, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der REWE Group. Foto: BMEL/Florian Gaertner/Photothek.net