Handlungsbedarf für Deutschland und EU nach Wahl Bolsonaros

Durch die Wahl des sich in die Tradition der Militärdiktatur stellenden Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens steht nach Einschätzung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die Menschenrechts- und Klimapolitik des größten Landes Südamerikas auf dem Prüfstand. Bolsonaro hatte im Wahlkampf unter anderem angekündigt, in viel größerem Ausmaß den Amazonas-Regenwald für die Nutzung durch Unternehmen und Landwirtschaft freizugeben. "Das wäre eine Tragödie: Die globale Klimakrise würde beschleunigt. Der wichtigste globale Schatz an Artenvielfalt würde geplündert. Und die Menschenrechte der mit und vom Amazonas lebenden indigenen Völker stehen auf dem Spiel", warnt Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. "Auch Deutschland und die EU sind nun gefordert. Sie müssen Bolsonaro mit einer klugen Strategie und neuen Allianzen begegnen." Germanwatch befürchtet unter Bolsonaro schwere Verletzungen der Menschenrechte. Seine Ankündigung im Wahlkampf, die NGOs in Brasilien zu verbieten, unterstreicht diese Gefahr. Als wichtigste Akteure im Kampf um die Einhaltung der Menschenrechte gelten die Bewegungen der Landlosen (MST) und Wohnungslosen (MTST), die Jugendorganisation Levante Popular da Juventude, die im Movimento dos Pequenos Agricultores (MPA) zusammengeschlossenen Kleinbauern und das Movimento dos Atingidos por Barragens (MAB), das seit Ender der 1970er-Jahre den Widerstand gegen Wasserkraftwerke organisiert. Ihre Unterdrückung könnte Teil der menschenverachtenden sogenannten "Säuberungswelle" werden, die Bolsonaro angekündigt hat. Milke: "Mit großer Sorge sehen wir, dass unsere Partner in Brasilien nun in Angst um sich und ihre Familien leben müssen. Wir setzen darauf, dass die öffentlichen Institutionen in Brasilien entschieden für den Schutz der Menschenrechte einstehen - und hoffen sehr auf die Solidarität der Zivilgesellschaft vor Ort und weltweit mit den Betroffenen." Die Wahl Bolsonaros zeige auch den Handlungsbedarf der Politik in der EU, damit Unternehmen auch im Ausland die Menschenrechte achten. "Die Deutsche Bank bezeichnet in ihrer Markteinschätzung Bolsonaro als 'Wunschkandidat der Märkte'. Dies zeigt, dass viele Unternehmen und Investoren kurzfristige Profitinteressen über den Schutz der Menschenrechte stellen. Menschenrechte dürfen für Deutschland und die EU nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Wir brauchen dringend verbindliche Menschenrechtsregeln für Unternehmen", kommentiert Milke. Der Klimagipfel von Katowice im Dezember und der G20-Gipfel in Argentinien kurz zuvor erhalten mit der Wahl Bolsonaros noch mehr Gewicht. "Deutschland und die EU müssen jetzt ihren Beitrag leisten, damit der in Paris 2015 geschlossene Gesellschaftsvertrag mit künftigen Generationen nicht aufgekündigt wir. Sie müssen in Katowice Allianzen mit vom Klimawandel besonders verletzlichen Staaten, mit Klimaschutz-Vorreitern weltweit und besonders relevanten Staaten wie Indien, Südafrika oder China aufbauen. Es gilt, die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens mit klarer Strategie voranzutreiben. Wichtig sind in Katowice die Bereitschaft für ambitioniertere Klimaziele, für ausreichend Klimafinanzierung und zur Verabschiedung des Regelbuchs zur Umsetzung des Pariser Abkommens", sagt Klaus Milke. Den Handlungsbedarf unterstreicht auch die Ernennung der neuen Landwirtschaftsministerin Tereza Christina da Costa Dias durch Bolsonaro, der damit einem Vorschlag der Agrarindustrielobby gefolgt ist. Im brasilianischen Kongress hat sie die Agrarindustrielobby und Großgrundbesitzer vertreten, die dort Bolsonaro unterstützt haben. Von Kritikern wird sie die "Gift-Frau" genannt, da sie sich vehement für Erleichterungen bei der Zulassung und Anwendung von Pestiziden stark macht. Sie stammt aus dem für den exportorientierten Soja- und Maisanbau wichtigen Bundesstaat Mato Grosso do Sul, wo sie bisher in der Regionalregierung für Agrarentwicklung zuständig war. Wie topagrar meldet, ist in diesem Jahr in Brasilien so viel Regenwald abgeholzt worden, wie seit 2008 nicht mehr, vor allem in den Bundesstaaten Pará und Mato Grosso. Die Agrarindustrielobby soll auch hinter den Plänen des neuen Präsidenten stehen, eine Straße durch den Regenwald zu bauen.
26.11.2018
Von: FebL/PM

Die Landlosenbewegung könnte in Brasilien verboten werden, geht es nach den Plänen des neuen Präsidenten.