Klimaziele 2030: Zivilgesellschaft legt Maßnahmenprogramm vor

Unter dem Motto „Wann, wenn nicht jetzt!“ haben mehr als sechzig Organisationen aus der Breite der Zivilgesellschaft ein umfassendes Forderungspapier erarbeitet, in dem die notwendigen Maßnahmen in allen klimapolitischen Handlungsfeldern beschrieben werden, damit Deutschland sein Klimaziel 2030 erreicht. Zentrale Forderungen sind ein baldiger Kohleausstieg als Beitrag zur Energiewende, die schnelle Umsetzung der Verkehrs- und Agrarwende sowie ein ambitionierter CO2-Preis. Zum Handlungsfeld „Landwirtschaft“ heißt es in den Kernforderungen des Papiers, dass ein Großteil der Emissionen der Landwirtschaft aus der Tierproduktion stammt und die zentrale Herausforderung „daher in der deutlichen Reduzierung der Tierbestände“ liegt. Dies werde nur gelingen, wenn der inländische Konsum, aber auch der Export tierischer Lebensmittel, erheblich reduziert und der ökologische Landbau konsequent ausgebaut werden. Als weitere Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen nennt das Papier die Reduzierung des Stickstoffeinsatzes, den Erhalt und die Ausweitung von Dauergrünland, einen konsequenten Schutz kohlenstoffreicher Böden mit der Wiedervernässung und Renaturierung von Mooren. „Auch die europäische Ebene wird für den Klimaschutz in der Landwirtschaft in Deutschland eine entscheidende Rolle spielen“, schreibt das Bündnis und postuliert, dass klimaschonende Maßnahmen der Bäuerinnen und Bauern „durch die EU-Agrargelder honoriert werden“ müssen. Um einen Umbau der Nutztierhaltung einzuleiten, fordert das Bündnis von der Bundesregierung die Festlegung verbindlicher Schritte im Rahmen der nationalen Nutztierstrategie. „Dazu gehören zum einen die Definition des Ziels, wie der Tierbestand in Deutschland in den Jahren 2030 und 2050 aussehen soll und zum anderen die Festlegung des Pfades dorthin und eine Finanzierung des Umbaus.“ Die Bundesregierung müsse die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass Tierhaltungsanlagen ohne entsprechende Flächen die Genehmigung verweigert und eine flächengebundene Tierhaltung von maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar verbindlich vorgeschrieben wird. "Deutschland wird das Klimaziel 2020 drastisch verfehlen. Für das 2030-Ziel ist das keine Option. Der Klimawandel wartet nicht auf politische Entscheidungen. Bis Mitte des Jahrhunderts müssen wir weitgehende Treibhausgasneutralität erreichen. Die Bundesregierung ist dringend gefragt, ihrerseits geeignete Maßnahmen vorzulegen und sofort mit der Umsetzung zu beginnen", erklärte Antje von Broock vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) bei der Vorstellung des Papiers in Berlin. "Ein Klimaschutzgesetz muss für rechtliche Verbindlichkeit in allen Sektoren sorgen. Eine konsequente, sozial gerechte und naturverträgliche Energiewende ist ein essentieller Bestandteil, um die Klimaziele zu erreichen. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist dabei zentral. Die älteste und klimaschädlichste Hälfte der Kraftwerke muss bereits kurzfristig vom Netz", so von Broock weiter. Michael Schäfer vom WWF Deutschland verweist auf den seit 2008 konstant hohen Treibhausgas-Ausstoß Deutschlands. "Deutschland hat beim Klimaschutz ein Jahrzehnt verloren und droht ein weiteres zu verlieren, wenn die Bundesregierung nicht endlich einen umfassenden Katalog von Klimaschutzmaßnahmen beschließt“, so Schäfer. „Die Regierungsparteien prokrastinieren und blockieren statt ihre Arbeit zu machen. Das können wir uns nicht länger leisten, der Sonderbericht des Weltklimarats IPCC und der Hitzesommer haben uns das noch einmal eindrücklich vor Augen geführt. Aus dem IPCC-Bericht entsteht ein klarer Handlungsauftrag: Kein weiteres Jahr darf für den Klimaschutz verloren gehen. Grundlage allen Handelns muss die Ausrichtung an einem 1,5-Grad kompatiblen Pfad sein. Ein effektiver CO2-Mindestpreis würde auf diesen Pfad hinlenken und das 2030-Ziel näher rücken." Das Maßnahmenprogramm beleuchtet zum einen die Bereiche Energie, Gebäude, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft aus dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung. Darüber hinaus hält es die Umgestaltung von Steuern und Abgaben sowie des Finanzwesens für notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Eine zukunftsfähige Klimapolitik müsse auch das Bildungssystem mit einbeziehen und ein geschlechtergerechtes Leben und Wirtschaften fördern. Das Forderungspapier "Wann, wenn nicht jetzt! Das Maßnahmenprogramm Klimaschutz 2030 der deutschen Zivilgesellschaft" soll in den kommenden Monaten mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung diskutiert werden. Die über 120 Organisationen umfassende Klima-Allianz Deutschland hat das Projekt mit einer Förderung durch das Bundesumweltministerium koordiniert. Zahlreiche Mitglieder der Klima-Allianz Deutschland und weitere Organisationen haben an dem Papier mitgewirkt. Zum Hintergrund heißt es beim Bündnis: Am 20. November 2018 stellt die Bundesregierung den Stand ihres Maßnahmenprogramms 2030 vor. Im Rahmen der 7. Sitzung des Aktionsbündnisses Klimaschutz der Bundesregierung soll auch der Klimaschutzbericht 2018 veröffentlicht werden. Das Maßnahmenprogramm entspringt dem Klimaschutzplan 2050, der im Jahr 2016 von der Bundesregierung verabschiedet wurde. Der Klimaschutzplan sieht erstmals Treibhausgas-Reduktionsziele für die einzelnen Handlungsfelder Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Industrie und Gebäude bis zum Jahr 2030 vor. Die Ministerien sollen bis Ende dieses Jahres Maßnahmen vorlegen, die aufzeigen, wie diese Ziele konkret erreicht werden können. Eine Verabschiedung der Maßnahmen im Kabinett ist für Frühjahr 2019 geplant. Die Ergebnisse der "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" und der Nationalen Plattform "Zukunft der Mobilität" sind Grundlage für Entscheidungen der Bundesregierung in den Handlungsfeldern Energie und Verkehr. Das Maßnahmenprogramm 2030 der Bundesregierung soll anschließend rechtliche Verbindlichkeit erhalten. Der Koalitionsvertrag 2018 sieht ein Gesetz vor, das die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 und eine Umsetzung der Sektorziele gewährleistet. Die kommenden anderthalb Jahre sind somit das entscheidende politische Zeitfenster für die zukünftige Ausrichtung der deutschen Klima- und Energiepolitik.
15.11.2018
Von: FebL/PM