Bierpatente nur eingeschränkt

Parallel „zur Wiesen“ – also dem Münchener Oktoberfest – fanden vor dem Europäischen Patentamt (EPA) zwei Anhörungen zu den sogenannten „Bierpatenten“ statt. Bereits 2016 und 2017 hatte das EPA in München den beiden Großkonzernen Heineken aus den Niederlanden und Carls­berg aus Dänemark insgesamt drei Patente auf Braugerste zugesprochen. Zwei Patente erstrecken sich auf Eigenschaften wie eine verbesserte Geschmacksentwicklung und Schaumqualität, das dritte ist eine Kombination der ersten beiden Patente. Die Ansprü­che der erteilten Patente sind sehr weitreichend. Sie erstrecken sich auf die Braugerstenpflanzen, deren Ernte, den Prozess des Bierbrauens, Produkte wie Malz und Würze sowie jegliche auf diese Weise produzierten Getränke. Gezüchtet wurden die Braugersten unter Einsatz chemischer Mutagenese, d. h., die Eigenschaften sind durch spontane Mutationen entstanden und dann selektiert worden. Das ist weder eine Erfindung noch ein neues Verfahren. Gegen diese Patente hatte 2017 ein breites Bündnis aus 40 Organisationen, u. a. aus den Bereichen Landwirtschaft und Kirche, Erhaltungsorganisationen, Umweltver­bände und Zivilgesellschaft, darunter Braugerste-Erzeugergemeinschaften, die AbL und die IG Nachbau, Einspruch erhoben. Anfang Oktober wurden nun zwei dieser Patente am EPA verhandelt. Anwesend waren die Patentanwälte und Techniker von Carlsberg und Heineken, Christoph Then und Ruth Tippe von „No Patents on Seeds“ und einige der Einsprechenden, u. a. die AbL. Es wurde zäh verhandelt und um viele juristische Details gerungen. Zwar konnten einige der Ansprüche technisch eingeschränkt werden – ein Teilerfolg. Die Patente sind aber nicht grundsätzlich abgelehnt worden und erstrecken sich nach wie vor unter anderem auf Gerste und Bier, obwohl die Züchtungsverfahren „im Wesentlichen biologische Verfahren“ und damit nicht patentierbar sind. Diese Patentierungspraxis des EPAs, nämlich dass sie auch konventionell gezüchtete Pflanzen patentieren, steht schon seit Jahren in der Kritik. Aufgrund des Drucks der Zivilgesellschaft und auch einiger Mitgliedstaaten sind im Sommer 2017 die Prüfrichtlinien des EPAs geändert worden. Damit sollte das Patentierungsverbot von „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ gestärkt werden. Seitdem werden keine Pflanzen und Tiere mehr patentiert, die aus Kreuzung und Selektion entstanden sind – wie der berühmte Brokkoli. Trotz der neuen Richtlinie erteilt das EPA aber weiter Patente auf Pflanzen, bei denen nach dem Zufallsprinzip ausgelöste Mutationen beschrieben werden. Damit steht die Praxis des EPAs in einem krassen Widerspruch zur eigenen Prüfrichtlinie, in der es heißt, dass zwar gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert werden können, konventionell gezüchtete aber nicht. Gegen die Bierpatent-Entscheidung des EPAs werden wahrscheinlich beide Parteien in Berufung gehen. Die Brauereikonzerne, weil sie alle ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Aber auch „No Patents on seeds“ – um Patente auf konventionelle Züchtungen nicht durchgehen zu lassen. Bis die Große Beschwerdekammer sich damit beschäftigt, kann es zwei bis drei Jahre dauern. Die AbL hat Bundesjustizministerin Barley um ein Gespräch gebeten, um auch den Druck hoch zu halten und auszuloten, wie die Erteilung von Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen politisch gestoppt werden kann.